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Wolff und seine Streithähne: "Es gab ein großes Gewitter"
Warum der Mercedes-Motorsportchef seine Truppe so richtig wütend machen will, er über seine Piloten oft schmunzelte und Silber nicht die "dunkle Seite der Macht" ist
(Motorsport-Total.com) - Vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi ruhen alle Augen auf Mercedes. Wenn Lewis Hamilton und Nico Rosberg auf dem Yas Marina Circuit den WM-Titel ausfahren, dann wird bei Toto Wolff in der Box der Silberpfeile der Puls steigen, obwohl er eigentlich längst gewonnen hat. In der Sendung 'Sport am Sonntag' im 'ORF' erklärt der Österreicher, wieso nur der Deutsche bisher einen neuen Vertrag erhalten hat, was an der Formel 1 "Schwachsinn" ist und warum es im Sport Feindbilder braucht. Außerdem weiht Wolff in das Geheimnis der Reiseplanungen des Niki Lauda ein, schließlich will der Aufsichtsratsboss in Abu Dhabi zum Partytiger mutieren.
© LAT
Wolff und Rosberg: Zwischen ihnen gibt es regeln, die nicht jeder akzeptiert hätte Zoom Download
Frage: "Herr, Wolff, wer wird denn Weltmeister?"
Toto Wolff: (lacht) "Ein Silberpfeil."
Frage: "Was kommt beim Finale auf uns zu? Was spricht für wen?"
Wolff: "Auf diese Frage habe ich mich schon einstellen können. Sie habe ich in den vergangenen Tagen immer wieder gehört. Mathematisch spricht alles für Lewis. Er liegt in Führung und ein zweiter Platz reicht, um Weltmeister zu werden. Nico muss auf einen Ausfall, einen dritten Platz oder schlechter hoffen. Wenn wir so fahren, wie in den vergangenen Rennen, dann deutet alles auf eins und zwei hin."
Frage: "Was muss man als Team tun? Etwas Spezielles vorbereiten oder die beiden einfach alleine lassen?"
Wolff: "Wir lassen sie alleine. Das sind wir den Fans auch schuldig. Was wir natürlich gemacht haben, ist, das Auto so hinzustellen, dass wir zum Beispiel beim Motor versucht haben, die Laufleistung zu reduzieren. Bei den Trainings zu den jüngsten Grands Prix haben wir nicht immer aus vollen Rohren geschossen, um einen Puffer aufzubauen, dass das Auto hält. Aber am Ende ist es Motorsport und da passieren Ausfälle, auch technische Ausfälle. Das wäre für uns natürlich ein ungutes Szenario. Deshalb st es unsere Aufgabe, dass Auto so vorzubereiten, dass die beiden es auf der Strecke auffahren können."
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Frage: "Wie viel Zeit verbringen die Fahrer miteinander? Sind sie immer im selben Hotel, stehen sie immer in der selben Box, werden alle Besprechungen gemeinsam gemacht? Frühstücken sie miteinander? Oder gilt jetzt beim Finale: getrennte Betten."
Wolff: "Wir haben das kontinuierlich während der Saison gemacht. Es hat alles super locker begonnen zwischen den beiden. Aber umso intensiver es geworden ist, umso mehr es sich zugespitzt hat, umso schwieriger war es. Du durftest die beiden aber miteinander arbeiten, im gleichen Raum sitzen und ihre Debriefings machen lassen. Sie müssen professionell sein und das sind sie auch. Die beiden kennen sich so lange, kennen die Spielchen des jeweils anderen."
Visier runter, Regeln null und nichtig
"Wir haben im Sommer gemerkt, dass es anders wird. Dann kam Ungarn. In Ungarn waren wir als Team nicht ganz so gut. Wir haben einen Funkspruch losgelassen, der unklar war und zu weiteren Unklarheiten und einem harten Manöver geführt hat. Dann hat es begonnen, zu knistern. Dann kam Spa. Spa war im Nachhinein wie ein reinigendes Gewitter. Seitdem ist es auch wieder einfacher zwischen den beiden."
