Ricciardo: Das grinsende Raubtier im Interview
Hinter dem breiten Lächeln steckt ein Fahrer, der einen viermaligen Weltmeister demontiert hat: Daniel Ricciardo spricht über den Durchbruch
(Motorsport-Total.com) - Bevor er zu Red Bull kam, war Daniel Ricciardo als heiterer Honigdachs-Fan mit einem gewissen Hang zur Geschwindigkeit bekannt. Mit drei Siegen und dem Austanzen des viermaligen Weltmeisters Sebastian Vettel hat der Australier nun aber gezeigt, dass, genau wie bei dem pelzigen Tierchen, dass er sich auf seinen Helm hat malen lassen, hinter seinem allgegenwärtigen Lächeln auch scharfe Zähne stecken.
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Vorsicht bissig: Daniel Ricciardo lässt bei den Gegnern das Lächeln gefrieren Zoom Download
Frage: "Daniel, wie bist zu Beginn der Saison mit dem Druck umgegangen, einem Weltmeisterteam mit einem mehrfachen Champion beizutreten, und was waren die Erwartungen von Red Bull?"
Daniel Ricciardo: "Ich persönlich wollte einfach nur gut abschneiden und zeigen, dass ich es mit Seb aufnehmen kann. Ich glaube aber, dass Red Bull dachte, ich stände unter viel mehr Druck, also haben sie mir viel abgenommen. Sie dachten wohl: 'okay, der Junge kommt hier her und denkt vielleicht, wir würden schon in Melbourne ein Podium von ihm erwarten, also nehmen wir ihm die Last'."
"Ich spürte nicht wirklich mehr Druck als nötig, dachte aber: 'der Druck lastet auf Seb, der weiter abliefern muss'. Keiner hat von mir erwartet, dass ich ihn gleich schlage. Das hat es für mich einfacher gemacht. Ich habe gehofft und daran geglaubt, dass das Jahr gut laufen würde. Wenn ich aber zurückschaue, lief es definitiv besser als erwartet. Drei Siege gegen null ist schon eine Hausnummer."
Frage: "Hattest du vorgehabt, von Vettel zu lernen, oder wolltest du von Anfang an dein eigenes Ding durchzuziehen? Wie hat sich das entwickelt?"
Ricciardo: "Ich würde nicht sagen, dass ich ihn studiert habe. Aber ich habe versucht, so viel aufzusaugen, wie nur möglich. Während der Wintertests, wenn er gefahren ist und ich nicht, habe ich mir die Kopfhörer aufgesetzt und mir angehört, wie er mit den Ingenieuren kommuniziert."
"Als ich dann aber richtig angekommen bin und mich mit allem wohlfühlte, konzentrierte ich mich nur nach darauf, alles richtig zu machen und sicherzustellen, dass meine Wochenenden nach Plan verliefen. Wenn ich mich auf ihn hätte stützen müssen, hätte ich das getan. Aber ich habe mich immer auf mich selbst konzentriert, denn ich glaubte daran, dass, wenn ich alles richtig mache und eine perfekte Runde zusammen bekomme, ich ihn auch schlagen kann."
Frage: "Während des Tests konntest du nicht viel fahren, in Australien sahst du aber schon gut aus... Wann ist die aufgefallen, dass es läuft?"
Ricciardo: "In Australien ist auf jeden Fall schon eine große Last von mir abgefallen. Aber Seb hatte im Qualifying und dem Rennen Probleme. Obwohl das Rennen für mich gut verlief, konnte ich nicht abschätzen, wo ich neben ihm stehe. In Malaysia war er dann ein bisschen stärker als ich, also dachte ich: 'okay, ich habe erwartet, dass die Saison so anfängt' - ich hinkte ihm ein wenig hinterher."
"In Bahrain und China konnte ich ihn dann im Qualifying schlagen und auch im Rennen mit einem ordentlichen Abstand. Dann kamen Barcelona und Kanada... Ich habe wahrscheinlich nach China festgestellt, dass ich ihn für den Rest der Saison herausfordern könnte."
Frage: "Er schien auch mehr Probleme mit den Reifen zu haben. In einigen Rennen, wie in China, musste er auch einen Extra-Boxenstopp einlegen. Gab es etwas am Auto, was dir besser gelegen hat? Was denkst du, hat den Unterschied gemacht?"
Ricciardo: "Das habe ich auch versucht, herauszubekommen. Die Reifen länger halten zu können und dabei noch immer eine gute Pace zu behalten war eine meiner Stärken in diesem Jahr. Ich weiß nicht, ob ich dafür eine Erklärung finden kann."
"Ich denke, ich fahre generell mit viel Gefühlt: wenn die Reifen auch nur ein bisschen zu sehr rutschen, denke ich, dass ich mich darauf einstellen und mich zurück nehmen kann, wenn es nötig ist. Ich glaube, dass ich das schon in den Jahren zuvor so getan habe. Da hat es aber noch nicht einen solchen Effekt gehabt."
