Pascal Wehrlein: "Habe den ganzen Tag PlayStation gespielt"
Zweiter Teil des Interviews mit Pascal Wehrlein: Warum er auf dem Weg in die DTM keine finanziellen Sorgen hatte und wie er sich seine Testfahrer-Saison 2015 vorstellt
(Motorsport-Total.com) - Aus der DTM in die Formel 1: So sieht der Karriereplan von Mercedes-Fahrer Pascal Wehrlein aus. 2015 soll er als Testfahrer im Silberpfeil (und bei Mercedes-Kundenteams?) wertvolle Erfahrungen sammeln, 2016 im Idealfall schon Rennen fahren. Zuvor muss er sich aber in seiner dritten DTM-Saison bewähren und nach dem ersten Sieg auf dem Lausitzring 2014 den nächsten Schritt machen.
© Roland Pelzl / cityfoto
Pascal Wehrlein gilt als eine der größten deutschen Nachwuchshoffungen Zoom Download
Bei unserem Treffen am Rande eines Sponsorenevents am 9. Januar in Linz wirkt Wehrlein entspannt, zuversichtlich, er lächelt viel - kein Vergleich mit dem wortkargen jungen Mann, der Anfang 2013 als Ralf-Schumacher-Nachfolger in der DTM ins kalte Wasser geworfen wurde. "Ich bin reifer geworden", sagt Wehrlein, inzwischen 20 Jahre alt, über sich selbst. Denn die DTM ist außerhalb der Formel 1 mit die professionellste Rennserie, die es in Europa gibt.
Spätestens seit seiner Bestzeit beim Saisonabschluss-Test 2014 in Abu Dhabi gilt er als heißestes deutsches Nachwuchstalent außerhalb der Formel 1. Aber wer ist Pascal Wehrlein eigentlich? Im zweiten Teil unseres Interviews (Hier geht's zum ersten Teil!) stellt sich der Sigmaringer selbst vor und spricht über seine Kindheit, während der schon abzusehen war, dass er sein Geld eines Tages mit Rennfahren verdienen könnte...
Seit dem DTM-Einstieg erwachsener geworden
Frage: "Stellen wir einmal die Person Pascal Wehrlein den Formel-1-Fans vor. Wie würdest du dich selbst beschreiben? Nicht als Rennfahrer, sondern als Mensch."
Pascal Wehrlein: "Wie würdest du mich beschreiben? Ich sage dann ja oder nein..."
Frage: "Ich würde sagen, du bist in den vergangenen zwei Jahren erwachsener geworden."
Wehrlein: "Ja, auf jeden Fall. Aber ich denke, das ist normal. Ich bin mit 18 Jahren in die DTM gekommen, was sehr jung ist. Daher habe ich in den vergangenen zwei Jahren sehr viel gelernt und bin reifer geworden."
Frage: "Zwischenfrage: In der Formel 1 heißt es immer, dass es an echten Typen mangelt. Kann man denn überhaupt mit 16, 17 oder 18 Jahren eine ausgeprägte Persönlichkeit haben? Geht das denn überhaupt, wenn man seine Zeit nur auf der Rennstrecke verbringt und noch nicht viel anderes vom Leben gesehen hat?"
Wehrlein: "Kann man auf jeden Fall. Ich war sehr jung, als ich in ein großes Team kam. Davor hatte ich einen Ingenieur und drei, vier Mechaniker - und plötzlich arbeiten 200 Leute für einen."
"Da muss man mit so vielen Leuten über das Auto sprechen - und was man verbessern kann. Jeder hat seine Aufgabe. Alles wird größer und komplexer. Bei mir war es zusätzlich noch das DTM-Auto, das anders war. Daran musste ich mich auf jeden Fall erst gewöhnen. Daher denke ich, dass ich mit einem Jahr Erfahrung - also im Vorjahr - einen großen Schritt nach vorne gemacht habe."
Frage: "Du hast durch Mercedes stets eine extrem professionelle Betreuung genossen. Wünscht man sich da manchmal ein 'normales' Leben, manchmal am Abend ausgehen und einen trinken gehen zu können, anstatt am nächsten Morgen wieder zu trainieren? Oder steht der Motorsport so sehr im Vordergrund, dass es solche Gedanken gar nicht gibt?"
Wehrlein: "Nein, überhaupt nicht. Ich bin sehr glücklich mit meinem Leben, weil ich immer den Traum hatte, Formel 1 zu fahren."
Ehrgeizige Jugend für Wehrlein kein Opfer
"Ich habe als Kind den ganzen Tag lang auf der PlayStation Formel 1 gespielt, habe jedes Rennen gesehen. Ich bin eben so sehr in der Sache drin, dass ich dort fahren und erfolgreich sein will, und vielleicht auch Nachteile, die ich habe, weil ich gewisse Sachen nicht machen kann, nicht sehe, weil es für mich keine Nachteile sind. Das gehört einfach dazu, und mein Job macht mir Spaß. Ich sehe ihn nicht mal als Job, sondern als meinen Traum, mein Ziel, mein Hobby, meine Leidenschaft."
