Nico Hülkenberg: Mit der Formel 1 noch nicht abgeschlossen
Nico Hülkenberg denkt weiterhin an eine große Karriere in der Formel 1, will aber nicht ewig im Mittelfeld fahren - WEC vorerst eine Alternative
(Motorsport-Total.com) - Mehrfach wurde Nico Hülkenberg in der Formel 1 als Kandidat für ein Cockpit bei einem Spitzenteam gehandelt, doch aktuell fährt der Deutsche im Force India nur im Mittelfeld der Serie. Das sorgt bei Hülkenberg für Frust, wie er im Interview mit 'Motorsport-Total.com' erklärt. Doch die Hoffnung auf eine große Karriere in der Formel 1 ist bei ihm noch lange nicht gestorben.
Einen konkreten Zeitplan verfolgt Hülkenberg dabei aber nicht. Daher sei auch sein Engagement für Porsche in der Langstrecken-Weltmeisterschaft noch nicht als Vorbereitung einer Flucht aus der Formel 1 zu sehen. Die neue Herausforderung macht Hülkenberg aber viel Spaß und öffnet ihm den Blick in einer andere, weniger hektische Welt des Motorsports.
Frage: "Nico, wenn ich an die Teampräsentation von Force India im Januar in Mexiko City denke, dann hieß es dort: Force India will um das Podium fahren. Davon seid ihr ein ganzes Stück weit entfernt. Wie klar war dir zu diesem Zeitpunkt, Ende Januar, dass das Auto wahrscheinlich nicht so konkurrenzfähig sein wird wie im vergangenen Jahr?"
Nico Hülkenberg: "Relativ klar. Natürlich sind das immer Wünsche oder vielleicht auch Träume, wenn man bei so einem Event ist, aber ich bin ehrlich gesagt nicht davon ausgegangen, dass wir um das Podium kämpfen können. Ich wusste damals schon, dass sich das Auto verzögert und die nächsten Wochen nicht so einfach werden."
"Hatte nie die Sorge, dass das Team hopsgeht"
Frage: "In wiefern war das im Winter für dich eine Hängepartie? Wusstest du immer darüber bescheid, wie weit das neue Auto ist oder hat sich das immer verschoben?"
Hülkenberg: "Ich wusste schon darüber Bescheid, weil ich mich immer wieder beim Team informiert habe. Ich wusste, wie der Stand ist. Ich hatte auch nie die Sorge, dass das Team hopsgeht und wusste, dass wir es nach Melbourne schaffen. Es war einfach nur die Frage: Wann schaffen wir es und wie viele Testtage bekommen wir noch?"
Frage: "Jetzt geht das Warten auf die B-Version das Autos weiter. Wie groß wird der Knall da sein? Und wird es überhaupt ein Knall, oder nur ein 'Knällchen'?"
Hülkenberg: "Das wird sich dann herausstellen. Die Ingenieure sind sehr zuversichtlich und sind sich sicher, dass es deutlich nach vorne gehen wird. Aber ich würde die Erwartung nicht zu hoch schrauben, sondern einfach hoffen, dass es so eintreten wird. Im vergangenen Jahr haben wir Upgrades gebracht, die xyz bringen sollten, aber das ist nicht passiert. Von daher bin ich da immer Realist und warte, bis wir sie am Auto haben und ich am eigenen Leib fühlen kann, was da wirklich passiert."
Frage: "Wie stellt sich deine persönliche Situation dar? Bist du ungeduldig oder unzufrieden?"
Hülkenberg: "Natürlich bin ich unzufrieden, so wie das ganze Team. Keiner ist glücklich, da wo wir fahren im Moment, denn die Erwartung war eine ganz andere. Aber Aufgeben ist keine Option. Wir müssen daran arbeiten, und in diesem Prozess sind wir gerade voll dabei, das zu ändern."
Frage: "Du bist seit 2010 in der Formel 1 und giltst im Fahrerlager als sehr talentierter Fahrer. Ich will Force India nicht zu nahe treten, aber man hat manchmal den Eindruck: Der Nico Hülkenberg braucht mal ein besseres Team, um auch zeigen zu können, dass er vorne mitfahren kann. Das Talent wird nicht richtig gefördert. Siehst du das auch so?"
