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Coulthard: Nico Rosberg hätte locker Weltmeister sein können
David Coulthard analysiert die Neuauflage des Duells der Silberpfeilpiloten und verrät, wen er sonst in der Formel-1-Saison 2015 auf der Rechnung hat
(Motorsport-Total.com) - Wenn am Sonntag in Melbourne mit dem Grand Prix von Australien die Formel-1-Saison 2015 beginnt, werden die Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg erneut die beiden Fahrer sein, die es zu schlagen gilt. Davon ist David Coulthard überzeugt. Im Interview mit 'laureus.com' verrät der ehemalige Formel-1-Fahrer aber auch, welche Fahrer man sonst noch in dieser Saison im Auge haben sollte. Außerdem blickt Coulthard noch einmal zurück auf das WM-Duell des Vorjahres und erklärt, warum Rosberg letztendlich gegen Hamilton verloren hat und was diesen so stark macht.
Frage: "David, die Formel-1-Saison 2014 war dramatisch. Hat der richtige Fahrer gewonnen?"
David Coulthard: "Ich glaube schon, dass der richtige die meisten Grands Prix und die Weltmeisterschaft gewonnen hat. Das soll allerdings die Leistung von Nico Rosberg nicht schmälern, der ein fantastischer Rennfahrer und großartiger Botschafter für die Formel 1 ist. Letztendlich war aber Lewis Hamilton in einem Kampf, der über gesamte Saison ging, der Stärkere."
"Nico wird 2015 stärker sein, während man sich bei Lewis, der schon zwei Mal Weltmeister war, kaum vorstellen kann, wie er noch besser werden soll. Nico hat zum ersten Mal um die Weltmeisterschaft gekämpft. An dieser Erfahrung wird er wachsen, und das wird Lewis in diesem Jahr spüren."
Frage: "Ist es schwierig, wenn zwei so gute Fahrer im selben Team fahren?"
Coulthard: "Es ist für das Team sehr schwer zu handhaben, denn die die Hoffnungen und Träume des Einzelnen stehen denen des Teamkollegen und damit des Teams entgegen. Ich ziehe meinen Hut vor Toto Wolff, Niki Lauda und dem Mercedes-Benz-Vorstand, die stark genug waren, um diese beiden Racer gegeneinander fahren zu lassen. Das war nicht immer einfach, manchmal wurden sie von den Medien kritisiert, weil sie das Duell Rad an Rad zugelassen haben."
"Aus offensichtlich nationalen Beweggründen war die deutsche Presse für Nico und die britische für Lewis, aber Mercedes hat die Regeln klargemacht: Versucht, euch gegenseitig nicht ins Auto zu fahren. Wir sagen nicht, fahrt euch nicht ins Auto, denn Unfälle können von Zeit zu Zeit passieren, aber ihr habt beide die gleichen Chancen. So, wie sie das gehandhabt haben, war es dem Sport und den Fans gegenüber korrekt. Egal ob Ferrari- oder Mercedes-Fan, davon werden alle profitieren.
Hamilton ist als Persönlichkeit gereift
Frage: "Erwartest du, dass Lewis in diesem Jahr ein heißer Anwärter auf den Laures-Award als Sportler des Jahres ist?"
Coulthard: "Das muss er sein. Ich glaube wirklich, dass er als Person gewachsen ist. Er ist nun 30 Jahre alt und reifer. Er ist vielleicht nicht schneller als bei seinem Formel-1-Einstieg, ist aber insgesamt ein besserer Mensch, und darauf kommt es im Leben an. Wenn du mit 21 schon alles erreicht hättest, wäre das ein wenig enttäuschend. Das Leben sollte eine Reise voller Erfahrungen sein."
"Mit 30 oder 40 Jahren reagiert man anders als mit 24, einfach weil man mehr Lebenserfahrung hat. Ich glaube, dass Lewis die Unterstützung, die ihm zu Teil wird, wirklich zu schätzen weiß. Er fährt für seine Fans, sie geben ihm Energie. Das ist faszinierend, denn irgendwo da draußen ist ein Junge, der davon inspiriert wird, dass er jemanden wie Lewis unterstützen kann, egal ob er eines Tages die Möglichkeit hat, Rennfahrer zu werden oder nicht."
Frage: "Glaubst du, dass Lewis noch viele weitere WM-Titel gewinnen wird?
Coulthard: "Ja. Er geht als Favorit in die Saison, denn er sitzt in einem siegfähigen Paket. Er ist psychologisch im Vorteil und hat eine Menge Erfahrung."
Frage: "Und glaubst du, dass Nico eines Tages auch eine Weltmeisterschaft gewinnt?"
