• 26. Oktober 2015 · 02:48 Uhr

Lewis Hamilton: Das große Weltmeister-Interview

Der neue Weltmeister Lewis Hamilton spricht über die Bedeutung des dritten Titels, welche Ziele er in der Formel 1 noch erreichen will und sein größtes Glück

(Motorsport-Total.com) - Lewis Hamilton ist an seinem Ziel angekommen: Er hat in Austin den dritten Weltmeistertitel eingefahren und steht damit auf einer Stufe mit seinem Idol Ayrton Senna. Für den Briten geht damit ein Traum in Erfüllung, den er noch nicht recht begreifen kann. Auf der Pressekonferenz beschreibt er dennoch seine Gefühlslage, was ihm der Titel bedeutet und warum er mit Teamkollege Nico Rosberg mitfühlen kann.

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Lewis Hamilton hat auf der Pressekonferenz eine Menge zu strahlen Zoom Download

Frage: "Herzlichen Glückwunsch, Lewis. Das war einer dieser Tage, an denen es auf und ab geht und man nie weiß, wie es enden wird. Für dich war es sicherlich ein Tag voll großartiger Emotionen, wenn man deine Reise bedenkt, und ich schätze, man kann es am besten so zusammenfassen: Ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen?"

Lewis Hamilton: "Das ist es wirklich. Ich bin im Moment einfach überwältigt. Es ist schwierig, Worte dafür zu finden. Ich sitze einfach hier und denke nach... Ich erinnere mich an meine erste britische Meisterschaft, als mein Dad und ich auf dem Heimweg im Auto 'We are the champions' gesungen haben. Es ist einfach verrückt daran zu denken, dass ich nun ein dreimaliger Formel-1-Weltmeister bin. Ich habe das alles meinem Dad und meiner Familie zu verdanken, die mich all die Jahre unterstützt haben und so viel aufgegeben haben, damit ich hier sein kann."

"Und dann gibt es die positive Energie, die ich von meinen Fans empfange, die um die ganze Welt reisen. Ich realisiere wirklich, dass ich während ich in meinem Formel-1-Auto fahre eine Plattform bieten kann, um junge Leute zu inspirieren. Und wenn es eine Inspiration aus dem heutigen Tag geben kann, dann ist es einfach: Gebt niemals eure Träume, eure Hoffnungen und Wünsche auf. Arbeitet einfach daran."


Fotos: Lewis Hamilton, Großer Preis der USA


"Heute gab es so viele Momente, in denen ich gedacht habe, dass ich das Rennen verloren hätte. Ich war zurückgefallen, dann kam Nico während des Safety-Cars an die Box und war irgendwann wirklich schnell, aber ich habe nicht eine Sekunde daran gezweifelt, dass ich Zweiter werden könnte, und wir haben gepusht und gepusht. Nico ist ein fantastisches Rennen gefahren. Seit wir Teamkollegen sind, ist er unglaublich gut gewesen. Ich habe so viel Respekt vor ihm als Teamkollege, und für mich ist es eine demütige Erfahrung mit Ayrton Senna gleichzuziehen, der mir so viel bedeutet hat und immer noch bedeutet. Ich fühle mich heute sehr, sehr gesegnet."

Das Hamilton-Erbe weiter aufgebaut

Frage: "Was bedeutet ein Weltmeistertitel für einen Fahrer?"

Hamilton: "Für jeden Fahrer ist es die absolute Spitze, höher geht es nicht. In allem zu gewinnen, ist dein ultimatives Ziel. Man muss auf seinem besten Niveau performen, und das hoffentlich besser als jeder andere. Wenn man eine Weltmeisterschaft gewinnt, dann unterstreicht es zu dieser Zeit deine Großartigkeit und die der Leute um dich herum. Die ganze Einheit. Das Teamwork. Und die Großartigkeit dieser Partnerschaft."

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Der Brite feiert den WM-Titel mit seiner Mercedes-Crew Zoom Download

"Ich erinnere mich an meinen ersten Titel, für den ich einfach dankbar war. Als ich zehn Jahre alt war, habe ich Ron (Dennis, McLaren-Boss; Anm. d. Red.) gesagt, dass ich in seinem Auto Weltmeister werden möchte, und es ist schon verrückt, daran zu denken, dass ich es zehn Jahre nach meiner Unterschrift war."