Frage: "Da hat man gemerkt, dass es krachen könnte. Musste man als Team aktiv werden, um das nicht zuzulassen?"
Wolff: "Ja. Wir sind natürlich sehr aktiv geworden. Was wir am Anfang des Jahres gemacht haben, ist unnatürlich für ein Formel-1-Team. Wir haben uns zusammengesetzt und gesagt, dass wir ein paar Regeln aufstellen. Wir haben verschiedene Situationen durchgespielt. Das lässt sich mit Rennfahrern normalerweise nicht machen. In dem Moment, wo das Visier runtergeht, ist alles vergessen. Aber die beiden sind auf so einem hohen Niveau, dass es immer geklappt hat."
Fotostrecke: Die 14 dramatischsten Teamduelle um den Titel
1950: Die erste Saison in der Geschichte der Formel-1-Weltmeisterschaft sieht auch gleich das erste Duell zweier Teamkollegen um den WM-Titel. Die beiden Alfa-Romeo-Piloten Juan Manuel Fangio und Giuseppe Farina gewinnen von den sieben Saisonläufen je drei. Als nach dem Finalrennen in Monza zusammengezählt wird, ist der Italiener Farina mit drei Punkten Vorsprung auf den Argentinier Fangio der erste Formel-1-Weltmeister der Geschichte. Fotostrecke
"Irgendwann hat es sich zugespitzt und Nico hat sich in Ungarn ein kleinwenig benachteiligt gefühlt. Er wollte einfach zeigen, dass er aus der Ecke nicht mehr herausfährt. Dann hat es gekracht. Das war für uns als Team einfach sehr enttäuschend. Die oberste Regel lautet: 'Fahrt euch nicht ins Auto!' Gerade in Spa haben wir Teile bekommen, die eigentlich erst für das nächste Rennen in Monza geplant gewesen sind. Die Leute haben über die Wochenenden gearbeitet und Urlaub geopfert, damit diese Teile an das Auto kommen."
"Dann haben wir in der zweiten Runde - als das DRS noch nicht einmal erlaubt war - einen Vorfall, der absolut unnötig war. Deswegen hat es ein großes Gewitter gegeben. Wir haben uns lange überlegt, was wir tun. Ich denke, wir haben besonnen reagiert. Seitdem haben wir alle Rennen gewonnen - mit Ausnahme von einem (Singapur; Anm. d. Red.) auf den Plätzen eins und zwei. Seitdem ist es gutgegangen. Die Betonung liegt auf: bis jetzt."
Krieg im Detail: Streitfrage Mapping
Frage: "Dass die beiden einander brauchen, um einander Druck zu machen, ist klar. Brauchen die beiden einander jetzt auch vor dem letzten Rennen noch?"
Wolff: "Nein, jetzt ist es anders. Warum wir so transparent - zum Beispiel mit den Daten - umgehen, ist, weil wir als Team davon lernen. Wir machen das Auto schneller. Man sieht es auch, wenn sie sich am Wochenende aneinander heranarbeiten, wenn der eine schneller ist, dann sieht der andere die Daten und kann wieder aufholen. Insgesamt wollen wir als Team viele Jahre vorne sein und dafür brauchen wir diese Daten und diese transparente Arbeitsweise."
"Jetzt zum letzten Rennen ist klar, dass jeder etwas in der Hinterhand hält. Jetzt wird diskutiert: Bleiben wir mit den Strategien so, wie wir waren oder darf man ein bisschen was probieren? Beide probieren auszuloten, wie weit sie mit unseren Regeln gehen können. Dafür haben wir in der vergangenen Woche schon Gespräche gehabt, die manchmal zum Schmunzeln waren, aber absolut sind."
Frage: "Gibt es dafür Beispiele?"
