Honda-Motorsportchef: "Hatten es uns leichter vorgestellt..."
Yasuhisa Arai gesteht, dass Honda bei seiner Formel-1-Rückkehr nicht mit so gravierenden Problemen gerechnet hatte - Ziel bleibt 2015 trotzdem das Podium
(Motorsport-Total.com) - Honda erlebt 2015 keine einfache Rückkehr in die Formel 1. Die Japaner hatten in den ersten zehn Saisonrennen - und auch schon davor - mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Trotzdem ist Motorsportchef Yasuhisa Arai fest davon überzeugt, dass Honda sich auf dem richtigen Weg befindet. Im Interview erklärt er unter anderem, warum sich die Rückkehr bisher so schwierig gestaltet hat, wie man die Probleme beheben will und wie die Ziele für die zweite Saisonhälfte aussehen.
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Yasuhisa Arai blickt optimistisch auf die zweite Hälfte der Saison 2015 Zoom Download
Frage: "Wie würden sie die erste Hälfte der Saison 2015 zusammenfassen?"
Yasuhisa Arai: "Wir hatten einen wirklich schwierigen Start bei unserer Formel-1-Rückkehr. Wir hatten eine Menge Probleme, denen wir uns stellen mussten. Das betraf nicht nur die ersten paar Rennwochenenden, sondern auch die Tests vor der Saison. Glücklicherweise haben wir die meisten Probleme jetzt überwunden, und wir können uns darauf konzentrieren, Fortschritte zu machen. Wir blicken definitiv viel positiver auf die zweite Saisonhälfte."
Frage: "Wo genau lagen die Schwierigkeiten?"
Arai: "Wir glauben daran, dass das kompakte Layout unserer Antriebseinheit sehr konkurrenzfähig sein wird. Gleichzeitig wussten wir allerdings von Beginn an, dass es dadurch Probleme bei der Wärmeabgabe geben würde. Jetzt wissen wir, welcher Bereich davon betroffen ist. In der zweiten Saisonhälfte werden wir neue Teile bringen, um die Probleme zu beheben und mehr PS zu verwenden, damit wir konkurrenzfähiger werden."
Arai: "Die Erwartungen waren hoch, weil uns mit McLaren so eine glorreiche Vergangenheit verbindet. Die meisten Fans haben ein tolles Bild vom McLaren-Honda-Vermächtnis im Kopf. Also haben sie erwartet, dass wir in die Formel 1 zurückkehren und direkt konkurrenzfähig sein würden. Das war natürlich nicht der Fall. Der Sport hat sich seit den glorreichen McLaren-Honda-Tagen extrem verändert."
"Die heutige Technologie ist viel ausgeklügelter und es ist schwierig, ein gutes Rennauto zu bauen. Wir wussten, dass es nicht einfach sein würde, aber vielleicht haben wir nicht damit gerechnet, dass es so hart sein würde. Auf Seiten der Technologie konnte ich mir nicht vorstellen, was uns bevorstehen würde. Aber ich habe komplettes Vertrauen in die Richtung, die wir mit dem Antrieb eingeschlagen haben. Wir mussten etwas Radikales machen, um die Top-Teams zu schlagen, und das ist unser oberstes Ziel - die Besten schlagen."
Fotostrecke: Honda-Meilensteine in der Formel 1
Bereits 1964 befindet sich der erste Werks-Honda auf einer Formel-1-Rennstrecke. Pilotiert wird der Wagen zunächst vom US-Amerikaner Ronny Bucknum. Fotostrecke
Frage: "Welcher Bereich der Technologie war anders als erwartet?"
Arai: "Die aktuellen Regeln für das gesamte Antriebspaket sind sehr kompliziert. Ein kleines Teil kann bereits einen Dominoeffekt auslösen, der auch Auswirkungen auf andere Teile hat. Ein technisches Beispiel für diesen Dominoeffekt: Wenn du Energie mit der MGU-H sammeln willst, dann belastet das den Turbo. Wenn der Turbo unter Stress steht, dann kann er nicht mehr das machen, was er eigentlich machen soll, nämlich mehr Luft in den Motor bringen. Das führt dann zu einer geringeren Leistungsabgabe."
"Das ist das Ergebnis, wenn eine Komponenten gegen die anderen arbeitet und nicht mit ihnen zusammen. Von diesen technischen Kettenreaktionen, die dazu geführt haben, dass das Auto anhalten musste, gab es definitiv mehr, als wir einkalkuliert hatten. Die Schwierigkeit besteht darin, dass man das nicht präzise kalkulieren kann, wenn man das Auto nicht unter echten Bedingungen auf der Strecke testet."
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Frage: "Wie sehen die Erwartungen für die zweite Saisonhälfte aus?"