Frage: "Hat es zu Hause nie Stress mit den Eltern gegeben, weil du den ganzen Tag vor der PlayStation gesessen bist?"
Wehrlein: "Ja, gab es auf jeden Fall - vor allem, wenn ich den Sound zu laut gemacht habe und das dann den ganzen Tag lief (lacht; Anm. d. Red.)! Ich kann mir schon vorstellen, dass das irgendwann nervig war, den ganzen Tag PlayStation zu hören..."
Frage: "Und dann natürlich so richtig mit Lenkrad, klar..."
Wehrlein: "Ja, mit Lenkrad."
Frage: "Wie bist du denn aufgewachsen? Wie war deine Kindheit?"
Wehrlein: "Ich hatte eine sehr schöne Kindheit. Soweit ich mich erinnern kann, hat sich immer alles um Motorsport gedreht."
Frage: "Vom Elternaus her auch schon?"
Wehrlein: "Nein, das kam mit der Zeit. Ich habe früher mit meinem Vater Formel 1 geschaut und habe mich so sehr dafür interessiert, dass wir dann mit dem Kartsport anfingen. Meine Eltern haben aber nie selbst Motorsport betrieben."
Frage: "War der Kartsport irgendwann - wie in vielen Motorsport-Familien - ein finanzielles Problem?"
Wehrlein: "Ich sage es mal so: Es war nicht einfach, vor allem der Sprung in die Formelserien, weil dann die Budgets schon enorm ansteigen. Ich habe aber in meiner Karriere extrem viel Glück gehabt, hatte immer Sponsoren und Partner, die es mir dann ermöglicht haben. Sonst wäre ich nicht da, wo ich heute bin."
Wie Sebastian Vettel: Mit Wohnmobil an die Kartbahn
"Wir waren früher jedes Wochenende an der Kartbahn, jedes Wochenende mit dem Wohnmobil unterwegs. Das war eine sehr schöne Zeit. Da kann ich wirklich sagen, dass ich eine schöne Kindheit hatte, immer das machen konnte, was ich wollte - und das war Motorsport. Ich bin jedes Wochenende Freitagmittag mit meinen Eltern und dem Kart-Anhänger hintendran losgereist und dann das ganze Wochenende lang Kart gefahren. Das war eine tolle Zeit."
"Und Kartsport: Klar, da ist man sehr ehrgeizig und will immer gewinnen, aber es ist noch nicht wie in der DTM und der Formel 1, wo der Konkurrenzkampf so groß ist. Stattdessen sitzt man am Abend mit anderen Fahrern und Eltern beisammen und grillt. Das ist wirklich eine andere Welt."
Frage: "Hast du Freunde unter den Fahrerkollegen? Dein Verhältnis zum Beispiel zu Daniel Juncadella, das nicht immer hervorragend war, soll jetzt besser sein. Stimmt das?"
Wehrlein: "Ja, ich verstehe mich gut mit Dani. Das war zu unseren Formel-3-Zeiten definitiv nicht so, weil wir öfter Kollisionen hatten. Da war unser Verhältnis ziemlich angespannt. Wir sind aber 2013 gemeinsam bei Mücke in der DTM gefahren und verstanden uns im Laufe der Saison immer besser. 2014 hat sich das dann noch gesteigert."
Frage: "Gab es da eine Aussprache oder habt ihr die früheren Zwischenfälle totgeschwiegen?"
Wehrlein: "Nein, eigentlich lachen wir heute über die Zwischenfälle und schieben immer dem anderen die Schuld in die Schuhe (lacht; Anm. d. Red.)! Damals war es sehr ärgerlich, aber heute können wir drüber lachen. Auch auf der Strecke verstehen wir uns heute sehr gut, respektieren einander. Dani ist wirklich ein guter Teamkollege."
Frage: "Wie ist dein Verhältnis zu Lewis Hamilton und Nico Rosberg?"
Wehrlein: "Mit Nico verstehe ich mich sehr gut, und wir tauschen uns auch oft aus. Vor meinem Test in Abu Dhabi hat er mir viele Tipps für das Auto gegeben."
"Ich habe auch ein gutes Verhältnis zu Lewis. Zum Beispiel hat er mir in Singapur nach meinem ersten DTM-Sieg gratuliert. Gleich als wir uns zum ersten Mal sahen, gab er mir die Hand und sagte: 'Ich habe das Rennen gesehen - super gemacht!' Ich bin echt happy, wie ich vom Team aufgenommen wurde - von den Fahrern, von den Ingenieuren, von den Mechanikern. Obwohl ich noch nicht so lange im Team bin, verstehe ich mich wirklich mit allen sehr gut."
