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Horner privat: Paranoia, Ehrenschulden und Webbers Weltbild
Der Red-Bull-Teamchef erklärt, warum er Angst als Kompliment ansieht, er auf seinen Boss einredete und ihn Gehässigkeiten seines Ex-Piloten nicht tangieren
(Motorsport-Total.com) - Viel hat nicht gefehlt und die Formel-1-Saison 2016 würde ohne Red Bull - und damit zwei Teams und vier Boliden ärmer - über die Bühne gehen. Zusätzlich wäre Teamchef Christian Horner nun arbeitslos. Doch die Rettung in Form einer späten Einigung mit Renault für die Saison 2016 kam, und so konnte der Brite dieses Interview etwas entspannter angehen.
© Haymarket
Er führte Red Bull durch zwei schwierige Jahre in der Formel 1: Christian Horner Zoom Download
Der 42-Jährige spricht über das schwierige Jahr 2015, das viel Frustration und enttäuschte Erwartungen mit sich brachte. Außerdem gibt er Einblicke in die Entscheidungsprozesse bei den Bullen, spricht über "Christian Horner Racing", das es so nie geben wird und schließlich auch über Weltmeister Lewis Hamilton, der mehr als einmal bei Red Bull anklopfte.
Frage: "Christian, war 2015 dein schwierigstes Jahr im Motorsport?"
Christian Horner: "Es war herausfordernd, aber in einer anderen Art und Weise. Wenn man vorne fährt, dann ist es herausfordernd, weil man den Druck hat, dort zu bleiben. Es gibt die Herausforderung, erst einmal konkurrenzfähig zu werden. Ich würde sagen, 2015 war eines der frustrierendsten Jahre, aber nicht das herausforderndste."
Frage: "Wie würdest du den Unterschied zwischen 'herausfordernd' und 'frustrierend' beschreiben?"
Horner: "Herausfordernd sind Dinge, die man kontrollieren kann. Frustrierend sind Dinge, die man nicht kontrollieren kann. Es gab viele davon. Einige Dinge waren außer meiner Kontrolle, oder der Kontrolle des Teams, wie die Antriebseinheiten, die die Saison auf- und abseits der Strecke dominiert haben."
Frage: "Nun ist der Motorendeal für 2016 fix. Im September sah das aber noch anders aus, oder?"
Horner: "Ja."
Frage: "Also ist es wahr, dass das Team 2016 fast nicht an den Start gegangen wäre?"
Horner: "Absolut."
Frage: "Wie viel Einfluss hattest du auf Dietrich Mateschitz, um zu sagen: 'Schau, das ist gerade eine schwierige Zeit, aber du musst in der Formel 1 bleiben!'?"
Horner: "Die Politik in der Formel 1 ist frustrierend. Er wurde von dem, was gespielt wurde, desillusioniert."
"Trotzdem ist Dietrich ein Racer, der Sport seine Leidenschaft. Man muss sich nur ansehen, was er in seine beiden Teams investiert hat, aber auch in den Sport und all die Fahrer, die er unterstützt hat, um zu verstehen, dass das mehr ist als eine reine kaufmännische Übung. Das ist die Leidenschaft eines Einzelnen. Er versteht, dass es eine schwierige Zeit für das Team ist, und hilft, eine mittel- und langfristige Lösung zu suchen."
Horner: Red Bull könnte auch nach 2020 noch in der Formel 1 sein
Frage: "Also kannst du bestätigen, dass Mateschitz Red Bull auch nach 2020 noch in der Formel 1 sieht?"
Horner: "Sag niemals nie. Das hängt davon ab, in welche Richtung sich der Sport entwickelt. Solange sich die Dinge in die richtige Richtung bewegen und die Formel 1 glaubhaft und machbar ist, sehe ich keinen Grund, nicht in der Formel 1 zu bleiben."
Frage: "Was ist die richtige Richtung? Wie würdest du das definieren?"
Horner: "Zuallererst muss man den Teams Zuständigkeiten entziehen, weil alle nur ihre eigenen Interessen schützen wollen. Wir sind Konkurrenten. Da sollten die Serieninhaber und Promoter eingreifen und entscheiden, wie sie die Formel 1 haben wollen."
