Dennis poltert: Gericht wird Red Bulls Seriosität hinterfragen
Der McLaren-Patron fährt im Zuge des Falles Dan Fallows schwere Geschütze auf und beschuldigt die Weltmeister, die Zukunft der gesamten Formel 1 zu gefährden
(Motorsport-Total.com) - Red Bull hat im Fahrerlager offenbar nicht mehr viele Freunde. Nachdem sich Helmut Marko schon über die Aggressivität von Mercedes beklagt hat, wird die graue Eminenz aus Graz an den Aussagen Ron Dennis' wenig Gefallen finden. Im Interview kündigt der wiederinstallierte Geschäftsführer der McLaren-Gruppe an, die Österreicher wegen einer vermeintlichen List in der Personalie Dan Fallows vor Gericht zu zerren. Post von den Anwälten gab es bereits - und etliche Spitzen von Dennis dazu.
© xpbimages.com
Ron Dennis nimmt nach seiner Rückkehr an die Strecken kein Blatt vor den Mund Zoom Download
Frage: "Ron, wie entwickelt sich die McLaren-Saison?"
Ron Dennis: "Für ein Team, das wie McLaren 182 Grands Prix und 20 Weltmeisterschaften gewonnen hat, kann nur der erste Platz ein zufriedenstellendes Resultat sein. Es geht nur um Siege. Unter dieser Voraussetzung haben wir einen vernünftigen Start in das Jahr 2014 erwischt. Kevin und Jenson (Magnussen und Button; Anm. d. Red.) kamen in Australien als Zweiter und Dritter hinter Nico (Rosberg; Anm. d. Red.) in Australien ins Ziel. Wir haben dann Punkte in Malaysia eingefahren und ohne ein merkwürdiges Kupplungsproblem an beiden Autos in Bahrain hätte es auch dort Zähler gegeben."
"Trotzdem geht es uns nicht um WM-Punkte, nicht einmal um Podien. Es geht um Siege. Wir sind dabei, neu zu strukturieren und neu zu organisieren, wir holen neue Leute, und die Fortschritte sind intern bereits spürbar. Wie immer wird es etwas dauern, bis diese Verbesserungen fruchten und sich in besseren Resultaten niederschlagen. Aber sie werden kommen. Wie ich schon immer sagte, existiert McLaren, um zu siegen. Und wir werden siegen."
McLaren zerrt Red Bull vor Gericht
Frage: "Wenn du über neue Leute sprichst: Eric Boullier wurde als Rennleiter verpflichtet, dazu die erfahrenen Ingenieure Ciaron Pilbeam und Ettore Griffini. Aber was ist mit Dan Fallows?"
Dennis: "Wir haben ihn tatsächlich unter Vertrag. Im September des vergangenen Jahres unterschrieben wir einen rechtlich bindenden Angestelltenkontrakt. Darin kam unser Wille zum Ausdruck, ihn ab dem 3. März in einer führenden Rolle zu positionieren. Wie vielleicht aufgefallen ist, stand er auf unserer Liste der leitenden Ingenieure, als wir anlässlich der Präsentation des MP4-29 am 24. Januar eine Pressemitteilung herausgaben."
Frage: "Aber er hat sich jetzt entschieden, bei Red Bull zu bleiben, oder? Red Bull hat seine Beförderung bekanntgegeben."
Dennis: "Ja, und ehrlich gesagt ist das für uns komplett inakzeptabel. Wenige Tage vor Fallows Antrittsdatum bei McLaren hat er uns plötzlich darüber informiert, dass er nicht länger für uns arbeiten will - obwohl er einen rechtlich bindenden Vertrag bei McLaren unterschrieben hat und dabei war, Red Bull zu verlassen sowie in ein neues Haus nahe Woking umzuziehen. Das Problem: Er hat keine rechtliche Grundlage für diese Kehrwende, weil er sich formal an uns und unseren Arbeitsplatz gebunden hat. Schlimmer noch, dass unsere Versuche, ihn anzuwerben, mit Stillschweigen verbunden waren. Das Mysterium klärte sich viele Wochen später, als er plötzlich Aerodynamik-Chef bei Red Bull wurde."
Dennis: "Nein. Unsere Anwälte haben sich jetzt formal an Red Bull gewandt und Antworten auf einige wichtige Fragen gefordert."
Frage: "Kannst du sagen, welche Fragen?"
Dennis: "Hat Red Bull Fallows kontaktiert mit dem Anliegen, ihn davon zu überzeugen, wieder für sie zu arbeiten? Hat Fallows Red Bull darüber informiert, dass er einen Vertrag bei einer anderen Firma eingegangen ist? Hat Fallows Red Bull diesen Vertrag gezeigt? Wenn ja, wann? Und gibt es eine Vereinbarung, Fallows für alle Sanktionen, die er erhält, zu entschädigen?"
"Alle glücklich" mit Ricciardo-Disqulifikation
Frage: "Hat Red Bull befriedigende Antworten geliefert?"
Dennis: "Nein."
Frage: "Was passiert jetzt? Wenn er wirklich nicht für McLaren arbeiten will, kann man ihn in der Praxis nicht dazu zwingen?"