Frage: "Als du den Titel im vergangenen Jahr geholt hattest, hast du vom Hamilton-Erbe gesprochen, was du tust und was dein Bruder tut. Jetzt wo du den dritten Titel eingefahren hast: Wie fühlt es sich an, weiter an dem Erbe zu feilen?"

Hamilton: "Wie gesagt, ich bin nicht der einzige in der Familie, der großartige Dinge erreicht. Mein Dad kommt aus dem Nichts und wollte nie, dass seine Kinder solche Probleme haben wie er. Was er an Einsatz geleistet hat, ist einfach bemerkenswert. Mein jüngerer Bruder ist einer der ersten Behinderten in einem Rennauto, und auch seine Motivation ist zu inspirieren. Er wollte aus meinem Erfolg nie einen Vorteil ziehen, er möchte alles selbst schaffen, und er inspiriert jüngere Kinder, ebenfalls die Erwartungen zu übertreffen. Hoffentlich kann ich ein Symbol für meinen Bruder Nick sein."

"Dass ich weiter dazu beitragen kann und zu wissen, dass der Name Hamilton auch nach uns noch weiterleben wird, darauf bin ich supersuperstolz. Und während ich hier vor der Kamera stehe, bin ich doch nur ein kleines Rädchen in einem viel, viel größeren System, das wirklich stark ist."

Den Staffelstab weitertragen

Frage: "Sebastian Vettel und du kommen zusammen auf die Titel von Michael Schumacher. Kannst du dir vorstellen, irgendwann einmal seinen Rekord zu knacken oder ist das gar nicht mehr möglich?"

Hamilton: "Da Sebastian aus dem gleichen Land kommt, könnte ich mir vorstellen, dass es sein Ziel ist. Ich habe immer gesagt, dass ich die drei Titel möchte, die Ayrton hat. Natürlich kommt er nicht aus dem gleichen Land wie ich, aber er hat mich als Kind inspiriert. Ich weiß nicht, wo es hingeht. Es gibt keinen anderen, zu dem ich aufschaue oder den ich einholen möchte. Ich fühle, dass ich nun den Staffelstab von mir und Ayrton habe, und ich werde ihn so weit wie möglich tragen, darauf aufbauen und dann schauen, wie weit es gehen kann. Ich werde alles dafür tun, um dich daran zu hindern, sieben zu bekommen - keine Sorge! (an Vettel gerichtet; Anm. d. Red.)"


Fotostrecke: Lewis Hamilton: Eine einzigartige Karriere

Frage: "Für dich gab es heute gemischte Gefühle. Fast wäre der Event ins Wasser gefallen. Heute Morgen war kaum einer hier, und am Ende feiern die amerikanischen Fans eine Weltmeisterschaft. Beschreibe doch mal deine Gefühle in der letzten Runde."

Hamilton: "Die letzten zehn bis 15 Runden waren hart - was ein außergewöhnliches Rennen. Ich hatte einen guten Start und kam Nico sehr, sehr nahe - aber das war keine Absicht. Wir haben beide spät gebremst, und ich wusste, dass er außen ist. Im Nassen ist dort der Grip, also lenkte er ein, ich aber nicht - also haben wir uns berührt. Danach habe ich um meine Position gekämpft und versucht, vorne zu bleiben."

"Die Emotionen gingen während des Rennens rauf und runter, weil ich irgendwann in Führung lag, aber wusste, dass das Auto nicht gut lief. Ich hatte Probleme und rutschte nur herum. Ich fiel auf den vierten Platz zurück und die Strecke trocknete ab - es waren einfach die schwierigsten Bedingungen für uns. Trotzdem sind die Jungs alle fantastisch gut gefahren. Bei den letzten zehn Runden war ich hinter dem Safety-Car und dachte mir: 'Okay, ich habe zehn Runden und die Weltmeisterschaft liegt direkt vor mir - wie komme ich da ran?' Und dann war ich einfach im Tunnel und habe all das umgesetzt, was ich in den vergangenen Jahren gelernt habe."

