• 24. Januar 2015 · 09:28 Uhr

Pascal Wehrlein: Aus der DTM in die Formel 1?

Erster Teil des Interviews mit Mercedes-Testfahrer Pascal Wehrlein: Welcher Weg ihn in die Formel 1 führen soll und warum so viele Stars in der DTM gescheitert sind

(Motorsport-Total.com) - Im März 2013 wurde Pascal Wehrlein quasi über Nacht vom vielversprechenden Nachwuchsfahrer zum angehenden Motorsport-Star: Weil der eigentlich für die bevorstehende DTM-Saison gesetzte Ralf Schumacher in letzter Minute einen Rückzieher machte, wurde im Mücke-Team ein Cockpit frei, das Mercedes dem erst 18-jährigen Sigmaringer überließ. Der hatte zu jenem Zeitpunkt eigentlich vor, ein weiteres Jahr Formel 3 zu fahren.

Foto zur News: Pascal Wehrlein: Aus der DTM in die Formel 1?

Pascal Wehrlein möchte einen ähnlichen Weg gehen wie Kollege Paul di Resta Zoom Download

Wehrlein hatte zuvor das Formel-Masters (2011) gewonnen und die Formel-3-Euroserie als Gesamtzweiter beendet (2012), knapp hinter seinem damaligen Erzrivalen Daniel Juncadella. Die erste DTM-Saison kam allerdings etwas zu früh für den Youngster - mehr als drei zehnte Plätze wären zwar möglich gewesen, standen aber unterm Strich nicht in den Ergebnislisten. 2014 hingegen schaffte er mit dem ersten Sieg auf dem Lausitzring und dem achten Platz in der Gesamtwertung den Durchbruch.

Diese Leistung wurde von Arbeitgeber Mercedes mit einem Vertrag als Formel-1-Testfahrer belohnt. Wehrlein wird als solcher 2015 nicht nur die Arbeit von Weltmeister Lewis Hamilton und Nico Rosberg unterstützen, sondern darf möglicherweise auch auf den einen oder anderen zusätzlichen Testeinsatz bei einem der Mercedes-Kundenteams hoffen - nicht zuletzt dank seiner starken Vorstellung beim Saisonabschluss-Test 2014 in Abu Dhabi.

Erster Sieg in der DTM, erster Formel-1-Test

Frage: "Pascal, 2014 war dein Jahr, mit dem Triumph auf dem Lausitzring unter schwierigen Bedingungen. Wie erinnerst du dich daran zurück?"

Pascal Wehrlein: "2014 war definitiv ein gutes Jahr für mich. Der Formel-1-Einstieg war für mich sehr wichtig, und seit Januar bin ich im Simulator. Ich habe dort in der dunklen Kammer viele Kilometer runtergeschrubbt. Ich habe mich mit meinem ersten Formel-1-Test im September dafür empfohlen, auch in Abu Dhabi noch einmal mit dem aktuellen Auto fahren zu dürfen. Und mit meinem ersten DTM-Sieg auf dem Lausitzring hat es in der zweiten Saison endlich geklappt. Der Sieg war längst fällig."

Frage: "Du hast dein ganzes Leben lang dafür gekämpft, Formel 1 zu fahren. Wie war das dann, als das Realität wurde?"

Wehrlein: "Eigentlich dachte ich, dass ich davor richtig aufgeregt sein werde, aber an diesem Tag, als ich dann ins Auto stieg, war alles wie gewohnt. Es war überhaupt keine Nervosität da, was mich selbst ein bisschen gewundert hat, weil ich mein ganzes Leben lang auf dieses Ziel hingearbeitet habe."

"Seit ich fünf Jahre alt war, habe ich die Formel 1 verfolgt und davon geträumt, irgendwann in diesem Auto zu sitzen. Und dann noch für Mercedes meinen ersten Testtag zu absolvieren, war wirklich ein Traum für mich. Deswegen war ich über meine Reaktion selbst verwundert. Natürlich hatte ich auch durch meine Simulatorarbeit eine gute Vorbereitung, und der Test war super."

