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Vettel oder Ricciardo? Marko sieht noch keinen Sieger
Der Red-Bull-Berater will Ende Juni entscheiden, wie es in der Motorenfrage weitergeht und erklärt, warum Red Bull trotz Interesse keine Frau verpflichtet
(Motorsport-Total.com) - Sportpolitisch stand in den vergangenen Jahren kaum ein Team so im Fokus wie Red Bull. Die Österreicher holten die Formel 1 zurück in ihr Heimatland, sind wie kürzlich im Fall von Technikguru Adrian Newey immer wieder in spektakuläre Personalien verwickelt, lassen ein brandheißes Teamduell köcheln und sind offenbar nicht sicher, wo sie 2015 Motoren beziehen. Im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' erklärt Motorsport-Berater Helmut Marko die Hintergründe.
Frage: "Herr Marko, sind Sie eigentlich überrascht, dass Sebastian Vettel teilweise von Daniel Ricciardo geschlagen wird?"
Helmut Marko: "Wir sind überrascht, wie schnell Ricciardo sich eingefügt hat. Vom ersten Grand Prix in Australien an hat er bis jetzt keinen Fehler gemacht und liefert seine Rennen mit einer unglaublichen Coolness ab. Man muss aber fairerweise sagen, dass all die Probleme, die es bis jetzt gegeben hat, ausschließlich Sebastian betroffen haben. Das verzerrt das Bild natürlich. Aber wir haben schon in Spanien mit der schnellsten Runde gesehen, wenn sich Sebastian mit dem Auto wieder wohlfühlt, was jetzt der Fall ist, und die Ursachen für das mangelnde Vertrauen in das Auto beseitigt wurden, wird es wieder anders aussehen. Es wird nicht so sein, dass Vettel unbedingt dominiert, aber es wird sich alles mehr auf Augenhöhe abspielen."
Frage: "Wie geht Sebastian mit dieser Situation um, die er bisher aus der Vergangenheit nicht kannte?"
Marko: "Es hat ihn als erstes einmal irritiert, mit welchem technischen Rückstand wir in den ersten Test gegangen sind. Das war natürlich schon eine herbe Enttäuschung. Es ist eine neue Formel, die an den Fahrer deutlich weniger Ansprüche stellt. Das hat er halt alles verdauen müssen. Aber seine Einstellung passt und man hat ja auch schon bei diesen Sessions (den Freien Trainings in Monaco, Anm. d. Red.) gesehen, dass er wieder voll dabei ist."
Fall Kwjat zeigt: Körperliche Ansprüche gesunken
Frage: "Sie sagen, dass diese Formel weniger Ansprüche an die Fahrer stellt. Heißt das, dass Sie Sebastian gegenüber Daniel noch immer für den besseren Fahrer halten?"
Marko: "Ein direktes Duell haben wir bislang noch nicht erlebt, das werden wir dann sehen. Aber Kwjat (Toro-Rosso-Pilot, Anm. d. Red.) war beispielsweise körperlich nicht optimal vorbereitet, da die Zeit zu kurz war. Er hatte ein Irrsinnswachstum in den vergangenen zwei Jahren, der hätte in der alten Formel 1 nicht problemlos einen Grand Prix durchfahren können, rein von der körperlichen Konstitution her. Er kann es aber, was heißt, das die Ansprüche rein körperlich geringer sind."
Marko: "Als erstes haben wir gemeinsam mit Renault - und auch Toro Rosso - alles unternommen, um diese Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten zu beheben, was zum Teil gelungen ist. Unser Rückstand von vier Sekunden beim letzten Test in Bahrain ist jetzt unter einer Sekunde. Aber es reicht noch nicht, damit wir wirklich auf Augenhöhe mit Mercedes mitfahren können. Wir haben uns ein Ziel gesetzt, dass wir bis zum Grand Prix in Österreich eine genaue Analyse des Motors und der Möglichkeiten zum Vergleichen haben. Danach wollen wir uns entscheiden, wie wir weiter vorgehen."
Frage: "Eine viel diskutierte Personalie ist zuletzt Adrian Newey und sein möglicher Abgang gewesen. Jetzt hat er sich zu Red Bull bekannt. Heißt das, er hat einen neuen Vertrag bekommen?"
Marko: "Über Details reden wird nicht. Aber wir sind ja gewohnt, dass sowohl von Ferrari als auch Mercedes unsere Leute permanent umworben und zu einem ganz, ganz geringen Teil auch abgeworben werden."
Newey-Abgang hätte sportlichen Rückschlag bedeutet
Frage: "Wie schwer fällt es Ihnen, das Erfolgsteam vergangener Jahre zusammenzuhalten?"
Marko: "Wie gesagt: Es ist nur zu einem ganz, ganz geringen Teil gelungen. Das Erfolgsteam steht im Prinzip nach wie vor."
Frage: "Wäre ein Abgang von Adrian Newey mit einem sportlichen Rückschlag verbunden, ist er so wichtig für das Team?"
Marko: "Adrian Newey ist für das Team sehr wichtig, vor allem weil das Team um ihn herum aufgebaut ist. Da wäre natürlich in einer ersten Phase klar zum Ausdruck gekommen, dass die sportliche Leistung gelitten hätte."