Coulthard: "Er hätte sie schon im vergangenen Jahr locker gewinnen können, aber selbst dann hätte man Lewis wahrscheinlich als den besseren Racer angesehen. Nur in diesem Bereich hat Nico noch Defizite. Es geht nicht darum, wer schneller ist, denn beide sind unglaublich schnell, aber Lewis war in diesem Bereich regelmäßig etwas stärker. Das mag man als Kritik auffassen, aber das ist meine Beobachtung. Wenn Nico sich dort noch steigern kann, hat er alles, was man braucht, um Weltmeister zu werden."
Frage: "Wie würdest du Fahrstile der beiden beschreiben?
Coulthard: "Lewis ist am Lenkrad aggressiver. Er ist mehr ein Draufgänger, wodurch er schneller ans Limit kommt. Deshalb dreht er sich in Freien Trainings oder im Qualifying öfter. Nico kommt auf ein sehr hohes Niveau und kann das halten, aber ob er in sich gehen und die nächste Stufe erreichen kann, muss man sehen."
Coulthard hatte Rosbergs faire Gesten erwartet
Frage: "Er hat sich Lewis gegenüber am Saisonende sehr fair verhalten. Hat dich das gefreut?"
Coulthard: "Das war gut zu sehen, aber von einem intelligenten Sportler hätte ich auch nichts anderes erwartet. Sportler müssen die Regeln verstehen. Es gibt in jedem Sport Regeln, und wenn du die brichst, bist du kein Sportler mehr. Ein wichtiger Bestandteil des Sports ist der Respekt vor deinen Gegnern. Respektlosigkeiten gehen gar nicht."
"Selbst bei einer brutalen und körperlichen Sportart wie Boxen habe ich auch im Eifer des Gefechts noch nie erlebt, dass sich Sieger und Verlierer nicht abklatschen, denn beide wissen, wie anstrengend der Weg dahin war und wir stark ihr Gegner ist, denn sie standen sich Kopf an Kopf gegenüber. In anderen Sportarten hat man diesen Körperkontakt zwar nicht, aber auch dort sollte für jeden Sportler gelten: Egal ob Sieg oder Niederlage, reiche deinem Gegner die Hand."
Frage: "Nico ist wie du Laureus-Botschafter und engagiert sich für soziale Projekte. Zollst du ihm dafür Anerkennung?"
Coulthard: "Auf jeden Fall. Ich denke es ist sehr wichtig, dass man als Sportler zu schätzen weiß, wie viel Glück man hat. Das verlieren manche im Laufe ihrer Karriere aus dem Blick, aber Nico ist intelligent und reif genug und unterstützt Laureus von ganzem Herzen. Laureus hat schon so viel Gutes getan, und mit Unterstützung der zukünftigen Stars werden wir weitermachen."
Frage: "Warum war Mercedes im vergangenen Jahr so dominant?"
Coulthard: "Sie haben sich in die neue Technik reingekniet, haben früh viel investiert und sind den anderen mit einigen cleveren Entwürfen zuvorgekommen. So machen es Spitzenunternehmen wie Mercedes, aber natürlich gibt es auch viele andere Hersteller mit den gleichen Stärken und Möglichkeiten."
"Mercedes hat die Möglichkeiten der neuen Hybrid-Technik erkannt, und der Schlüssel zu ihrem Erfolg ist das Herz des Autos, der Antriebsstrang. Aber auch bei der Mechanik und Aerodynamik des Autos hat das Team einen guten Job gemacht, denn auch andere hatten den Mercedes-Antrieb, aber bei der Installation wurden sie alle übertroffen. Sie haben sich großartige Fahrer gesichert und der Rest ist wie gesagt Geschichte.
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Frage: "Bist du froh darüber, dass ein Team wie Mercedes die Formel 1 dominiert?"
Coulthard: "Natürlich würde man die Erfolge am liebsten unter allen Teams und diesen großartigen Fahrern aufteilen. Für mich ist die Formel 1 aber ein Spiegelbild des menschlichen Alltags. Das Leben ist nicht immer fair, nicht jeder bekommt, was er verdient. Nicht jedes Team hat die gleichen finanziellen oder technischen Möglichkeiten, die gleiche Anzahl von Mitarbeitern und so weiter."
"Es geht darum, gut zu wirtschaften. Mercedes hat ein nachhaltiges Geschäftsmodell, von dem die Formel 1 ein Teil ist. Die anderen Teams müssen es genau so machen. Eine Zeit lang ist das Red Bull gelungen, aber sie hatten, wie jeder sehen konnte, ihrer Probleme mit dem Renault-Antrieb. Sie werden aber genau wie Ferrari zurückschlagen, aber natürlich ist Mercedes weiterhin da."