Frage: "Kannst du einen Vergleich zwischen Formel 1 und DTM anstellen?"

Wehrlein: "Das kann man überhaupt nicht vergleichen. Ein DTM- und ein Formel-1-Auto sind komplett unterschiedlich. Auch das Fahrverhalten und die Größe des Teams. Beide Serien sind hochprofessionell, hart umkämpft und erfolgreich, weil sie verschiedene Stärken haben. Die DTM hat eine Fan-Nähe, die es in der Formel 1 in dieser Form nicht gibt. In der Formel 1 reist man aber um die ganze Welt und trifft überall Fans. Das ist einfach anders."

Race-Support für Hamilton und Rosberg

Frage: "Du kennst Nico Rosberg und Lewis Hamilton schon sehr gut, hast an den Meetings teilgenommen und bist ihr Race-Support. Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit diesen großen Namen vorstellen?"

Wehrlein: "Sehr professionell. Wir sitzen immer gemeinsam in den Meetings und nehmen an den Gesprächen mit den Ingenieuren teil. Zudem gibt es das Race-Support-Team in der Fabrik in Brackley, das mit uns per Funk verbunden ist. Das kann man sich gar nicht vorstellen."

"Dann wird diskutiert, wie man das Auto verbessern kann, welche Probleme es beim Auto gibt. Meine Hauptaufgabe ist es, an den Rennwochenenden von den Fahrern, von den Ingenieuren so viel wie möglich mitzunehmen und zu lernen. Zu schauen, was die miteinander besprechen, was während der Trainings und der Rennen im Hintergrund besprochen wird."


Fotos: Pascal Wehrlein bei gooix-Event


Frage: "Du hast damit einen Zweitjob dazubekommen. Wie bringst du all das unter einen Hut, und verbringst du mehr Zeit im Auto oder im Flugzeug?"

Wehrlein: "Gute Frage. Zurzeit noch mehr Zeit im Flieger, weil ich in der Formel 1 nicht an den Rennen teilnehme. Aber das kann sich ja noch ändern. Dann verbringe ich hoffentlich mehr Zeit im Auto. Speziell durch dieses Formel-1-Engagement hat sich sehr viel für mich geändert, ich bin sehr oft mit dem Team unterwegs, in England im Simulator. Dann kommt noch die DTM dazu. Das ist schon ein sehr umfangreiches Programm."

Frage: "Oft wird im Simulator bis in die frühen Morgenstunden getestet. Wie kriegt man zwischen den intensiven Einheiten den Kopf frei?"

Wehrlein: "Bis zur Saisonmitte habe ich bei jedem Rennen den Race-Support gemacht. Verbesserungsvorschläge probiere ich vorher im Simulator aus, und dann wird ausgewertet, ob es was gebracht hat oder schlechter war. Das wird dann für die Fahrer am Samstag übertragen. Teilweise bin ich bis 3:00 Uhr nachts im Simulator gesessen und habe Setups ausprobiert, Vergleichstests gemacht und noch mal was geändert. Da gab es kein zeitliches Limit."

Mehrere Wege führen zum Ziel Formel 1

Frage: "Wie siehst du die DTM grundsätzlich als Vorbereitung auf die Formel 1? War das immer dein Plan oder bist du mangels Alternativen aus dem Formelauto ausgestiegen?"

Wehrlein: "Es kommt immer drauf an. Es gibt normalerweise zwei Möglichkeiten, in die Formel 1 zu kommen: Formel 3, dann GP2 oder die Renault-World-Series ist der eine Weg, DTM der andere."

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Chefredakteur Christian Nimmervoll im Interview mit Pascal Wehrlein in Linz Zoom Download

"Für mich war es der beste Schritt, bei Mercedes zu bleiben, denn von ihnen wurde ich immer unterstützt. Sie haben mir in der Formel 3 sehr geholfen, deswegen gab es für mich auch gar keine andere Entscheidung, als mit Mercedes in der DTM anzufangen. Bei Mercedes habe ich außerdem den Vorteil, dass sie in der Formel 1 und in der DTM unterwegs sind. Da hat man alle Möglichkeiten."