In Abu Dhabi nur kurz den WM-Titel gefeiert
Frage: "Du warst in Abu Dhabi beim WM-Showdown dabei. Hattest du auch Gelegenheit, in die Feier reinzuschnuppern?"
Wehrlein: "Da war ich nicht dabei, weil ich anschließend gleich den Test hatte."
Frage: "Warst du dann am Dienstag der einzig Nüchterne in der Box? Toto Wolff hat bei der Pressekonferenz am nächsten Morgen noch etwas angeschlagen gewirkt (lacht; Anm. d. Red.)..."
Wehrlein: "Habe ich auch gehört (lacht; Anm. d. Red.)! Aber das ganze Jahr lang hatten sie das Ziel, Weltmeister zu werden, und dann hat es beim letzten Saisonrennen endlich geklappt. Nach dem riesigen Druck muss man Dampf ablassen."
"Mercedes war natürlich schon vorzeitig Konstrukteurs-Weltmeister, aber Druck war trotzdem immer noch da, weil es die Fahrer unter sich ausmachten. Das Team wollte keine Fehler machen und so die WM entscheiden, was sehr ärgerlich gewesen wäre. Klar will man dann auch das Saisonfinale gewinnen, wenn alle da sind. Und dann kann man am Sonntagabend auch feiern."
Frage: "Du warst also gar nicht dabei?"
Wehrlein: "Doch, in der Box und an der Strecke war ich dabei, aber später sind ja alle noch in die Disko gegangen. Da war ich nicht mehr dabei."
Frage: "Du hast interessanterweise einige Österreicher in deinem Umfeld. Toto, Niki Lauda, deinen PR-Mann Herbert Eichinger. Alles zufällig passiert?"
Wehrlein: "Ja, Österreicher ziehen mich offenbar an - oder andersrum (lacht; Anm. d. Red.)! Aber im Endeffekt spielt es doch keine Rolle, woher man kommt. Jeder hat das gleiche Ziel, jeder will sein Bestes geben. Ich denke, dass es Zufall ist, dass in meinem Umfeld so viele Österreicher sind. Sie sprechen aber alle Deutsch, daher ist das schon okay."
Frage: "Bist du bei allen Formel-1-Rennen in dieser Saison vor Ort?"
Wehrlein: "Mal sehen, wie alles abläuft, gerade auch mit dem Simulator und mit der DTM. Melbourne und die ersten Rennen sind noch ziemlich weit weg."
Lieber im Simulator oder an der Rennstrecke?
Frage: "Die Alternative ist wahrscheinlich, dass du in Brackley im Simulator sitzt, wenn du nicht vor Ort bist, oder?"
Wehrlein: "Ja."
Frage: "Wäre dir ein Jahr im Simulator oder an der Rennstrecke, persönlich bei allen Briefings, lieber? Bei welcher Variante könntest du für dich mehr Lernerfahrung mitnehmen?"
Wehrlein: "Schwer zu sagen. Bei den Europarennen war es so, dass ich bis Freitagnacht im Simulator war und dann am Samstagmorgen angereist bin. Das wäre optimal. Bei Rennen, wo das nicht möglich ist, weil sie zu weit weg sind, ist das schwierig."
"Zu Saisonende, als die Situation mit Nico und Lewis keine Fehler erlaubte und alles so eng war, da war es gut, an der Strecke zu sein und zu sehen, wie die Fahrer damit umgehen, wie das Team damit umgeht."
Frage: "Es muss für dich hochinteressant gewesen sein, die beiden im Titelkampf zu beobachten, da du ja auch eines Tages in der Situation sein könntest, ob in der DTM oder in der Formel 1. Was nimmt man als Fahrer daraus mit?"
Wehrlein: "Man hat natürlich gespürt, dass es jetzt dem Ende zugeht, alle am Limit und auch gespannt sind, wer Weltmeister wird. Deswegen war es wirklich schön, da an der Strecke zu sein und das zu beobachten - ganz ohne Druck. Nicht als Zuschauer, sondern als Teammitglied, aber ohne aktive Rolle. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, weil es den Fahrern gegenüber nicht fair wäre. Aber am Ende sind das nur kleine Entscheidungen, die den Unterschied ausmachen."
Frage: "Zum Zeitplan am Wochenende: Ich nehme an, du bist bei allen Briefings dabei, hast Medientermine. Was machst du in der verbleibenden Zeit?"
Wehrlein: "Damit ist eigentlich schon viel Zeit verplant. Ich bin bei allen Meetings dabei, also wenn die Ingenieure ein Meeting haben und wenn sie Meetings mit den Fahrern haben. Bei den Freien Trainings bin ich in der Box, lausche am Funk, was die Fahrer mit den Ingenieuren reden, was die Ingenieure im Hintergrund alles besprechen - und dann habe ich noch ein paar Medientermine."