Bernd Mayländers 2014: "Urwald-Likör" mit Nebenwirkungen
Der Safety-Car-Fahrer der Formel 1 lässt das Jahr Revue passieren: Von flüsterleisem Kaffee, dubiosen Fleischgerichten und einem verdienten Weltmeister
(Motorsport-Total.com) - Bernd Mayländer hat den besten Blick auf die Königsklasse, wenn er vor der versammelten Weltelite des Motorsport um die Grand-Prix-Strecken fährt. Der 'Motorsport-Total.com'-Kolumnist richtet im Interview den Blick nochmals in den Rückspiegel: Die neue Antriebstechnologie hat den 43-jährigen Schwaben in ihren Bann gezogen, während ihn das Williams-Comeback und ein "Urwald-Likör" aus Südostasien fast vom Stuhl gehauen hätten. Privat lief es im Hause Mayländer aber wie geschmiert.
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Bernd Mayländer geht mit und ohne Helm die gute Laune nur selten abhanden Zoom Download
Frage: "Bernd, was wird dir immer im Gedächtnis bleiben, wenn du an 2014 denkst und eines Tages deinen Enkeln im Schaukelstuhl berichtest?"
Bernd Mayländer: "Das Jahr 2014 war ein wichtiger Schritt in die Neuzeit der Formel 1 - alleine schon vom Technischen Reglement her. Es war ein wichtiges für den Motorsport. Alles war neu und alle waren gespannt auf eine nächste Motorenära mit neuen Antriebssträngen, neuem Sound und einem teilweise neuen Punktesystem."
"In Sachen Sport ist keiner enttäuscht worden, glaube ich. In technischen Belangen ist es für Außenstehende schwierig, denn die Formel 1 war in der Vergangenheit auch durch den Sound geprägt, besonders was den Fan auf der Tribüne betrifft. Dann muss man sehen, ob es ein Mercedes-, ein Renault- oder ein Ferrari-Fan ist - da hat es natürlich gewisse Unterschiede gegeben. Aus meiner persönlichen Sicht wurde aber der Grundstein für eine neue Formel 1 gelegt."
Williams war größte Überraschung
Frage: "Das klingt, als wärst du jemand, der sich für technische Details begeistern kann. Oder gilt für dich eher die Devise: "Fahren, hören, fertig"?"
Mayländer: "Da gibt es zwei Punkte. Klar, man setzt sich mehr und mehr mit der Technik auseinander, auch weil es an der Zeit war, etwas Neues auszuprobieren. Das Wort 'Effizienz' ist bei mir als älterem Motorsportler immer mehr eingedrungen. Wenn man sich überlegt, wie effizient die Formel 1 mittlerweile ist, dann hat man sich damit beschäftigen müssen - und fand es interessant."
Frage: "Was war für dich sportlich gesehen die größte Überraschung? Etwa der teaminterne Zweikampf bei Red Bull?"
Mayländer: "Das Duell Sebastian Vettel gegen Daniel Ricciardo: Es wusste jeder nach den Tests, dass Red Bull Probleme haben würde. Dass es Sebastian so hart treffen würde, hätte ich nicht gedacht. Eher, dass sie es schneller in den Griff bekommen, denn bei Ricciardo hat es auch geklappt. Deshalb war es eine mittlere Überraschung, was Daniel abgezogen hat. Er ist ein toller Rennfahrer. Was mich am meisten überrascht hat, waren Vallteri Bottas und Felipe Massa bei Williams. Wie stark dieses Team zurückgekommen ist! Das war ein enormer Sprung, nicht nur durch den Antriebsstrang, sondern auch beim Auto."
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Frage: "Daniel Ricciardo, Valtteri Bottas - das klingt nach der Überschrift 'Saison der Youngster'."
Mayländer: "Bottas ist ein sehr ruhiger Geselle, bei ihm gibt es keinen großen Medienrummel. Er hat kaum Fehler gemacht, fleißig Punkte gesammelt und stand sechsmal auf dem Podium. Das kann sich sehen lassen. Er ist für mich der Newcomer des Jahres. Ricciardo ist demzufolge, was er gezeigt hat, ein ganz, ganz Großer, wenn es um Überholen und Strategie geht. Er gehört in Zukunft zu den Aspiranten, um eine WM zu fahren, wenn sie ein siegfähiges Auto haben."
