Coulthards Red-Bull-Erinnerungen: Horner als Superman
David Coulthard erinnert sich an die Anfangsjahre des Red-Bull-Teams, an das erste Erfolgserlebnis sowie an die lustigsten und innigsten Momente
(Motorsport-Total.com) - Die Marke Red Bull steht kurz vor dem Abschluss ihrer zehnten Saison als Besitzer eines Formel-1-Teams. Beim Grand Prix von Australien 2005 in Melbourne traten erstmals zwei vom österreichischen Energydrink-Hersteller an den Start gebrachte Boliden an. Im Cockpit saßen damals David Coulthard und Christian Klien.
© Red Bull
David Coulthard: Vier Jahre lang Red-Bull-Stammpilot, seither bei Showuns im Einsatz Zoom Download
Im Interview spricht Coulthard über die Anfänge des inzwischen viermaligen Konstrukteurs-Weltmeisters aus Milton Keynes und erinnert sich an die lustigsten und innigsten Momente in der Geschichte des Teams.
Frage: "David, du warst von Beginn an ein Teil des Red-Bull-Teams und stehst auch heute noch in engem Kontakt zur Red-Bull-Familie. Welches waren aus deiner Sicht die herausragenden Momente, zunächst als Fahrer und anschließend in den Jahren nach dem Ende deiner Formel-1-Karriere?"
David Coulthard: "Der herausragendste Moment kam quasi direkt aus dem Stand: Wir schlossen unseren ersten Grand Prix auf Platz vier ab. Das kam unerwartet, war aber sehr wichtig. Schließlich ging es anfangs vor allem darum, Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Wir mussten zeigen, dass es Red Bull mit den Ambitionen, ein Weltmeisterteam aufbauen zu wollen, ernst meint."
"Dieser vierte Platz war ein Höhepunkt, der den weiteren Weg bestimmte. Anschließend waren natürlich die Podestplätze große Momente für das Team, zunächst ausgerechnet in Monaco und dann nochmals in meiner letzten Saison (in Kanada; Anm. d. Red.). Leider hatte ich nie die Chance, mit diesem Team einen Sieg zu feiern. Dank der Erfolge von Sebastian (Vettel), Mark (Webber) und Daniel (Ricciardo; Anm. d. Red.) steht das Team aber sehr gut da. Es war eine unglaubliche Reise."
Fotostrecke: Die Geschichte des Red-Bull-Teams
Bereits 1988 kauft Paul Stewart seinem britischen Landsmann Gary Evans dessen Motorsport-Team ab und geht in der Britischen Formel 3 an den Start. 1995 entsteht die Idee, in die Formel 1 aufzusteigen, die Pleiten von Forti, Pacific und Simtek bewegen Stewart aber dazu, seinen Plan zu verschieben. 1996 wird die Idee dann wieder aufgegriffen - mit Support von Papa Jackie, der seine alten Verbindungen zu Ford anzapft und dem Familienteam einen Status als Semi-Werksteam sichert. In 17 Rennen der Premierensaison gelingen Stewart nur einmal Punkte, für den sensationellen zweiten Platz beim Regenrennen in Monaco. Rubens Barrichello bricht in Tränen aus, Jackie Stewart schenkt ihm eine Rolex-Armbanduhr. Fotostrecke
"Man muss es sich nur einmal vor Augen führen: Das Team hat so viele Grands Prix gewonnen, vier Konstrukteurstitel und vier Fahrertitel gewonnen. Das alles zu einer Zeit, zu der große Namen wie Ferrari, Mercedes und andere in der Formel 1 vertreten waren. Ich glaube, jeder, der einmal für das Red-Bull-Team gearbeitet hat - entweder vor oder während der großen Erfolgszeit - fühlt sich als Teil des Erfolgs."
Frage: "Was hat dich im Verlauf der zurückliegenden zehn Jahre am meisten beeindruckt?"
Coulthard: "Anfangs waren Christian (Teamchef Horner) und ich schwer damit beschäftigt, nach Österreich zu fahren und alles mit Dietrich (Red-Bull-Boss Mateschitz; Anm. d. Red.) zu besprechen. Dabei hatten wir von Beginn an das Gefühl, dass wir dasselbe Ziel verfolgen, nämlich das Team gemeinsam nach vorn zu bringen. Seit dem Punkt, als der Laden einmal lief und sich die ersten Erfolge einstellten, wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen. Für mich persönlich war es damals gut, den direkten Kontakt zu Dietrich zu haben. Ich weiß aber auch, dass es bei Daniel, jetzt da das Team wie eine gut geölte Maschine läuft, nicht mehr so ist. Wir hingegen waren in der Anfangszeit ständig in Österreich, um das Team in die richtige Richtung zu lenken."
Coulthards Spaß-Highlight: Superman Horner
Frage: "Du warst insgesamt vier Jahre lang Fahrer bei Red Bull. Welches war der lustigste Moment in dieser Zeit?"
Coulthard: "Eines steht fest: Im Verlauf der Jahre hatten wir jede Menge Spaß. Ich weiß noch, wie Christian als Superman verkleidet in den Swimmingpool sprang. Damals war er noch ein bisschen beleibter und noch nicht der Vorzeigeathlet, der er heute ist. Daher würde ich sagen, dass das sicher einer der lustigsten Momente war."
Frage: "Im Laufe der Zeit warst du auch bei zahlreichen Showruns mit von der Partie. Welche dieser Orte oder Events stechen für dich rückblickend betrachtet am meisten heraus?"