Arai: "Zunächst einmal war der Hungaroring aus technischer Sicht ein kleiner Wendepunkt für uns. Unsere Ingenieure haben hart gearbeitet, um durch an die Strecke und die Fahrstile der Piloten angepasstes Ernergiemapping und Energieeinsatz, die meiste Leistung aus der Hardware herauszuholen, die wir an der Strecke hatten. Der Hungaroring ist für den Antrieb eine anspruchsvolle Strecke, weil die Power in jeder Kurve konstant angepasst werden muss. Das ist nicht so einfach, wie es sich anhört."
"Jedenfalls ist es beruhigend, dass wir mit dem Wissen in die zweite Saisonhälfte gehen, dass wir Fortschritte machen. Ich bin optimistisch, dass wir unsere Zuverlässigkeitsprobleme hinter uns gelassen haben. Das bedeutet, dass wir uns jetzt darauf konzentrieren können, die Leistung zu erhöhen. Nach der Sommerpause sieht unser Plan so aus, dass wir einige unserer verbleibenden sieben Token nutzen wollen, um eine neue Spezifikation des Motors zu bringen."
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Frage: "In welchen Bereichen sollen die Token eingesetzt werden?"
Arai: "Der wichtigste Bereich ist für uns der Verbrennungsmotor. Die aktuellen Regeln erfordern höchste Effizienz des Motors, also wollen wir die Charakteristik samt Design der Kammer und dem Layout von Einlass- und Ablasssystem ändern. Ein weiterer Punkt wird es sein, die mechanische Reibung zu reduzieren. Bis zum Großen Preis von Belgien sollten all unsere Upgrades bereit sein. Einige Teile werden wir in Spa bereits einsetzten, der Rest folgt in den Wochen danach. Unser Plan ist es, und bis zum Ende der Saison Rennen für Rennen zu verbessern."
Arai: "Ich denke, dass Hondas Entwicklungsmethode ganz anders ist, als man es in der Formel 1 und bei McLaren gewohnt ist. Natürlich habe ich eine große Last auf meinen Schultern, besonders von den Fans, dem Honda-Vorstand und meinen Kollegen. Das ist aber ganz normal. Ich denke, dass ich in der Lage bin, dieses Projekt zu steuern. Allerdings kann ich nicht über meine eigene Zukunft entscheiden. Das können die Medien oder McLaren aber auch nicht. Ich hoffe, dass ich dieses Projekt weiterhin anführen darf. Ich glaube, dass unsere Vorstandsmitglieder mir nachdrücklich vertrauen."
Keine Probleme zwischen Honda und McLaren
Frage: "Stimmt es, dass die Beziehung zwischen McLaren und Honda angespannt ist?"
Arai: "Jeder Schritt dieses Projekts ist mit dem McLaren-Management abgesprochen. Wir diskutieren jeden Tag. Ich weiß, dass sie Druck von ihren Sponsoren bekommen, aber wir vertrauen und helfen uns gegenseitig, um gute und innovative Ideen zu entwickeln. Es hat uns stärker und kreativer gemacht, dass innerhalb des Teams zwei verschiedene Kulturen zusammenarbeiten. Es ist eine sehr gute Beziehung und ein sehr gutes Team."
"Ich vertraue jedem im Team und ohne jeden einzelnen von ihnen wir wären nicht McLaren-Honda. Ohne ihre Unterstützung und ihre harte Arbeit könnten wir nicht so hart kämpfen. Wir sind ein Team und das bedeutet, dass McLaren 100 Prozent gibt, und das tut Honda auch. Dass wir manchmal aneinandergeraten bedeutet nur, dass wir überall 100 Prozent geben. Beide Seiten dieser Partnerschaft sind extrem leidenschaftlich. Das ist positiv und nicht negativ."
Frage: "Ab wann wird der Fokus auf 2016 liegen?"
Arai: "Wir fokussieren uns natürlich bereits jetzt auf 2016, aber wir konzentrieren uns auch auf die zweite Saisonhälfte 2015. Wir schätzen 2015 so hoch ein wie 2016, weil die Regeln gleich bleiben werden. Das bedeutet, dass wir eine Idee für 2016 entwickeln können, und wenn sie funktioniert, dann können wir sie bereits 2015 implementieren."
Frage: "Möchten sie zum Abschluss noch etwas sagen?"
Arai: "Die Formel 1 ist der Gipfel des Motorsports, in dem es viele verschiedene Leute mit vielen verschiedenen Talenten gibt. Man braucht ein Team. Alles hängt vom Team ab, abgesehen von den Fähigkeiten des Fahrers. Es hängt nicht nur an einer Person oder einer Sache. Ich hoffe, dass ihre Arbeit in Zukunft mehr in den Fokus rückt. Es sollte nicht nur eine Person oder ein Kommentar im Mittelpunkt stehen. Natürlich wird in der Formel 1 über eine Menge Dinge gesprochen, aber die Teammitglieder geben alles und sie sollten Anerkennung für ihre harte Arbeit bekommen."