Wolff: "Eine unseren Regeln lautet: 'Wir wollen immer auf Eins und Zwei, wenn wir das können'. Das heißt, wir werden versuchen, den Hintermann in der Strategie so zu optimieren, dass er auf so schnell wie möglich wieder auf Position zwei kommt. Dann drehen wir den Motor wieder ein. Wir haben unterschiedliche Mappings, man kann also etwas schärfer und mit etwas mehr Drehzahl fahren. Die beiden haben immer gleiche Mappings, dass einer auf den anderen aufholen kann."
Frage: "Die zwei Verbremser Rosbergs in Monza: Es hieß nach Spa, es würde eine angemessene Disziplinarstrafe geben. Es gibt Menschen, die sagen, dort wären keine zwei Verbremser passiert. Was erklären Sie diesen Leuten?"
Wolff: "Wenn wir das absichtlich so gemanagt hätten, dann wäre es richtig gut gewesen. Dass man sich zweimal so verbremst und geradeaus fährt, das passiert im echten Leben nicht. Er war unter Druck, Lewis kam mit großem Speed von hinten und er hat sich zweimal verbremst. Das passiert. Das haben wir auch öfter gesehen, bei beiden. Da gibt es konspirative Theorien, aber wir sind nicht die dunkle Seite der Macht."
Frage: "Die doppelten Punkte beim Finale: Ist das etwas Gutes oder etwas, was den Wettbewerb verzerrt?"
Wolff: "Meine persönliche Meinung: Sportlich ist es Schwachsinn. Es kann sein, dass es das Ergebnis auf den Kopf stellt und das will niemand. Warum das gekommen ist, wissen wir auch alle. Im vergangenen Jahr hat Sebastian Vettel die letzten neun Rennen gewonnen. Man hat versucht, die Einschaltquoten und die Zuschauerzahlen hoch zu halten und dem Ende der Saison mehr Gewicht zu geben. Wir haben alle unsere Hand dazu gehoben - fälschlicherweise gehoben. Es wird einen würdigen Weltmeister geben. Wie der zustande gekommen ist, ob mit doppelten Punkten oder ohne, ist egal. Ein Name wird in den Geschichtsbüchern stehen und das ist es."
Frage: "Es war ein Jahr der Rekorde für Mercedes. War das vor der Saison so zu erwarten?"
Wolff: "Wenn man mit so einer Erwartungshaltung in die Saison geht, ist man durchgedreht. Ich glaube, man muss mit dem Gegenteil in die Saison gehen und immer mit dem Schlimmsten rechnen. Das tun wir auch jetzt: Wir versuchen, das, was passiert ist, zu vergessen. Es ist erfreulich, dass wir diese Rekorde gebrochen haben. Es sind Rekorde, die so lange Bestand hatten: So viele Rennen zu gewinnen und so viele Podiumsplätze zu erzielen, das ist Freude. Aber diese Freude hält 30 Sekunden und dann denkt man wieder daran, was in der nächsten Saison alles schiefgehen kann."
Frage: "Es kann ja nur noch schlechter laufen in der nächsten Saison."
Wolff: "Es ist die nächste Entwicklungsstufe im Unternehmen. Darüber diskutieren wir auch viel. Mit Wut im Bauch und als Zweiter lässt es sich einfacher arbeiten und motivieren, um den Anschluss zu schaffen, als als Seriensieger und Weltmeister. Darauf schauen wir jetzt genau. Wie können wir die Motivation hochhalten? Wie können wir unsere Feindbilder aufrechterhalten? Wie können wir erreichen, dass die Mannschaft nach wie vor motiviert, energetisch und wütend aufgeladen ist? Da versuchen wir, alle subtilen und weniger subtilen Techniken auszuspielen."
Frage: "Rosberg hat sich im Sommer länger gebunden, Hamiltons Vertrag läuft noch ein Jahr. Wie geht es dann weiter? Warum hat man sich noch nicht auf längere Sicht entschieden?"