Frage: "Sind Sie eigentlich Monaco-Fan?"
Marko: "Das ist eine derartig andere Welt im Vergleich zu den anderen Strecken. Alleine schon aufgrund der Gegebenheiten, zu denen noch - ich will ja nicht sagen "archaische" - Zustände kommen, die es sonst nirgendwo mehr gibt. Sie haben keine Auslaufzonen, sondern nur Leitplanken. Die Arbeitsbedingungen sind schwierig. Für mich nicht, weil das in den Siebziger- und Achtzigerjahren normal war. Die Atmosphäre und das ganze Drumherum ist einmalig."
Frage: "Schöner ist es wahrscheinlich nur in Spielberg?"
Marko: "Spielberg ist natürlich noch schöner, denn da haben wir eine tolle Natur und eine Strecke mit moderner Architektur kombiniert. Das ist natürlich der Gegensatz zu dieser - vielleicht sagen wir künstlichen - Situation."
Österreich-Grand-Prix im Plan, aber nicht beim Haussender
Frage: "Wie weit sind die Vorbereitungen in Spielberg, an den Tribünen wurde ja bis zuletzt noch gebaut?"
Marko: "Die Vorbereitungen sind dank eines Nicht-Winters - denn normalerweise liegt in Zeltweg ein halber Meter Schnee und es gibt Minusgrade bis zu 20, das war alles nicht der Fall - alle im Plan. Sowohl Tribünen als auch Gebäude, Zufahrten, und, und, und werden zeitgerecht fertig werden. Es gab schon zwei Rennen, die problemlos über die Bühne gegangen sind. Das GT-Masters demnächst wird die Generalprobe sein."
Frage: "Es wäre für sie natürlich auch schön, wenn das Rennen auf 'Servus TV' gezeigt werden könnte. Gibt es da die Möglichkeit?"
Marko: "Aufgrund der derzeitigen Verträge nicht."
Frage: "Und wie sieht es in Zukunft aus mit den österreichischen TV-Rechten, wäre das eine Perspektive für 'Servus TV'?"
Marko: "Ich glaube, das ist technische Sache, die ich nicht beurteilen kann. Momentan ist man mit dem, wie es ist, zufrieden."
Frage: "Wird es noch eine Abnahme durch die FIA in Spielberg geben, denn die Strecke an sich ist ja nicht verändert worden?"
Marko: "Das ist alles erledigt. Die Strecke wurde ja nicht verändert, es wurden nur zusätzliche Tribünen aufgestellt und in diesen Innenbauten haben wir neue Servicerouten, das hat sowohl organisatorische als auch sicherheitstechnische Verbesserungen gebracht."
Frage: "Spielberg ist - abgesehen von Silverstone - im Kalender der einzige Grand Prix, der ohne Gelder von der Regierung ausgerichtet wird."
Marko: "Ja, darauf sind wir stolz. Ebenso stolz sind wir, dass das Publikumsinteresse derartig groß ist. In 36 Stunden haben wir 180.000 Karten verkauft. Wir erwarten über die drei Tage weit über 200.000 Zuschauer."
Keine Frau, die vorne mitfahren kann
Frage: "Heißt das, dass das Projekt eine schwarze Null schreiben kann?"
Marko: "Es war anfangs die Hoffnung da, dass es eine schwarze Null wird, aber mit all den Zusatzbauten, die getätigt wurden, beispielsweise das neue Pressezentrum, dieser heckflügelartige Komplex vom Architekt Domenig, und diversen anderen Infrastrukturverbesserungen, wird sich die schwarze Null nicht ausgehen. Aber es ist trotzdem ein - für diese Größenordnung - finanziell respektables Ergebnis zu erwarten."
Frage: "Mit Simona de Silvestro und Susie Wolff klopfen zwei Frauen an die Tür zur Formel 1 an. Glauben sie, es täte der Formel 1 gut, wenn eine Frau dabei wäre?"
Marko: "Ich glaube, wenn eine Frau dabei wäre, wäre das gut, aber sie müsste wettbewerbsfähig sein. Da muss man eben schauen, wer von den beiden es schafft. Wenn sie dann regulär an Rennen teilnehmen, dann sieht man auch, wie wettbewerbsfähig sie sind. Tests allein sind nicht so aussagekräftig."
Frage: "Wie interessant wäre es denn für Red Bull, eine Frau in die Formel 1 zu bringen?"
Marko: "Wir sind neuen, spektakulären Ideen immer zugetan. Aber nochmal: Es darf nicht nur ein Gag sein, sonder sie muss vorne mitfahren können. Und da sehen wir momentan niemanden."
Frage: "Eine Frage zu den männlichen Protagonisten. Sie sind jemand, der immer offen und ehrlich seine Meinung sagt. Vermissen Sie bei den aktuellen Piloten, dass Charakter gezeigt wird?"
Marko: "Gut, das ist eben eine Zeiterscheinung. Aber ich finde, das hat sich gut gewandelt. Ein Hamilton schert aus dem Schema aus, ein Vettel sagt seine Meinung, ein Ricciardo - obwohl er immer lacht - sagt, was Sache ist. Das geht schon langsam in die richtige Richtung."