"Man hat es auch bei Paul di Resta gesehen: Mercedes hat verschiedene Kundenteams, und deswegen war es für mich die beste Möglichkeit, mit Mercedes DTM zu fahren und mich dort so weiterzuentwickeln, dass ich eines Tages für die Formel 1 bereit bin. Mercedes hilft mir da sehr, was man im Vorjahr bei den Simulatortests gesehen hat. Außerdem habe ich meine ersten Testfahrten bekommen."

"Jeder Fahrer muss aber für sich selbst entscheiden, was das Richtige ist. Die Formel 3 ist aus meiner Sicht sehr wichtig, dort muss man fahren. Was man dann macht - also GP2, DTM oder Renault-World-Series -, hängt von der Situation ab."

Keine Geldsorgen dank Mercedes-Unterstützung

Frage: "Du hast es insofern einfacher, dass du durch Mercedes kein Budget aufstellen musst, während es in den Nachwuchs-Formelserien irrsinnig viele Fahrer gibt, die über Geldmangel klagen. Bist du froh, dass du dich damit nicht beschäftigen musst?"

Wehrlein: "Ja. Deswegen habe ich nicht darüber nachgedacht, ob ich jetzt GP2, DTM oder Renault-World-Series fahre. Für mich war von Anfang an klar: Ich habe Mercedes hinter mir stehen und die DTM ist eine tolle Serie, wo man 20 Jahre lang fahren kann. Und wenn man gut genug ist und sich empfiehlt, dann kann man auch in die Formel 1 aufsteigen."

Frage: "Du hast als Mercedes-Testfahrer in der Formel 1 das Privileg, beim besten Team zu fahren. Hast du auf diese Chance immer hingearbeitet?"

Wehrlein: "Mein ganzes Leben lang habe ich auf das Ziel Formel 1 hingearbeitet, aber momentan bin ich Testfahrer. Klar habe ich auch darauf hingearbeitet, aber ich bin noch nicht an meinem Ziel angelangt."

Frage: "Aber das ist jetzt die Chance, die offen stehende Eintrittstür..."

Wehrlein: "Ja, genau. Aber ich bin noch nicht als Einsatzfahrer in der Formel 1, und deswegen muss ich weiter Vollgas geben, hart arbeiten und so gut wie möglich lernen. Ich habe im Vorjahr auf jeden Fall einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht, aber ich bin noch nicht in der Formel 1. Priorität hat weiterhin die DTM. Dort gibt es für mich große Ziele, die ich unbedingt erreichen will."

Frage: "Du hast in Abu Dhabi getestet, wo wenige Tage davor das Rennwochenende stattfand. Wie schwierig ist es, da interne Vergleiche zu ziehen?"

Wehrlein: "Sehr schwierig, denn man fährt zu verschiedenen Tageszeiten, die Strecke verändert sich von morgens bis abends, was einen Unterschied von bis zu zwei Sekunden ausmachen kann. Das hängt von der Streckentemperatur oder davon ab, ob etwas Sand auf der Strecke liegt, wofür Abu Dhabi ja bekannt ist. Wenn nicht viel Rennbetrieb herrscht, dann ist die Strecke hier sehr rutschig. Deswegen kann man es nicht vergleichen."

Zufrieden mit Performance bei Abu-Dhabi-Test

"Ich denke, die Leistung war ganz ordentlich. Klar, ich bin Bestzeit gefahren, aber das kann man bei einem Test nicht vergleichen, weil man nicht weiß, was für ein Programm die anderen gefahren sind. Der Testtag war sehr gut, ich habe viel gelernt und konnte dem Team wichtiges Feedback geben. Am Ende war ich auch noch schnell. Also alles positiv."

"Es gibt nichts, was näher an ein Formel-1-Auto rankommt als der Simulator."Pascal Wehrlein
Frage: "Du hast jetzt den Vergleich zwischen dem Auto im Simulator und dem echten Boliden. Wie fällt der aus? Bist du automatisch auf der Strecke schnell, wenn du im Simulator schnell warst? Decken sich die Rundenzeiten?"
Wehrlein: "Ich glaube nicht, weil der Simulator was anderes ist. Klar, es gibt nichts, was näher an ein Formel-1-Auto rankommt als der Simulator. Gerade zum Lernen der Lenkrad-Knöpfe, der Einstellungen am Auto, damit sich das Setup in diese oder jene Richtung verändert, und für das Feedback für die Ingenieure ist er Gold wert."

