Interview mit Colin Kolles: "Wurden für dumm verkauft"
Die Hintergründe zum Caterham-Krimi: Wer in Leafield eingebrochen hat, welcher Firma die Rennautos gehören und was ein Ex-Fußballer damit zu tun hat
(Motorsport-Total.com) - Seit Mittwochabend ballern sie sich die öffentlichen Stellungnahmen gegenseitig um die Ohren: die Investorengruppe Engavest, die das Formel-1-Team Caterham Ende Juni (zumindest vermeintlich) übernommen hat, der ehemalige Eigentümer Tony Fernandes und die Insolvenzverwalter von Smith & Williamson. Jetzt meldet sich Colin Kolles, Berater von Engavest, in einem exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' zu Wort.
© xpbimages.com
Jetzt spricht Colin Kolles: Er wehrt sich entschieden gegen die Vorwürfe Zoom Download
Frage: "Herr Kolles, Tony Fernandes behauptet in einem Statement vom Donnerstagnachmittag, dass Teil der Übernahmevereinbarung war, dass die neuen Eigentümer alle aktuellen und zukünftigen Gläubiger sowie die Mitarbeiter bezahlen müssen. Das sei nicht passiert, daher wurden die Anteile nicht überschrieben."
Colin Kolles: "Das ist absolut falsch, was Herr Fernandes behauptet, dass Gläubiger und Gehälter nicht bezahlt wurden. Alle Bedingungen wurden erfüllt, alle Löhne wurden bezahlt. Inklusive des vereinbarten Kaufpreises für das Team. Vielleicht meint er die Mitarbeiter seiner Firmen, dass die ihre Löhne nicht bekommen haben? Bei uns wurden die Mitarbeiter jedenfalls immer pünktlich bezahlt."
Frage: "Und die Gläubiger?"
Kolles: "Man kann zu Renault gehen und sich erkundigen, man kann zu Pirelli gehen, man kann zu McLaren gehen. Diese Leute sollte man fragen, was Sache ist. Wir haben aufgeräumt und Gläubiger bezahlt."
Frage: "Stimmt es, dass das Caterham-Team zum Zeitpunkt der Übernahme finanziell so angeschlagen war, dass es in Silverstone gar nicht mehr angetreten wäre?"
Kolles: "Ja, das stimmt. Meines Wissens war alles schon vorbereitet, um das Team zu schließen."
Frage: "Sie sagen, was Fernandes behauptet, ist unwahr. Was werfen Sie ihm und seinen Partnern konkret vor?"
Kolles: "Er hat etwas verkauft, aber die Aktien nicht in unser Eigentum übertragen. Das ist das Problem. Das hat er mit fadenscheinigen Argumenten über Monate verzögert."
CSL an rumänische Investoren verkauft
Frage: "Bevor wir in weitere Details gehen, lassen Sie uns etwas Grundsätzliches klären. Sie beraten die Investorengruppe Engavest SA mit Geschäftsführer Stefan Gyseler, die am 29. Juni 2014 genau welche Teilfirmen aus der Caterham-Gruppe übernommen hat?"
Kolles: "Nur 1MRT (1Malaysia Racing Team Sdn Bhd; Anm. d. Red.). Unter 1MRT waren mehrere Firmen, darunter auch die CSL (Caterham Sports Limited; Anm. d. Red.). Gegen die CSL lagen zu dem Zeitpunkt bereits Liquidationsanträge vor, um die wir uns gekümmert haben. Später wurde die CSL an rumänische Investoren verkauft."
Frage: "Am 8. Oktober 2014 sind Romulus Kolles und Michael Willmer als Vorstände bei der CSL ausgeschieden. Stattdessen wurde Constantin Cojocar zum Vorstand bestellt, der vom Chef der Caterham-Gruppe, Graham Macdonald, als einer von Ihren 'Saubermachern' bezeichnet wird. Der Verdacht, dass eine Beziehung zwischen Ihnen und Cojocar besteht, liegt nahe."
Kolles: "Constantin Cojocar war einer der besten Fußballspieler in Rumänien, in den Glanzzeiten bei Steaua Bukarest."
"Der Hintergrund war, dass wir entschieden haben, mit der Caterham-Gruppe in Leafield nichts mehr zu tun haben zu wollen. Es gibt nach wie vor die Intention, das rumänische Formel-1-Projekt zu machen. Um dieses Projekt für 2016 umzusetzen, braucht man solches Know-how. Das ist der Hintergrund."
Frage: "Die Anschuldigung, Constantin Cojocar sei nur Ihr Strohmann, weisen Sie also zurück?"
Kolles: "Ja."
Kolles: "Wir haben in gutem Willen gearbeitet. Tatsache ist: Die Aktien wurden nicht übertragen, auch die fest eingebauten Assets in Leafield wurden nicht übertragen. Das ist eine fundamentale Sache. Wozu investierst du zweistellige Millionenbeträge, wenn der Verkäufer dich seit vier Monaten für dumm verkaufen will?"
Frage: "Aber wem gehört das Team Stand jetzt?"
Kolles: "Das Formel-1-Team 1MRT gehört momentan rein rechtlich gesehen dem Herrn Fernandes und seinen Partnern. Er ist aber vertragsbrüchig. Das ist so, als würden Sie ein Auto kaufen, es bezahlen, aber dann den Fahrzeugbrief nicht bekommen. Weil der Verkäufer den Fahrzeugbrief woanders verpfändet hat, oder aus irgendwelchen anderen Gründen."
Gebäude nicht im Besitz von Engavest
Frage: "Der Insolvenzverwalter spricht von Verbindlichkeiten von 15 Millionen Britischen Pfund, die die CSL bei der EXIM-Bank hat."