Hülkenberg: "Ja, natürlich. Absolut."
Frage: "Gab es da schon Anfragen?"
Hülkenberg: "Ja, das ist ja auch bekannt. Natürlich gabs da schon mal Kontakte und Möglichkeiten, aber es ist nichts passiert. Und dann zählt alles andere nicht. Aber natürlich würde ich gerne in einem Auto sitzen, dass konkurrenzfähiger ist und mit dem ich um das Podium kämpfen kann oder auch um Siege. Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass das bisher noch nicht geklappt hat."
Frage: "Gibt es einen Zeitplan, den du dir setzt? Sagst du dir beispielsweise: 'In drei Jahren möchte ich in einem konstant siegfähigen Auto sein'?"
Hülkenberg: "Nein, denn das habe ich in der Formel 1 gelernt: So einen Zeitplan kann man haben, aber da sehr viele Dinge und Entscheidungen nicht in deiner eigenen Macht oder Hand liegen, ist es oftmals sehr schwierig, so einen Zeitplan einzuhalten."
Kein Zeitfenster für Wechsel zu Spitzenteam
Frage: "Wir lange würdest du dir Zeit geben? Sagst du dir, mit 30 oder 32 muss es soweit sein? Wie lange kann man die Chance auf ein Topteam hinausschieben?"
Hülkenberg: "Ich glaube nicht, dass es da irgendwo eine harte Linie gibt oder eine Faustregel. Irgendwann wird sich bei mir wahrscheinlich ein Gefühl einstellen: Jetzt habe ich es so lange probiert, es hat nicht funktioniert, jetzt habe ich genug. Dieses Gefühl habe ich noch nicht. Von daher kann ich das nicht konkret beantworten."
Frage: "Aber irgendwann käme schon der Punkt, an dem du sagst: Weiter im hinteren Mittelfeld mitfahren, will ich nicht."
Hülkenberg: "Sicher nicht ewig, ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das machen würde."
Frage: "Ist es eine Hilfe für dich, in der WEC im Porsche zu sitzen und zumindest da ein siegfähiges Auto zu haben?"
Hülkenberg: "Ich weiß nicht, ob es eine Hilfe ist. Es ist auf jeden Fall eine coole Sache, die mir bisher sehr viel Spaß bereitet. Ein Auto zu haben, von dem man weiß, dass man vorne mitfahren und um die Wurst kämpfen kann, ist mal wieder ein schönes Gefühl. Das hatte ich bis zu meiner Zeit in der Formel 1 eigentlich immer, da war ich immer vorne dabei und habe um die Meisterschaft gekämpft. Jetzt wieder so ein Gefühl zu haben, ist schön, motiviert einen und macht einen heiß aufs Rennfahren."
Frage: "Ist dein Engagement bei Porsche auch schon zukunftsweisend? Willst du ausloten, welche anderen Möglichkeiten es gibt, falls es mit der Formel 1 irgendwann mal vorbei sein sollte?"
Hülkenberg: "Ausloten, so kann man das sagen. Es soll nicht der Eindruck entstehen, ich wäre mit dem Kopf schon weg und hätte mit der Formel 1 abgeschlossen. Ich hoffe nach wie vor auf eine Karriere hier und arbeite daran, irgendwann um die Weltmeisterschaft mitzukämpfen. Aber wenn nicht, dann ist die WEC sicherlich eine Alternative."
"Es ist aber nicht so, dass ich aktiv darauf hinarbeite, ist aber eine zusätzliche Erfahrung, die ich jetzt mache. Die Chance, mit einem Porsche in Le Mans zu fahren, wird einem nicht jeden Tag geboten. Als mir diese Möglichkeit geboten wurde, wollte ich sie nutzen - ohne jeglichen Hintergedanken, mich anders zu orientieren. Für mich ist das eine große Sache und eine riesige Herausforderung."
Frage: "Wie unterscheiden sich das Formel-1- und das WEC-Auto? Gibt es große Unterschiede?"