Verständnis für Nico Rosberg

"Für mich war es der entscheidende Moment. Natürlich hätte ich es auch bei anderen Rennen schaffen können, aber ich wollte es jetzt! Es war so nah, dass ich es schon riechen konnte. Ich habe gepusht und mich schon auf ein Rennen mit Nico gefreut. Ich hatte übrigens das gleiche Problem wie er. Ich bin zwar nicht abgeflogen, aber ich hatte das gleiche Problem mit durchdrehenden Rädern, als ich einen Schalter betätigt habe. Ich habe es in der gleichen Kurve fast verloren, von daher verstehe ich es und kann seine Emotionen nachvollziehen."

"Aber jetzt kann ich es nicht glauben. Ich kann es wirklich, wirklich nicht glauben. Es fühlt sich sehr seltsam an, nach neun Jahren hier zu sitzen. Wir haben noch nicht einmal das Ende der Saison, und ich kann nicht glauben, wie gut dieses Jahr lief und wie fantastisch mein Team war. Ich saß schon was weiß ich wie viele Male hier, aber es wird nie langweilig und ich fühle mich gerade unglaublich dankbar und extrem demütig und aufgeregt. Ich habe keinen Plan, was ich als nächstes tun werde. Ich weiß, dass ich vor einigen Kameras stehen muss, ich werde viele Leute umarmen und brauche definitiv einen Drink nach dem Rennen. Ich genieße einfach weiter dieses Leben und die vielen Segen um mich herum."

Frage: "Lewis, macht es einen Unterschied, ob du den Titel mehrere Rennen vor Saisonende schon einfährst oder erst im letzten Rennen?"

Hamilton: "Die vergangenen beiden Male ging es bis zum letzten Rennen. Einmal waren es 17 Sekunden vor Rennende, und im vergangenen Jahr war es zwar fantastisch, aber es hat uns viel abverlangt, weil es doppelte Punkte gab und alles hätte passieren können. Dieser Titel fühlt sich genauso besonders an, wenn nicht sogar mehr. Ich denke, es toppt sogar das vergangene Jahr, weil ich mit Ayrton gleichziehe. Ich fahre jedes Jahr mit dem Glauben, dass ich gewinnen kann, aber wie das Leben so spielt, hat man manchmal Glück und manchmal nicht."

"Vor ein paar Jahren hätte ich nicht gedacht, dass ich hier sitzen würde. Ich dachte schon, dass ich Weltmeisterschaften bei diesem Team gewinnen würde, darum bin ich hergekommen. Ich habe mir nicht einfach nur gedacht: 'Na, du versuchst es mal.' Ich habe größte Sorgfalt walten lassen und geglaubt, dass es die richtige Wahl sei. Als Kind wollte ich einfach Weltmeister sein, und es ist so verrückt, dass ich jetzt mit Ayrton auf einer Stufe stehe, was die Titel angeht. Das ist das Größte!"

Frage: "Du hast häufig darüber gesprochen, dass Ayrton dich inspiriert, auch in Sachen Fahrstil. Er sprach häufig davon, beim Fahren in einer Zone zu sein. In den vergangenen Jahren scheinst du beim Fahren und deinem Lebensstil auch in eine andere, geistlichere Zone gegangen zu sein. Spürst du das?"

Hamilton: "Definitiv. Ich denke, dass ich es immer in mir hatte, jetzt kann ich es aber ein bisschen besser ausdrücken. Dass ich die Freiheit habe, mich besser auszudrücken, wie und wer ich sein will, gibt mir die Möglichkeit, besser zu fahren als je zuvor. Es ist schwierig, die Kraft in dir zu beschreiben, weil alles vom Glauben kommt. Ich fühle mich sehr, sehr gesegnet, dass ich das tun kann, was ich tue, und es auch auf meine Art zu tun. Und dass ich heute hier sein kann, die Erfahrungen und Möglichkeiten in meinem Leben hatte, dass mein Dad hier ist, meine Mum, gute Freunde. Ja, ich fühle mich sehr, sehr, sehr gesegnet."

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