Gerhard Berger kritisiert Teams: Bitte mehr Bauchgefühl!
Ex-Formel-1-Pilot Gerhard Berger hat für die umfangreichen Simulationen der Teams nicht viel übrig: Taktikfehler von Mercedes in Monaco als mahnendes Beispiel
(Motorsport-Total.com) - Was in der Formel 1 passieren kann, wenn das Vertrauen in Simulationen und Computer über Bauchgefühl und Menschenverstand siegt, wurde beim vergangenen Grand Prix in Monaco deutlich. Die umfangreichen Berechnungen von Mercedes leiteten ein Team in die Irre und Lewis Hamilton letztlich fast in den Wahnsinn. Der amtierende Weltmeister verlor einen sicheren Sieg, weil während einer Safety-Car-Phase Verwirrung und schlechte Kommunikation herrschte - so sieht es Ex-Formel-1-Pilot Gerhard Berger im Interview.
Frage: "Gerhard, Lewis Hamilton war nach dem Taktikfehler von Monaco ziemlich angefressen. Wie hast du es gesehen?"
Gerhard Berger: "Der Sieg hat ihm ja praktisch schon gehört. Er hatte die Pole-Position und hat dann das Rennen dominiert. Zum Schluss nur Dritter zu werden ist enttäuschend. Er war angefressen. Die Frage ist nur: Wegen sich selbst, oder wegen der anderen? Ich glaube, die Wahrheit liegt in der Mitte. Er hat mit seinen Ansagen und Kommentaren vielleicht sogar den Auslöser gedrückt. Das Team hat dann nicht richtig reagiert."
"Solche Themen gibt es im Motorsport immer wieder, so etwas gehört dazu. Wenn man aber in Monaco um die Führung kämpft, dann ist so etwas besonders schmerzvoll. Die ganze Welt schaut drauf und diskutiert darüber, das Ganze wird zum Elefanten. Das Team hat gewonnen und insgesamt gut abgeschnitten. Lewis hat trotz Platz drei die Führung in der Weltmeisterschaft. Da ist nicht viel passiert - abhaken und auf etwas Neues konzentrieren."
Frage: "Wie schwierig ist die Entscheidung, sich auf die Computer oder den Menschenverstand und das Bauchgefühl entscheiden zu lassen?"
Berger: "Wenn ich mich richtig erinnere, dann war es dort ganz knapp. Das kannst du im Computer gar nicht richtig voraussehen. Man weiß ja gar nicht, wie schnell seine Runde zur Box ist. Da stimmt die Rechnung schnell mal nicht. Da braucht es einen Puffer."
"Man muss sich eines mal vorstellen: So etwas muss man berechnen, entscheiden und diskutieren innerhalb von ein paar Sekunden. Das geht einfach nicht, und deshalb passieren auch diese Fehler. Gott sei Dank passieren sie - ist doch Motorsport. Das ist doch genau das, was unerwartet hinzu kommt und was Positionen vielleicht mal komplett dreht. Die Fans wollen so etwas sehen. Das steckt Menschlichkeit drinnen und alles, was man braucht. Ich kann verstehen, dass Niki, Toto und Lewis ein langes Gesicht ziehen, aber es war jetzt nichts so Besonderes."
Frage: "Inwiefern ist es Fluch und Segen, dass die großen Teams nun das ganze Rennen in der Firma virtuell gleichzeitig mitfährt und diese Daten dann auch noch einfließen?"
Berger: "Meiner Meinung nach alles falsch! Zu meiner Zeit hat es das nicht gegeben, weil es die Telemetrie in dieser Form gar nicht gab. Wir haben auch die Geräte nicht gehabt. Wir damals auch am Sonntag in der Fabrik niemanden sitzen gehabt. Das hat sich alle mit der Zeit entwickelt."
"Das klingt ja auch alles wunderschön. Es ist High-Tech und Fortschritt, es gehört zu dieser Zeit. Hat es aber den Sport besser gemacht? Nein! Der Sport lebt von Bauchentscheidungen, von Menschen und von der Racing-Erfahrung. Dies wird alles in den Hintergrund gerückt. Es wird in diese Richtung getrieben bei allen, die sich eine solche Ausstattung leisten können. Diese Glieder der Kette haben dafür gesorgt, dass unser Sport einschätzbarer geworden ist. Es ist alles viel genauer und es gibt wenige Überraschungen. Das führt dazu, dass die Fans manchmal die Rennen fad finden."