Coulthard: "Im Laufe der Jahre waren wir bei vielen solcher Events. Grundsätzlich ist es toll, so viele neue Orte besucht zu haben. Wir waren damals die Ersten, die in Istanbul waren und über die Bosporus-Brücke fuhren. Wir waren auch die ersten die in Texas, in Baku und all den anderen Orten waren, die entweder schon im Kalender sind oder bald im Kalender sein werden."
"Es ist ein tolles Gefühl, der erste Mensch zu sein, der die Formel 1 an diesen neuen Orten repräsentiert, vor allem, wenn man wie ich früher selbst Formel-1-Fahrer war und die Leidenschaft für diesen Sport mitbringt. Abgesehen davon ist es auch persönlich eine tolle Erfahrung, diese Orte und Events zu besuchen. Man hat dabei das Gefühl, das Interesse für den Sport zu wecken."
Zehn Jahre Red Bull, zehn tolle Autos
Frage: "Wenn du die Wahl hättest, welcher Red-Bull-Bolide vom RB1 bis zum RB10 in deiner persönlichen Sammlung stehen dürfte, welcher wäre es?"
Coulthard: "Zwei oder drei der Autos, die ich noch selbst fuhr, habe ich ohnehin zu Hause stehen. Darüber hinaus hatte ich die Chance, einige der Weltmeisterautos zu fahren. Sie alle sind toll zu fahren. Es gibt nicht das eine Überauto, das heraussticht. Ich vermute mal, Adrian (Chefdesigner Newey; Anm. d. Red.) würde sich wohl für das 2013er-Auto entscheiden, weil es der Konkurrenz meilenweit voraus war."
"Meine persönliche Lieblingsära der Formel 1 war aber nicht die V8-Ära. Diese Motoren hatten eine ganz bestimmte Charakteristik. Man musste sie immer sehr hoch drehen. Die V10-Motoren, die in den ersten Jahren meiner Formel-1-Karriere fuhr, waren bezogen auf das Ansprechverhalten deutlich flexibler. Ich kann mich aber ohnehin nicht beschweren. Mein allerletztes Formel-1-Rennen fuhr ich in den Farben von Wings for Life. Ich kann wirklich sagen, dass ich alles bekommen habe, was ich wollte und brauchte."
Frage: "Hättest du dir in den Anfangsjahren des Teams vorstellen können, dass einmal mehrere WM-Titel auf der Habenseite stehen würden?"
Coulthard: "Ich hätte wohl eine Kristallkugel gebraucht um vorherzusagen, dass das Team einmal vier WM-Titel in Folge gewinnen würde. Ob ich daran glaubte, dass das Team alle nötigen Zutaten hinsichtlich Finanzen, Personal und Rennsportgeist beisammen hat, um Erfolg zu haben? Absolut. Das Red-Bull-Team ist aus dem Stewart-Team hervorgegangen. Leute wie Tony Burrows oder Simon Adams, die noch heute für das Team tätig sind, arbeiteten schon vor knapp 25 Jahren, als ich ein junger Nachwuchspilot war, mit mir zusammen. Wenn der Kern des Teams stimmt, dann muss man einfach nur die richtigen Leute drum herum aufstellen und ihnen die Werkzeuge an die Hand geben, um ihren Job erledigen zu können. Dann klappt auch alles andere."
Erinnerungen an großartige Strecken und Teamkollegen
Frage: "Bezogen auf die Rennstrecken dieser Welt: Welche drei sind deine Favoriten?"
Coulthard: "Spa, Silverstone und Monaco. Sie alle verkörpern ganz unterschiedliche Herausforderungen. Monaco ist bezogen auf Fahrfehler sicher die unverzeihlichste. Ein Fehler und du findest dich an der Leitplanke wieder. Silverstone steht für den Grand Prix von Großbritannien, was für einen Briten natürlich etwas ganz Besonderes ist. Spa ist eine Hochgeschwindigkeits-Achterbahn, die einfach nur unglaublich viel Spaß macht. In diesem Zusammenhang muss ich aber erwähnen, dass ich auch Strecken wie Suzuka und andere wirklich herausfordernde Pisten sehr mag."
Frage: "Wenn du aus allen Red-Bull-Piloten der Vergangenheit und Gegenwart deinen idealen Teamkollegen wählen könntest, wer wäre es und warum?"
Coulthard: "Ich hatte mit den Teamkollegen, die ich im Verlauf meiner Karriere hatte, großes Glück. In den ersten Jahren waren es Damon Hill, Mika Häkkinen und Kimi Räikkönen. In meinen Red-Bull-Jahren waren es Christian Klien, Tonio Liuzzi und Mark Webber. Sie alle hatten ihre ganz eigene Persönlichkeit und ihre ganz eigenen Fähigkeiten. Ich kann mich über meine Teamkollegen ganz sicher nicht beschweren und hätte mir nicht mehr wünschen können, zumal ich auch noch Testfahrer für Mansell, Prost und Senna - drei der ganz großen ehemaligen Weltmeister - war."
Frage: "Wenn du einen Moment deiner Red-Bull-Karriere noch einmal erleben könntest, welcher wäre es?"
Coulthard: "Das erste Erfolgserlebnis mit dem Team gleich beim ersten Rennen. Für mich war ein vierter Platz keine große Sache, schließlich war ich es aus meiner McLaren-Zeit gewohnt, Rennen zu gewinnen. Doch ich weiß noch, wie herzlich mich Christian damals in den Arm nahm. Da wurde mir klar, welch wichtigen Schritt dieser vierte Platz für das Team bedeutete. Ich glaube nicht, dass ich jemals zuvor von einem Mann so innig umarmt wurde..."