Kolles: "Das kann stimmen, aber weder sind wir Eigentümer der CSL noch haben wir mit der EXIM-Bank etwas zu tun. Wir können dazu nichts sagen. Wenn der Herr Fernandes irgendwo 15 Millionen Schulden oder das Gebäude in Leafield verpfändet hat, ist das nicht unser Problem. Weil uns das Gebäude nicht gehört."
Kolles: "Die Rennautos gehören nicht der CSL, sondern die Rennautos gehören 1MRT."
"In den vergangenen drei Monaten hat die 1MRT einen zweistelligen Millionen-Pfund-Betrag an die CSL bezahlt. Das Problem ist, dass der Herr Fernandes ein Konstrukt aufgebaut hat, ursprünglich mit zwei Firmen: einmal 1MRT Malaysia, einmal 1MRT UK. Letztere wurde in Caterham Sports Limited umgetauft und die meisten Leute dachten, dass das das Formel-1-Team sei. Das ist aber falsch."
"Es war auch Teil unserer Arbeit, mit vielen Gläubigern Gespräche zu führen. Denen haben wir gesagt, dass 1MRT das Formel-1-Team ist und die Rechnung dahin gestellt werden muss. Bei Gläubigern, die Teile für das Formel-1-Team gebaut haben, werden wir dafür geradestehen, sobald uns die Aktien überschrieben wurden. Sie können ihre Rechnungen an 1MRT stellen."
Frage: "Sie dementieren also, Geschäfte noch über die CSL abgewickelt zu haben, mit der Intention, diese ohnehin in Insolvenz zu schicken?"
Kolles: "Genau das Gegenteil ist der Fall. Vielleicht hatte jemand anderer diese Intention."
Frage: "Wie ist der aktuelle Stand in Leafield? Stimmt es, dass die Mitarbeiter heute vom Insolvenzverwalter nicht ins Gebäude gelassen wurden?"
Kolles: "Ja."
Fotostrecke: Lackierung eines Formel-1-Chassis
Dienstagmorgen vor dem Grand Prix von Indien, eine lokale Werkstatt des Automobilherstellers Renault in Noida. Die Industriestadt liegt in der Nähe des Buddh International Circuit, auf dem sich Sebastian Vettel fünf Tage später seinen vierten WM-Titel sichern wird. Fotostrecke
Frage: "Gibt es Gespräche, um diesen Zustand zu ändern?"
Kolles: "Es gibt viele Gespräche zwischen Anwälten. Ich selbst führe keine Gespräche. Die Sache ist glasklar: Wenn der Insolvenzverwalter behauptet, dass ihm das Formel-1-Team gehört, dann liegt er falsch. Wenn er behauptet, dass ihm Autos und Equipment gehören, dann liegt er auch falsch. Das gehört alles der 1MRT. Das wurde übrigens schon im Jahr 2011 zwischen den Herren Tony Fernandes und Riad Asmat schriftlich vereinbart. Die CSL hatte lediglich eine Servicevereinbarung mit 1MRT, nicht mehr und nicht weniger. Die CSL war nur ein Dienstleister für 1MRT."
Frage: "Was muss passieren, damit Sie in Austin an den Start gehen können?"
Kolles: "Der Insolvenzverwalter muss verstehen, dass 1MRT und CSL voneinander unabhängig sind. Der Insolvenzverwalter und Herr Fernandes haben, nebenbei bemerkt, den gleichen Anwalt. Und man sollte sich überlegen: Wenn angeblich der CSL das geistige Eigentum und so weiter gehört, dann wäre das ein Vertragsbruch im Concorde-Agreement, wo man als Konstrukteur bestätigen muss, dass einem das geistige Eigentum gehört."
Einbruch bei der Polizei angezeigt
Frage: "Wenn Sie ihn schon erwähnen: Ist es richtig, dass gegen einen Anwalt der Caterham-Gruppe von Tony Fernandes bei der Polizei Anzeige erstattet wurde?"
Kolles: "Ja, das stimmt. Dieser Herr ist in unseren abgesperrten Dokumentenschrank in Leafield eingebrochen. Dort war sehr viel Material über das Fehlverhalten der ehemaligen Vorstände und des Herrn Fernandes deponiert. Er wurde in flagranti erwischt."
Frage: "Ist es richtig, dass es im alten Concorde-Agreement erlaubt war, bis zu drei Rennen innerhalb von zwölf Monaten auszulassen, ohne vertragsbrüchig zu werden? Sprich: Angenommen Sie verpassen die letzten drei Rennen, kann das Team dann 2015 trotzdem mit seiner Lizenz in Melbourne an den Start gehen?"
Kolles: "Das kann ich nicht beantworten, weil ich keine Zeit hatte, um das zu prüfen. Aber diese Regelung mit drei Rennen ist mir zumindest von früher bekannt."
Frage: "Der Insolvenzverwalter spricht davon, von Ihrer Seite sei ein 'inadäquates Angebot' gekommen, das er nicht annehmen konnte."
Kolles: "Das war kein inadäquates Angebot, sondern eine Feststellung dessen, was klar ist: dass das geistige Eigentum 1MRT gehört, dass die Autos, Equipment und so weiter 1MRT gehören. Das ist schriftlich fixiert, schwarz auf weiß. Die Insolvenzverwalter hatten eine Deadline bis Donnerstag um 9:00 Uhr morgens, um das zu bestätigen. Die haben sie verstreichen lassen."
Frage: "Gesetzt den Fall, die Insolvenzverwalter halten das Team davon ab, nach Austin und zu den anderen Rennen zu fliegen, werden Sie dann versuchen, sich an den Insolvenzverwaltern dafür schadlos zu halten?"
Kolles: "Wir werden alle Verantwortlichen persönlich haftbar machen."