Surer über den Singapur-GP: "Das war ein heißes Eisen"
Formel-1-Experte Marc Surer über einen meisterhaften Lewis Hamilton, ein super Rennen von Sebastian Vettel und den Ausfall von Nico Rosberg
(Motorsport-Total.com) - Das Nachtrennen von Singapur ist am Ende noch einmal richtig eng geworden. Lewis Hamilton musste sich seinen Sieg doch noch ein wenig erkämpfen, Sebastian Vettel blieb chancenlos gegen den Mercedes aber vor seinem Teamkollegen und Nico Rosberg konnte bei all dem nur zuschauen. Formel-1-Experte Marc Surer erklärt, wie er den 14. Grand Prix der Saison erlebt hat.
Frage: "Marc, nach der Safety-Car-Phase und dem Boxenstopp war es für Hamilton noch einmal schwierig. War Geduld ein Schlüssel zu dem Sieg?"
Marc Surer: "Das und der Speed. Dass er mit den weichen Reifen so lange so schnell fahren konnte, das spricht schon für seinen Fahrstil. Wenn man so rangeht und zwei Sekunden schneller fährt als die Konkurrenz, dann bauen die Reifen normalerweise sehr schnell ab, gerade die superweichen. Aber dass er das so managen konnte... Er wollte ja immer wieder die Reifen wechseln, aber das Team hat ihn draußen gelassen und sie haben alles richtig gemacht."
Frage: "Es gab an diesem Wochenende viele Diskussionen über den Funkverkehr. Die strategischen Informationen vor Hamiltons dritten Stopp waren aber sehr interessant. Würdest du die gerne behalten?"
Surer: "Das macht es für uns ja auch interessant. Wir machen uns ja auch Überlegungen. Wir haben ausgerechnet, dass er mindestens über eine Sekunde schneller fahren muss als die Konkurrenz, damit die Rechnung aufgeht. Und dann ging es ja darum, an welcher Stelle er wieder rauskommt. Das hat das Team auch gesehen und die haben auch immer mitgerechnet und haben gedacht 'Jetzt müsste er vor Ricciardo rauskommen'. Das hat er dann hauchdünn geschafft. Da fiebern wir ja mit dem Team mit und ohne diese Funksprüche wären wir allein gelassen."
Frage: "Nach dem Stopp lag Hamilton hinter Vettel, ist aber ruhig geblieben. War das auch ein Schlüsselmoment?"
Surer: "In dem Moment musst du Geduld haben. Wenn man durch die Boxengasse fährt, hört man sogar, wie die anderen vorbeizischen, in dem Fall war es Vettel. Und dann kam ja auch schon Ricciardo an, den hat er aber noch gerade so erwischt. Das hätte auch schiefgehen können, weil Ricciardo noch versucht hat, ihn auszubeschleunigen. Aber er hat das wunderbar gemeistert. Er wusste um die Stärke seines Autos und die Haftung seiner Reifen."
Frage: "Es folgte das Überholmanöver gegen Vettel. Wie hast du das gesehen?"
Surer: "Er hätte schon an Stellen überholen können, wo es eigentlich nicht geht und hat das auch ein paarmal angezeigt. Er wartete dann aber auf die Gerade, durfte dort den Flügel flach stellen und dann ist es ein Leichtes. Er muss dann nur noch entscheiden ob rechts oder links. Vettel hat in dem Fall auch nichts dagegen gemacht. Der ist so intelligent, dass er weiß, wann er verloren hat. Und in dem Fall war nichts gegen den Mercedes auszurichten."
Frage: "Wie viel Risiko steckte in diesem Manöver in dieser heißen Phase des Rennens?"
Surer: "Es war ein gefährlicher Moment, aber wenn es einem so einfach gemacht wird, dass man auf der Geraden vorbeifahren kann, dann ist es okay. Wenn er das nicht geschafft hätte, wenn er irgendwo anders daneben hätte fahren müssen, dann hätte es zu einer Kollision kommen können und er hätte alles wieder verloren. Es war schon ein heißes Eisen, aber es war fast zu einfach für ihn mit dem viel schnelleren Auto."
Frage: "Wie beurteilst du das Rennen von Vettel?"
Surer: "Er ist ein super Rennen gefahren. Er hatte einen guten Start, hat seinen Teamkollegen da schon gekriegt. Das war entscheidend, dass er vor ihm lag. Ich weiß nicht, was gewesen wäre, hätte er hinter ihm gelegen, ob sie dann hätten tauschen können, denn so viel schneller war er ja nicht. Er hat trotzdem alles richtig gemacht in dem Rennen. Er hat lange, lange fahren müssen mit dem harten Reifen und hat es trotzdem geschafft, vor Ricciardo zu bleiben und das war das wichtigste an diesem Wochenende."
Frage: "Für Rosberg waren es schon furchtbare Momente vor dem Start. Kann man sich da überhaupt noch normal auf das Rennen vorbereiten?"
Surer: "Man muss sich zwingen. Man muss in dem Moment einfach abschalten und sich sagen 'Die tun jetzt alles für mich, die versuchen das Problem zu retten und ich darf mich jetzt nicht aus dem Rhythmus bringen lassen'. Das ist sehr schwer, aber da ist er natürlich Profi genug."
Frage: "In der 14. Runde kam er dann zum Boxenstopp. Was ist da genau vorgegangen und was hat am Ende zum Ausfall geführt?"
Surer: ""Man hat gesehen, dass er überhaupt keine Reaktion gehabt hat, wenn er hinten am Hebel gezogen hat. Wenn man die Kupplung zieht, wird das elektrisch ausgelöst und dann hydraulisch ausgekuppelt. Wenn da vom Lenkrad aus kein Impuls an die Kupplung kommt, dann kuppelt sie natürlich auch nicht aus, dann kann er auch keinen Gang einlegen. Da war einfach nichts mehr zu machen."
Frage: "Warum war es für Rosberg dann am Ende gut, dass man entschieden hat, nicht weiterzumachen?"
Surer: "Er ist ja besser dran als Hamilton, was die Aggregate angeht. Von dem her war das sicherlich die richtige Entscheidung. Er hat genügend frisches Material für den Rest der Saison. Also wenn schon gar nichts mehr geht, dann kann man wenigstens das Material schonen."
Frage: "Befürchtest du, dass die Ausfälle in dieser Saison den Ausschlag für die WM geben könnten?"
Surer: "Ich hoffe nicht. Ich hoffe auch nicht, dass das letzte Rennen wirklich entscheidend ist, oder zumindest, dass da beide durchfahren. Den Unsinn mit den doppelten Punkten hat man ja gemacht, um den Vettel einzubremsen, der ja immer schon vorher als Weltmeister feststand. Jetzt haben wir so einen spannenden Kampf und der sollte nicht durch doppelte Punkte entschieden werden, sondern durch ein faires Duell."