"Das ist ein Grund. Aber im Auto selbst habe ich mich auch zuhause gefühlt. Sie sind schwierig zu fahren, so ging es jedem. Ich denke, ich fand es nur nicht ganz so schwierig..."
Frage: "Lass uns über die drei Siege sprechen. Spa hat sich wahrscheinlich unterschieden, weil du lange geführt hast und gejagt wurdest, im Vergleich zu Kanada und Ungarn, wo du von hinten angegriffen hast..."
Ricciardo: "Spa war auf jeden Fall anders. Ich würde sagen, es gab weniger Adrenalin, aber mehr Druck. Es kam dabei wirklich auf mich an, und das ich keine Fehler mache. Als ich die Führung übernahm war mir sofort klar, dass ich eine Chance auf den Sieg haben würde, wenn ich die verbliebenen 40 Runden sauber fahren würde."
"Ich dachte die ganze Zeit daran, dass mich nur ein Fehler das Rennen kosten könnte. Es war mehr ein Konzentrations-Rennen - in jeder Kurve den richtigen Bremspunkt hinbekommen, zur richtigen Zeit wieder auf dem Gas sein und das war's. Kanada und Budapest waren hingegen voller Adrenalin und nur Attacke! Das war definitiv intensiver, aber was die Konzentration angeht, war Spa anstrengender."
Frage: "Hat sich nach dem ersten Sieg etwas an deiner Einstellung geändert?"
Ricciardo: "Auf jeden Fall. Es war ein bisschen wie mit dem Podium in Melbourne. Ich dachte: 'Ich kann das hinbekommen', und nach dem ersten Sieg: 'Okay, ich bekomme das wirklich hin!'. Ich hatte die Führung nur ein paar Runden vor Schluss übernommen und ich konnte spüren, wie sich mein Herzschlag beschleunigte, und diese ganzen 'bekomme ich die letzten zwei Runden noch ordentlich hin?' - 'habe ich das Zeug dazu?'-Fragen kamen mir in den Kopf."
"Offenbar hatte ich das Zeug dazu, und das machte mich auch viel zuversichtlicher bei den weiteren Möglichkeiten, die auf mich zukamen. Budapest war kein einfaches Rennen. Als ich aber erst einmal die Führung hatte, wurde es einfach. Ich hatte das schon mal erlebt und wusste, dass mich nur noch ein mechanischer Defekt oder so etwas stoppen konnte."
Frage: "Wir haben dich schon bei Toro Rosso oft sehr stark im Qualifying gesehen. In diesem Jahr hast du es aber mit ein paar großen Namen aufgenommen und ein paar beeindruckende Überholmanöver gezeigt. Wo hast du das hergeholt?"
Ricciardo: "Es ist auf jeden Fall etwas, von dem ich wusste, dass es in mit steckt. Es war aber noch nie so sehr zum Vorschein gekommen. Es liegt wahrscheinlich ein wenig am Auto: Ich kann mir das Auto selbstbewusst zurechtlegen und weiß, dass ich es stoppen und den Scheitelpunkt treffen kann. "
"Außerdem bin ich insgesamt selbstbewusster geworden. Je mehr Zeit man in dem Sport verbringt, desto mehr wächst das Selbstbewusstsein. Ich vertraue darauf, dass ich diese Manöver hinbekommen. Ich glaube daran, dass ich gegen die weltbesten Leute bestehen kann."
"Als ich mit dem Kartfahren angefangen habe, war ich hoffnungslos im Überholen. Aber als ich mich mit dem Kart erst einmal wohlfühlte, wurde ich zu einem der aggressiveren und entschiedeneren Fahrer. So läuft es hier wohl auch."
Frage: "Es ist aber auch wichtig, dass man dir vertraut, oder? Das scheint ja bereits der Fall zu sein, denn du hattest wenige Vorfälle und hast Lob von Leuten wie Fernando Alonso bekommen..."
Ricciardo: "Ja, das war cool. Ich denke, das wollte ich in diesem Jahr, abgesehen von den Ergebnissen, auch erreichen - den Respekt der Top-Leute zu verdienen. Ich denke, ich habe mich in dieser Gruppe nun etablieren können. Das war nett."
Frage: "Die Rede ist immer von Vettel, Hamilton und Alonso als Top-3-Fahrer der Formel 1. Bei den Top-Teams musst du nun doch aber auch auf dem Radar aufgetaucht sein..."
Ricciardo: "Ich denke, dass ich in diesem Jahr eindeutig mehr auf mich aufmerksam machen konnte. Es gibt aber ein paar von uns jungen, aufstrebenden Fahrern - Valtteri Bottas zum Beispiel - die gut abgeschnitten haben. Mir ist klar, dass es noch andere Teams gibt. Und, ob sie nun interessiert sind oder nicht, denen ist klar, was ich tue."
"Sie wissen, dass ich einen Vertrag mit Red Bull habe. Ich plane aber noch länger dabei zu bleiben, also werden wir sehen, was noch geschieht. Wenn man aber die Teamchefs alle fragen würde, wer Danny Ricciardo ist, wissen sie jetzt, wer ich bin..."