"Vielleicht hätte Nico in Bahrain etwas härter sein müssen"
Frage: "Was war aus deiner Sicht das spektakulärste Rennen?"
Mayländer: "Bahrain mit dem Duell Lewis Hamilton gegen Nico Rosberg. Es war phänomenal, wie fair und sauber man fahren kann. Vielleicht hätte Nico etwas härter sein müssen, dann wäre die Saison auch anders gelaufen. Trotzdem war es spannend und der Grand Prix das Beste, was es in Sachen gegenseitiges Überholen gegeben hat. Allgemein haben für mich Hamilton und Ricciardo am konsequentesten überholt. Wenn sie hinter einem angekommen sind: 'Bum, rein, keine Chance!' Das zeichnet einen hochkarätigen Fahrer aus."
Frage: "Was hat aus deiner Sicht das Titelduell bei den Silberpfeilen entscheiden?"
Mayländer: "Ausschlaggebend war, dass Lewis die Eigenschaft hat, über die komplette Distanz und egal mit welchem Reifensatz immer das Maximale herauszuholen - ungeachtet der Bedingungen. Er hat die Reifen nicht überfahren, sie aber voll ausgenutzt. Das war das Quäntchen, was Lewis in den Rennen ein, maximal zwei Zehntelsekunden schneller gemacht hat. Man hat gesehen, dass es viel wert und wichtig ist, auf eine Runde der Schnellere zu sein. Das war Nico. Aber auf die Distanz gesehen war Lewis genau dieses Quäntchen schneller. Deswegen ist er mit elf Siegen zurecht Weltmeister geworden."
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Frage: "Was war für dich ganz persönlich das wichtigste Erlebnis?"
Mayländer: "Die Spannung, nach Australien zu fliegen und zu hören, wie die neue Formel 1 ist. Ich war am Anfang sehr überrascht, bei welcher Ruhe man in der Hospitality in Melbourne auch während des Trainings Kaffee trinken kann. Dieser Eindruck bleibt. Sonst war es für mich eine eher ruhige Saison. Als Safety-Car-Fahrer ist alles nach Plan gelaufen. Es gab keine großen Überraschungen."
Mysteriöse Singapur: Von welchem Tier auch immer...
"Und sonst? Da fällt mir außer dem Pilotenstreik in Deutschland nichts ein. Der hat manche Verzögerung gebracht. Neben der Strecke war auch alles ruhig, wobei ich festgestellt habe, dass man in Abu Dhabi nachts ganz schön feiern kann. Das war der absolute Hit, wie laut es dort ist und wie sehr man Party machen kann! Ich selbst war nicht dabei, aber es hat mich überrascht, dass Abu Dhabi in Sachen Lautstärke auf Booten Monaco in nichts mehr nachsteht."
Frage: "Was gab es auf den vielen Reisen an kulinarischen Highlights oder Reinfällen?"
Mayländer: "Ich habe in Singapur irgendetwas probiert - wenn du mich heute fragst, was es genau gewesen ist, kann ich es immer noch nicht zuordnen. Ich habe kurz so getan, als würde es schmecken und habe dann nicht aufgegessen. Keine Ahnung, was es genau war. Fleisch, aber ich weiß nicht, von welchem Tier und will es auch gar nicht mehr wissen. Im Anschluss war irgendein 'Urwald-Likör' Pflicht, der war auch nicht viel besser. Ich hatte zwei Tage leichte Magenprobleme. Da hat wohl nicht einmal das stärkste Getränk geholfen."
Frage: "Was waren für dich im Privaten die Highlights?"
Mayländer: "Einerseits, dass ich mit meiner Freundin zusammengezogen bin. Wenn man trotz der vielen Reisen ein intaktes Privatleben führt, ist das etwas Tolles. Ich erinnere mich auch gerne an meinen Sommerurlaub in der Südschweiz, wo alle Freunde zusammengekommen sind. Nur die engsten Vertrauten um einen herum - da hat es viele tolle Augenblicke gegeben. Es ist immer schön, wenn man mal durchatmen kann. Es sollte immer ein Highlight im Leben sein, einen tollen Urlaub zu verbringen. Ich bin jedenfalls nicht der Typ, der faul am Strand liegt."