"Persönlich glaube ich, dass die Formel 1 Unterhaltung sein sollte. Es muss eine Show sein. Mensch und Maschine am absoluten Limit. Es muss fesselnd, ansprechend und zugänglich sein - und es sollte nicht von Politik abseits der Strecke dominiert werden."
Frage: "Hat sich die Formel 1 zu sehr von diesen Aspekten entfernt?"
Horner: "Ich denke schon. Es gibt viele Teams, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Momentan ist fast die Hälfte des Grids insolvent. Wir sind in einer Situation, wo ein Auto es schafft, über einen langen Zeitraum alles zu gewinnen."
"Die Leute werden sagen, dass das auch Red Bull bewerkstelligt hat, aber niemals in einem Ausmaß, wie wir es in den vergangenen zwei Jahren erlebt haben. Zwei der vier Weltmeisterschaften (von Sebastian Vettel; Anm. d. Red.) wurden im letzten Rennen der Saison entschieden."
"Ich glaube, dass die Antriebseinheit als Unterscheidungsmerkmal der Leistung zu wichtig geworden ist. Niemand möchte Fernando Alonso am Ende des Feldes sehen. McLaren ist ein großartiges Team, sie sollten nicht so weit hinten sein. Ich denke, es liegt im allgemeinen Interesse, dass die großen Teams vorne sind, damit wir die Ricciardos, Vettels, Hamiltons und Alonsos kämpfen sehen."
Renault hat Erwartungen zu sehr hochgeschraubt
Frage: "Du hast McLaren erwähnt. Geht es in der Formel 1 nicht immer um Höhen und Tiefen?"
Horner: "2013 hatten wir ein sehr gutes Jahr. Man gewöhnt sich daran, dass die Fahrer nach dem Qualifiyng in der Pressekonferenz sitzen oder nach dem Rennen auf dem Podium stehen. Plötzlich war das nicht mehr der Fall. Man muss sich mental darauf neu einstellen und in solchen Momenten flaut die Motivation ganz schnell ab. Da man aber den Erfolg bereits genossen und hart dafür gearbeitet hat, sind wir fokussiert geblieben."
"Mercedes hat einen tollen Job gemacht mit ihren Antriebseinheiten, aber 2014, an den Tagen, an denen sie Fehler gemacht haben, waren wir zur Stelle und haben daraus Kapital geschlagen. Die anderen Motoren, Ferrari und Renault, waren ziemlich gleich auf. Das Problem, das wir 2015 hatten, war, dass mit drei Siegen 2014 das Versprechen getätigt wurde, den Abstand zu Mercedes zu verkleinern."
Frage: "Von Renault?"
Horner: "Von Renault, deshalb waren die Erwartungen so hoch. Ist man ein konkurrenzfähiges Team, möchte man gewinnen. Wenn das nicht passiert, setzt die Frustration ein. Es war frustrierend, weil wir über die Antriebseinheit keine Kontrolle hatten. Wir hatten am Beginn des Jahres ein paar Probleme am Auto, die wir beheben konnten. Wir hatten ein gutes Chassis. Das konnte man im Mittelsektor von Spa sehen, oder in Ungarn, Singapur und Monaco. Überall dort, wo die Motorenstärke keine Rolle gespielt hat."
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Frage: "Als du dachtest, du bist 2016 in der Formel 1, möge kommen was wolle, hast du jemals daran gedacht, dass es ohne Red Bull sein könnte?"
Horner: "Nein, weil ich keine Zweifel daran hatte, obwohl Dietrich mit der Situation unzufrieden war. Er hat zu viel in das Team und die Leute investiert. Hätte er sich entschieden auszusteigen, dann hätten wir Bilanz gezogen und uns damit abgefunden. Man beschäftigt sich mit dem, was jetzt passiert, und nicht damit, was morgen vielleicht passieren könnte."
Frage: "Kam dir jemals 'Christian Horner Racing' in den Sinn, wie bei BrawnGP 2009?"
Horner: "Nein. Leute haben darüber geschrieben, aber nein. Mein Ziel war es, den Konzern (Red Bull; Anm. d. Red.) davon zu überzeugen, dass es richtig ist, in der Formel 1 zu bleiben."
