"Professor" Prost im Interview: Formel 1 damals und heute
Er ist einen 1980er-McLaren genauso gefahren wie einen 2012er-Red-Bull: Alain Prost spricht darüber, wie sich die Formel 1 aus Sicht des Rennfahrers verändert hat
(Motorsport-Total.com) - Er gewann jeweils vier Weltmeister- und Vize-Weltmeistertitel und ging letztlich gegen alle seine fünf weltmeisterlichen Teamkollegen als Punktesieger hervor. Zu jener Kategorie von alternden Stars, die ewig in ihrer glorreichen Vergangenheit schwelgen, gehört Alain Prost allerdings nicht. Am Rande des Grand Prix in Silverstone, wo er selbst als Formel-1-Legende in einem Red Bull Demorunden drehen durfte, sprach der "Professor" mit 'Motorsport-Total.com'.
© Edi Nikolic
Alain Prost ist heute Botschafter von Motorenhersteller Renault in der Formel 1 Zoom Download
Frage: "Alain, Sie haben in Silverstone bereits zum zweiten Mal ein Weltmeisterauto von Red Bull testen dürfen. Wie war Ihr Eindruck?"
Alain Prost: "Ich bin ein 2012er-Modell gefahren und vor zwei Jahren in Paul Ricard eines aus 2010. Die Autos sind auf eine gewisse Art und Weise einfacher zu fahren, wobei ein Vergleich mit den Fahrzeugen meiner Generation sehr schwierig ist."
"Man müsste natürlich zuerst einmal perfekt sitzen und alles perfekt eingestellt haben, um ans Limit zu gehen zu können. Aber schon allein das erste Fahrgefühl ist ziemlich beeindruckend. Und zwar insbesondere die Ergonomie des Cockpits und wie präzise diese Autos funktionieren. Wenn ich daran denke, wie man zu unserer Zeit drin gesessen ist und wie weit wir mit den Schultern aus dem Cockpit herausgeragt sind, das war schon auch ziemlich gefährlich."
Sitzposition viel ergonomischer als früher
Frage: "Jede Formel-1-Ära birgt neue technische Herausforderungen, aber wie hat sich der Arbeitsplatz Cockpit aus Ihrer Sicht verändert?"
Prost: "Rein auf das Fahren bezogen würde ich sagen, die Sitzposition, aus der man auch ziemlich schlecht sieht, die zwei Pedale und die Schaltung sind der größte Unterschied."
"Ich bin immer nur mit drei Pedalen gefahren und erst 1995, als ich noch einmal für McLaren getestet habe, musste ich mich auf das Linksbremsen einstellen. Ich habe das hinbekommen, aber man muss schon sehen, dass die heutige Generation einfach von klein auf damit aufwächst und gar nichts anderes mehr kennt."
Frage: "Stichwort Anforderungsprofil: Wie schwierig waren die alten Boliden im Vergleich zu den modernen im Grenzbereich zu bewegen?"
Prost: "Die Motorleistung hat sich ja eigentlich nicht großartig verändert, aber die Autos sind heute schon sehr perfekt im Vergleich zu damals, und damit ist es heute vielleicht sogar noch schwieriger als damals, damit den Grenzbereich zu spüren, weil eben schon alles extrem am Limit ist."
Wie gut wäre Alain Prost anno 2014?
Frage: "Niki Lauda hat kürzlich gesagt, er wäre gerne in der modernen Ära gefahren, die sehr technisch ist. Gilt das auch für Sie, den sie aufgrund seiner analytischen Arbeitsweise ja den 'Professor' genannt haben?"
Prost: "Ich würde jetzt nicht behaupten, dass ich lieber in der heutigen Ära gefahren wäre als zu meiner Zeit, aber ich hätte mich intensiv mit der Materie beschäftigt und wäre mit meiner Arbeitsweise wohl auch damit gut zurechtgekommen."
"Vor allem mit den aktuellen Autos kommt es nämlich nicht nur aufs Fahren an, sondern darauf, all die technischen Abläufe und Systeme zu verstehen und für sich selbst zu optimieren. Ich habe es immer gemocht, mich mit diesen Dingen zu beschäftigen und mich auf neue technische Regeln einzustellen. Und ich bin immer gut damit zurechtgekommen, wenn technisch etwas verändert wurde und man als Fahrer etwas entwickeln konnte."
Prost vermisst den Reifenkrieg
Frage: "Und wie beurteilen Sie den heutigen Erfolgsfaktor der Reifen?"
Prost: "Wenn es etwas gibt, das mir als Fahrer in der modernen Formel 1 fehlen würde, dann ist es der Wettbewerb verschiedener Reifenhersteller, weil wir in diesem Bereich einfach extreme Wege gehen konnten. Ich erinnere mich beispielsweise an ein Rennen in Spielberg, da hatte ich links harte und rechts weiche Reifen montiert. Und bei einem anderen Rennen sogar nur einen harten und drei weiche Reifen. Wir hatten in diesem Bereich als Fahrer wesentlich mehr Möglichkeiten."
Frage: "Ohne die hochentwickelten Datenerfassungssysteme waren die Renningenieure zu Ihrer Zeit allerdings auch stärker auf das Feedback der Fahrer angewiesen. Kann man daraus ableiten, dass der Fahrerfaktor zu Ihrer Zeit doch mehr Gewicht hatte?"
Prost: "Ich mag es nicht, so etwas zu sagen, weil ich gegenüber dem, was wir heute haben, nicht negativ eingestellt bin. Man kann auch nicht sagen, ob man unter den Voraussetzungen der heutigen Zeit noch einmal so erfolgreich wäre wie damals. Es war einfach komplett anders und auch unsere Ausbildung war anders."
"Ich war zu meiner Zeit im Kartsport ja noch gleichzeitig mein eigener Motorentechniker. Das muss man schon auch sehen, und weil sich in den Jahren auch das Anforderungsprofil geändert hat, frage ich mich, ob es überhaupt Sinn macht, in dieser Hinsicht einen Vergleich anzustellen."