Frage: "Wir haben über Paul di Resta gesprochen. Vorausgesetzt deine Karriere verläuft so wie seine: Was ist denn der Vorteil, vor der Formel 1 in die DTM zu gehen, und was ist der Nachteil?"

Wehrlein: "Richtig beurteilen kann ich es natürlich nicht, weil ich nicht beide Wege gegangen bin, aber der Einschätzung nach ist der Vorteil des Formelweges, dass man im Formelauto bleibt und dieses Gefühl erhalten bleibt. Ein DTM-Auto fährt sich hingegen einfach anders als ein Formel-3- oder Formel-1-Auto. Da hat man auf jeden Fall ein anderes Fahrgefühl."

"Was man in den anderen Formelserien allerdings nicht hat, ist die Aufmerksamkeit und den Hersteller hinter sich. Durch das Mercedes-Umfeld in der DTM gewöhnt man sich an das Interesse der Öffentlichkeit, an die Presseleute. Es ist diesbezüglich eine bessere Ausbildung. Es gibt Vor- und Nachteile, aber ich glaube, dass mein Weg gut ist."

Warum sind so viele Formel-1-Stars gescheitert?

Frage: "Viele erfolgreiche Formel-1-Piloten wie Mika Häkkinen, Ralf Schumacher oder David Coulthard haben in der DTM zwar teilweise Rennen gewonnen, sich aber trotzdem sehr schwer getan. Paul di Restas Wechsel von der DTM in die Formel 1 hat wiederum funktioniert. Du kennst jetzt die beiden Autos. Hast du eine Erklärung?"

Wehrlein: "Die DTM ist eine wirklich schwierige Serie, weil die Autos so ähnlich sind. Wenn man im Qualifying einen kleinen Fehler macht, zwei Zehntel langsamer ist, dann hat man zehn Plätze verloren. Das hat man in der Formel 1 eben nicht, da sind die Abstände deutlich größer. Das macht die DTM für Fahrer, die aus der Formel 1 kommen, so schwierig. Es ist ein anderes Auto, ein anderes Fahrgefühl."

Frage: "Kannst du das etwas konkreter beschreiben? Liegt es am Unter- oder Übersteuern? Spielt vielleicht sogar das Dach eine Rolle?"

Wehrlein: "Im DTM-Auto braucht man so einen sauberen Fahrstil, da muss alles perfekt sein - der Bremspunkt, der Bremsdruck, wann man einlenkt. Wenn man vom Formel-1-Auto daran gewöhnt ist, so spät von über 300 km/h in 100 Metern runterzubremsen, dann ist das schwierig einzuschätzen. Wir reden ja nicht über 20, sondern nur über ein oder zwei Meter, die man dann zu spät oder zu früh bremst, oder ob man etwas falsch einlenkt."

Frage: "Und worin liegt diesbezüglich der Unterschied zwischen DTM und Formel 1?"

Wehrlein: "Ein DTM-Auto hat weniger Leistung als ein Formel-1-Auto. Das heißt: Man muss runder fahren, alles muss perfekt sitzen. Wenn man Fehler macht, man im Formel-1-Auto etwas gegenlenkt, dann macht es sich durch die Leistung vielleicht nicht so stark bemerkbar. Wenn man aber im DTM-Auto in der Kurvenmitte gegenlenken muss und nicht mehr ans Gas kommt, dann verliert man die Geschwindigkeit über die gesamte Gerade, weil das Auto nicht so viel Power hat."

Den zweiten Teil des Interviews mit Pascal Wehrlein (unter anderem über seine Anfänge mit der PlayStation, das Verhältnis zu seinen Eltern und seine Beobachtungen im WM-Duell Hamilton vs. Rosberg) können Sie hier nachlesen.

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