Honda ist ein großes Fragezeichen
Frage: "Wird der Mercedes auch 2015 das beste Auto sein?"
Coulthard: "Ich werde nicht so kühn sein und vorhersagen, dass jemand dominieren wird, aber sie haben Rückenwind und werden auf jeden Fall als Favoriten in die Saison starten."
Frage: "Hat dich Alonsos Wechsel zu McLaren und der von Vettel zu Ferrari überrascht?"
Coulthard: "Es war der perfekte Zeitpunkt für diese Wechsel. Beide hatten Verträge für 2015, Alonso in dem Fall bei Ferrari und Vettel bei Red Bull, aber gewisse Klauseln in den Verträgen gaben ihnen die Möglichkeit zum Wechsel. Alonso wollte von Ferrari weg, wodurch dort für Vettel ein Platz frei wurde. Ich glaube, keiner von ihnen hätte gedacht, dass das vor dem Japan-Grand-Prix über die Bühne gehen würde, aber nach Suzuka war klar, dass sie neue Arbeitgeber gefunden hatten."
Frage: "Mit welchen anderen Teams rechnest du in der Saison 2015?"
Coulthard: "Das wird davon abhängen, wie Renault und Ferrari ihre Antriebe weiterentwickelt haben. Honda ist bei der Rückkehr zu McLaren ein großes Fragezeichen. Sie hatten ein Jahr Zeit zum Entwickeln, und niemand weiß, wie stark sie sind. Jedes Team, das schon einmal Weltmeister war, weiß wie schwer es ist zu gewinnen. Wenn es einem aber einmal gelungen ist, weiß man, wie es geht. Vielleicht kennt man nicht die genauen Zutaten des Erfolgsrezepts, aber man weiß, welche Arbeitseinstellung, welche Technik und wie viel Geld man braucht."
Frage: "Daniel Ricciardo hat in seiner ersten Saison bei Red Bull drei Grands Prix gewonnen. Ist er für dich ein Mann der Zukunft?"
Coulthard: "Daniel bringt frischen Wind in die Formel 1. Er ist nicht nur ein guter Fahrer, der sein Fitness-Training unheimlich ernst nimmt, sondern auch eine einnehmende, energiegeladen und enthusiastische Persönlichkeit, die helfen wird, mehr Fans für die Formel 1 zu gewinnen. Und das ist gut für das Geschäft."
Lieber Rockkonzert als Akkustik-Set
Frage: "Gibt es neue Fahrer, die man im Auge behalten sollte?"
Coulthard: "Es gibt einige neue Fahrer in der Formel 1: Bei Max Verstappen im Toro Rosso werden sicherlich alle darauf schauen, wie sich ein 17-Jähriger im Rennsport schlägt. Ich persönlich glaube: Wenn man talentiert genug ist, hat man es verdient dort zu fahren, das ist keine Frage von zu jung oder zu alt. Was einem mit 17 natürlich noch fehlt ist Lebenserfahrung. In der Formel 1 geht es ja nicht nur darum, ein Auto zu fahren, sondern es gibt auch sonst viel zu tun. Er wird also im Blickfeld der Öffentlichkeit aufwachsen, was Druck erzeugt."
"Dann gibt es Carlos Sainz, der als Sohn eines früheren Rallye-Weltmeisters im Fokus der Medien stehen wird. Das sind junge Kerle, aber so ist es im Sport: Die nächste Generation steht bereit."
Frage: "Es gab viele Diskussionen über den Lärm, den die Formel 1 macht - oder vielmehr nicht mehr macht. Wie stehst du dazu?"
Coulthard: "Wenn ich zu einem Rockkonzert gehe, erwarte ich nicht, dass ich mich dort unterhalten kann. Da will ich laute Musik hören. Leistung gehört zur Formel 1 dazu, und die nimmt man wie bei schnellen Autos oder Flugzeugen durch den Lärm war. Sie ist auch ein Testfeld für neue Technologien, und ich kann verstehen, dass die Hersteller das, mit dem sie auf der Rennstrecke gewinnen, auch für die Straße verkaufen wollen."
"Ich glaube aber, dass die Fans kein Akustik-Set, sondern einen Rocksong erwarten. Diese Reaktion hat die Formel 1 offensichtlich überrascht. Aber wie bei allem im Leben gewöhnt man sich an das, was man hat. Trotzdem werde ich meine Kopfhöher beim Musik hören so schnell nicht herunterdrehen, nur weil es dann ein besseres Erlebnis sein soll."