Wolff: "Wir wollten keine Situation, in der wir nach einem Jahr ohne Fahrer dastehen und dann zwei Plätze neu zu besetzten haben. Nico ist ein wichtiger und längjähriger Bestandteil des Teams. Er passt gut und hat seine Leistung abgerufen. Deshalb wollten wir frühzeitig verlängern. Bei Lewis läuft der Vertrag sowieso noch 2015 und wir haben im Sommer begonnen, darüber zu diskutieren."
"Wir haben uns darauf verständigt, dass wir weitermachen wollen und Lewis hat das auch klar kundgetan. Irgendwann haben wir entschieden, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist. Das Duell wurde so intensiv. Wir haben auch gesagt: Gute Entscheidung, so machen wir es nicht. Wir sprechen nach Abu Dhabi. Jetzt ist die Vereinbarung, dass wir uns am Montag nach Abu Dhabi zusammensetzen und weiterschauen."
Lauda: Party statt Rückflug
Frage: "Kann da der Ausgang der WM auch Einfluss nehmen? Oder sagen die beiden mit etwas Abstand: Es ist auch ganz gut, wenn wir etwas Feuer zwischen uns haben?"
Wolff: "Ich weiß nicht, ob das Feuer wichtig ist. Das einzige, was die beiden interessiert, ist, dass sie das schnellste Rennauto haben. Insofern haben wir eine gute Situation und gute Karten. Es ist das Rennauto, in dem man sitzen muss. Es gibt viele andere, die dieses Cockpit gerne hätten. Wir hoffen, dass die beiden es so sehen und wir in der Fahrerkonstellation weitermachen können."
Frage: "Seit wann wird an dem Auto für 2015 geschraubt?"
Wolff: "Es gibt da keinen Schnittpunkt. Verschiedene Teams wechseln graduell auf das neue Auto. Es gibt ein Designteam, dass schon nach dem ersten Rennen in Melbourne auf das nächstjährige Auto geht. Dann geht eine Abteilung nach der anderen auf das neue Auto. Bei der Aerodynamik hat es im Juli begonnen, dann hat jeden Monat ein zusätzliches Aerodynamik-Team die Seiten gewechselt: von 2014 auf 2015. Ganz umgestellt war es dann Mitte September."
Wenn die Welt sich dreht
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Frage: "Wie groß wird die Party nach dem Finale ausfallen und was wird Niki Lauda springen lassen?"
Wolff: "Niki hat schon am vergangenen Wochenende richtig springen lassen. Wir sind in Sao Paulo mit allen Ingenieuren Essen gegangen. Die Einladung ging auf ihn und dann waren wir richtig lustig: Jeder hat seine Kappe aufziehen dürfen. Wir hatten 40 kleine Niki Laudas an diesem Abend. Aber auch er ist mittlerweile auf Party eingestellt. Zum ersten Mal, seitdem ich ihn kenne, fliegt er nicht am Sonntag um 17:30 Uhr zurück sondern bleibt bis Montag, um diesen Abend auch auszukosten."
Frage: "Was tun Sie in der Winterpause?"
Wolff: "Rad fahren ist zu gefährlich. Machen wir auch nicht, war eine Schnapsidee. Hat Niki auch gesagt: 'Zu gefährlich'. Dann hat er mich ausgelacht (nach dem Unfall im Juli, bei dem sich Wolff mehrere Knochenbrüche zuzog; Anm d. Red.). Aber die Winterpause gibt es ab 20. Dezember, wenn unsere Handys ausgeschaltet sind. Sonst hören sie nicht auf, anzurufen."
Frage: "Und wer wird jetzt Weltmeister?"
Wolff: "Das ist die gleiche wie am Anfang. Nach den Zahlen spricht alles für Lewis, aber wir wollen uns ganz neutral verhalten..."