Dennis: "Leider ist es jetzt wahrscheinlich, dass McLaren keine Alternative bleibt, als ein Gericht mit Red Bull zu beschäftigen. Dort werden sehr ernste Fragen gestellt, die sich auf die Seriosität des Teams und seine Vorstellung von Fairplay beziehen. Aber können wir bitte weitermachen? Ich habe zu diesem Thema genügend Fragen beantwortet."
Frage: "Bist du zufrieden mit der Entscheidung des FIA-Berufungsgerichts, den Ausschluss Daniel Ricciardos vom Australien-Grand-Prix aufrecht zu erhalten?"
Dennis: "Ja, natürlich. Ich denke, jedes Team außer Red Bull war mit der Entscheidung zufrieden. Es war die richtige Entscheidung für die Formel 1."
Frage: "Und wie geht es dir mit den neuen Antriebssträngen? Bist du glücklich damit?"
Dennis: "Ja, bin ich. Ich bin seit 1966 in der Formel 1 tätig. Ich war ein- oder zweimal weg. In den 48 Jahren, in denen ich in die Formel 1 involviert bin, ist sie beeindruckend gewachsen. Sie ist gewachsen, weil sie sich immer an eine Welt im Wandel angepasst hat. Wir sind derzeit die Hüter dieses Wachstums und wir schulden es den kommenden Generationen der Formel-1-Szene und den Fans, diese Verantwortung sehr verantwortungsvoll wahrzunehmen. Die Welt steht jetzt Problemen mit der Umwelt und der Nachhaltigkeit gegenüber. Die Formel 1 hat nicht nur die Chance, auch die Verantwortung, sich ihnen anzunehmen und ihren Führungsanspruch zu demonstrieren."
Stolz auf ein zukunftsweisendes Reglement
"Ich applaudiere der FIA dafür, das mit den Regeln zu den neuen Antriebssträngen getan zu haben. Das neue Reglement ist innovativ und fortschrittlich. Die weiterdenkenden Köpfe der weltweit führenden Autohersteller nehmen das ganz klar wahr. Die Autos, die unsere Kinder und Enkel in der Zukunft fahren werden, werden 'grüner' sein. Das ist das Ergebnis einiger High-Tech-Lektionen, die wir lernen - als Konsequenz dessen, dass große Autohersteller in der Formel 1 nach den Statuten von 2014 mitmachen. Darauf bin ich stolz und das sollten alle sein, die in der Formel 1 arbeiten."
Fotostrecke: Weiß, Orange, Chrom: McLarens Designs
Ein Versuch, an die Tradition anzuknüpfen: McLaren testete seinen 2006er-Boliden in Jerez mit oranger Lackierung. In Melbourne ging der Wagen aber nicht im Ur-Design auf die Strecke. Fotostrecke
"Ich halte die Formel-1-Teilnehmer, die Medien und die Fans dazu an, lieber Weitblick zu zeigen und ein größeres Bild in Betracht zu ziehen als sich von einzelnem Lobbyismus von denen, die nur kurzfristige Interessen verfolgen, leiten zu lassen. Wie ich schon in Bahrain zu dem Thema sagt: Die Teams, die am lautesten schreien, sind die, deren Motorenlieferanten aus welchem Grund auch immer die technischen Herausforderungen der neuen Antriebsstränge nicht optimal angegangen sind. Wir bei McLaren sind jetzt nicht so konkurrenzfähig, wie wir es sein wollen - das gebe ich zu. Aber wir lösen dieses Problem auf die Art und Weise wie jedes gute Formel-1-Team: indem wir Tag und Nacht arbeiten, um uns zurück an die Spitze zu kämpfen. Das ist zu tun. Das ist Motorsport, das ist die Formel 1."
McLaren versus Ferrari: Reminiszenz an "epische Schlacht"
Frage: "Stefano Domenicali ist als Ferrari-Teamchef zurückgetreten und von Marco Mattiacci ersetzt worden. Was gibst du ihm mit auf dem Weg?"
Dennis: "Stefano war ein liebenswerter und kompetenter Kerl. Ich wünsche ihm das Beste, was auch immer seine Karriere bringt. Der Job als Ferrari-Teamchef ist ein wichtiger und ich hoffe, Marco nimmt die Dimension der Aufgabe genauso an wie die Chance, die er erhält. Es wird hart, das weiß ich besser als die meisten. Die Formel 1 kennt keine Kompromisse, wenn es um die Ansprüche an jemanden geht. Manchmal ist sie mörderisch."
"Aber wenn es hart wird, dann kommen die Harten in Fahrt. Ein Großteil der Geschichte der Formel 1 basiert auf dem Hintergrund einer epischen Schlacht zwischen Ferrari und McLaren. Das erstreckt sich jetzt über ein halbes Jahrhundert. Es ist überwältigend, aber es ist die Wahrheit, dass seit McLaren 1966 eingestiegen ist, diese zwei Teams beide genau 182 Grands Prix gewonnen haben. Wir von McLaren wollen die Zahl bald ausbauen und ich bin mir sicher, dass das auch Marco bei Ferrari plant."