Frage: "Hat es viel Überzeugungsarbeit gebraucht?"
Horner: "Manchmal schon. Da spielte Helmut (Marko, Red-Bull-Motorsportberater; Anm. d. Red.) eine wichtige Rolle, weil er sehr eng mit Dietrich befreundet ist. Auch Bernie (Formel-1-Boss Ecclestone; Anm. d. Red.) hat eine Schlüsselrolle übernommen, weil er Red Bull keinesfalls verlieren wollte. Ich glaube, dass Red Bull von allen Teams am meisten Werbung für die Formel 1 betreibt."
Fotostrecke: Top 10: Dominanteste Teams der Formel 1
#10 - Mercedes 1954-1955 (Pole-Position-Quote 62 Prozent): Der Mercedes W196 wurde in den Jahren 1954 und 1955 insgesamt nur bei 13 Grands Prix eingesetzt, doch mit acht Pole-Postions und Rennsiegen sowie zwei Fahrertiteln durch Juan Manuel Fangio war dieser Silberpfeil in seiner kurzen Einsatzzeit überaus erfolgreich und das beste Auto dieser Jahre. Fotostrecke
Frage: "Hast du jemals gedacht: 'Das ist mir jetzt alles zu kompliziert. Ich mache lieber etwas anderes'?"
Horner: "Nein, keine Sekunde lang! Das ist ein bisschen wie beim Schach. Man muss herausfinden, was der richtige Schritt ist. Es war ein kompliziertes Jahr, aber interessant. Und man muss es als Kompliment ansehen, wie viel Angst und Paranoia vor Red Bull bei den Konkurrenten herrscht."
Frage: "Glaubst du, dass Red Bull eines Tages die kommerziellen Rechte an der Formel 1 kaufen könnte?"
Horner: "Ich bezweifle es. Ich wäre sehr überrascht."
Frage: "Mateschitz liebt es, Dinge zu besitzen: Zwei Formel-1-Teams, eine Rennstrecke, das Air Race, den Hangar 7 in Salzburg..."
Horner: "Ich würde sagen, er liebt es, Dinge zu kreieren - wie das Air Race. Das sind alles sehr interessante Vorhaben. Und dann bekommen wir in diesem Jahr auch noch Red-Bull-TV. Das wird eine große Sache."
Späte Rache von Mark Webber? Horner sieht's gelassen...
Frage: "Mark Webber hat ein paar scharfe Aussagen über dich in seiner Biographie getätigt. Hast du sie gelesen?"
Horner: "Ehrlich gesagt habe ich Marks Buch nicht gelesen. Natürlich hat er eine Meinung, und die wird daher kommen, was auch immer er wahrgenommen hat. Die Realität ist manchmal ziemlich anders als die eigene Wahrnehmung. Ich habe mich sehr gefreut, als er Weltmeister der Langstrecken-WM wurde und ich denke nichts Schlechtes über ihn."
Frage: "Kannst du dich an Kanada 2011 erinnern, als Lewis mit dir gesprochen hat? Was ist damals wirklich passiert?"
Horner: "Er wollte für Red Bull fahren. Das war nicht das einzige Mal, das er auf uns zugekommen ist. Er wollte unbedingt für uns fahren. 2012 wollte er zu uns kommen, aber da gab es keine Möglichkeit solange Sebastian bei uns war. Bevor er bei Mercedes unterschrieben hat, wollte er 2013 ebenfalls für Red Bull fahren."
"McLaren war 2011 und 2012 sehr konkurrenzfähig und ich dachte, es wäre für ihn vielleicht besser, bei Mercedes zu fahren. Da wir ihn nicht unter Vertrag nehmen konnten, habe ich Niki Lauda ermutigt, ihn zu nehmen, um McLaren zu schwächen. Natürlich wusste ich damals noch nicht, was aus Mercedes werden würde."
Frage: "Also schuldet dir Lewis jetzt einen Drink?"
Horner: "Nein, Niki Lauda schuldet mir einen Drink! Was Lewis erreicht hat, hätte er sowieso geschafft. Er hat tolle Arbeit geleistet. Er ist ein verdienter Weltmeister."