Hülkenberg: "Sie sind schon unterschiedlich. Es ist ein komplett anderes Auto, was man natürlich merkt. Die zwei Hauptunterschiede sind, dass der WEC ein Allradauto ist und Traktionskontrolle hat. Das ist hier anders."
Frage: "Sind die WEC-Autos von der Entwicklung und dem Niveau nahe an der Formel 1 dran?"
Hülkenberg: "Ja. Auch von den Werten und der Performance, sind sie sehr nahe dran an der Formel 1. Das ist Formel-1-Niveau. Die Autos sind ein bisschen langsamer, aber auch, weil sie deutlich schwerer sind. Wäre dieser Gewichtsnachteil nicht, wären sie wahrscheinlich gleich schnell. Von den Regularien her dürfen sie auf eine Runde gesehen sogar weniger Sprit benutzen als wir, was auch Leistung kostet."
Frage: "Wir würdest du die Stimmung in der Serie beschrieben? Das Formel-1-Fahrerlager ist doch immer sehr von Hektik und Stress geprägt, und jeder ist irgendwie nervös. Ist das in der WEC anders?"
Hülkenberg: "Ja, schon. Es ist eine andere Atmosphäre, ein bisschen entspannter. Als ich da am Mittwoch, der hier dem Donnerstag entspricht, ankam, da war nix los. Normal bin ich gewohnt, dass man beim Eintritt ins Fahrerlager gleich zehn Kameras vor der Nase hat und die ersten Journalisten auch nicht weit weg sind. Aber da war wirklich komplett Ruhe, als ob überhaupt kein Rennen stattfinden würde. Man merkt schon, dass da weniger Aufmerksamkeit ist als in der Formel 1."
Stimmung in der WEC ist deutlich entspannter
Frage: "Genießt man das dann auch?"
Hülkenberg: "Ja, das war ein schöner Kontrast. Am Renntag war es dann schon deutlich voller, da war viel Presse da und auch Fans. Das Fahrerlager ist da im Vergleich zur Formel 1 offen, da kann jeder hinkommen, und da muss man richtig Autogramme geben."
Frage: "Wirst du da als Formel-1-Pilot besonders behandelt?"
Hülkenberg: "Man merkt schon, dass man etwas gefragter ist. Viele Fans haben irgendwelche Fotos aus der Formel 1, die sie signiert haben möchten."
Frage: "Wirst du von deinen Fahrerkollegen in der Formel 1 auch auf die WEC angesprochen?"
Hülkenberg: "Es ist nicht so, dass ich mit allen hier per SMS oder so in Kontakt stehe. Aber Checo (Teamkollege Sergio Perez; Anm. d. Red.) fragt natürlich, oder Adrian (Sutil; Anm. d. Red.), mit dem ich mich manchmal treffe."
Frage: "Und du rührst dann die Werbetrommel für die WEC?"
Hülkenberg: "Ich sage ihnen einfach, wie es ist."
Frage: "Wie beurteilst du das Duell an der Spitze zwischen den beiden Mercedes? Jetzt kommt Ferrari ja ran und kann eine Gefahr für sie werden. Ist das gut für die Show, dass eine zweite Marke dabei ist?"
Hülkenberg: "Ja, gar keine Frage."
Frage: "Glaubst du, dass Ferrari auf Dauer ein ernsthafter Gegner werden kann?"
Hülkenberg: "Bei den Fortschritten, die sie momentan machen, kann es schon darauf hinauslaufen, dass es schon dieses Jahr einen Zweikampf gibt. Was für den Sport auf jeden Fall positiv wäre."
Frage: "Was sagst du dazu, dass Nico Rosberg jetzt schon im zweiten Jahr in Folge gegen Lewis Hamilton schlecht aussieht?"
Hülkenberg: "Das ist nicht meine Baustelle, darüber mache ich mir wenig Gedanken. Ich habe meine eigenen Probleme, und was da vorne passiert, ist bei mir nicht so auf dem Radar."
Frage: "Wie sind deine Erwartungen an dieses Wochenende?"
Hülkenberg: "Schwierig. Der Kurs, die harten Reifen von Pirelli, die wir hier haben. Es wird kein einfaches Wochenende für uns."