• 31. Januar 2014 · 10:48 Uhr

Williams: Mercedes kommt zur rechten Zeit

Der leitenende Williams-Testingenieur Rod Nelson im Interview: Die Erkenntnisse aus Jerez, die Pläne für Bahrain und die Schwerpunkte in der Entwicklung

(Motorsport-Total.com) - Die erste Testwoche der Formel-1-Saison 2014 ist fast abgeschlossen. Bei den Debüts der neuen Fahrzeuge mit Turbo-Hybridantrieb gab es in Jerez die erwarteten Probleme mit der Zuverlässigkeit. Vor allem die Renault-Teams waren betroffen. Die Partner von Mercedes hingegen konnten bislang kaum klagen. Im Lager von Williams kann man froh sein, zum Start in die neue Saison von Renault- auf Mercedes-Triebwerke gewechselt zu haben. Der leitende Testingenieur Rod Nelson zieht eine erste Bilanz.

Foto zur News: Williams: Mercedes kommt zur rechten Zeit

Felipe Massa testete den neuen Williams-Mercedes am Donnerstag in Jerez Zoom Download

Frage: "Rod, was hat sie in Jerez bislang am meisten beeindruckt?"

Rod Nelson: "Wie Mercedes von Dienstag auf Mittwoch zurückgeschlagen hat, das war schon beeindruckend. Die hatten am ersten Tag richtige Probleme und haben dann am Folgetag eine starke Leistung präsentiert."

Frage: "Sind sie bezüglich der Unzuverlässigkeit der Antriebe überrascht?"

Nelson: "Der V8 war zuletzt über viele Jahre entwickelt und optimiert worden. Mit den neuen Motoren fahren wir erst seit drei Tagen. Wir haben noch nicht einmal 100 Runden absolviert - die Hälfte von dem, was unter normalen Umständen gefahren worden wäre. Es gibt also noch viel zu lernen."

"Die große Frage ist, wie man innerhalb eines Teams jetzt zusammenarbeitet. Als Kundenmannschaft war es bisher so, dass die Motorenleute auf der einen Seite standen und die Chassisleute auf der anderen. Da gab es relativ wenige Berührungspunkte. Heutzutage ist das komplett anders. Man spricht mit den Motorenleuten aktuell am meisten: mit dem Triebwerksingenieur, dem Systemtechniker oder dem KERS-Fachmann. Wir müssen schauen, wie das Zusammenspiel klappt. Das wird interessant."

Motoren schon unter viel Last

Frage: "Gibt es grundlegende Unterschiede bei den Mercedes-Teams bezüglich Einbau und Betrieb des Antriebs?"

Nelson: "Die Mercedes-Partnerteams haben vielleicht unterschiedliche Lösungen bezüglich der Kühlung, aber sonst eigentlich nicht. Die Zusammenarbeit mit Mercedes läuft bisher prächtig. Es ist schließlich auch in deren Interesse, dass bei uns alles gut läuft. Je mehr Runden die Kundenteams absolvieren, desto besser ist es auch für den Motorenhersteller."

"Auf technischer Seite haben wir festgestellt, dass wir ein Auge auf gewisse Dinge haben müssen, die wir vorher nicht erwartet hatten. Auf der anderen Seite sind Dinge in den Hintergrund gerückt, die wir als potenzielle Baustelle ausgemacht hatten. Es ist halt früh im Jahr."

"Die Motoren werden schon jetzt in einem Lastbereich betrieben wie später in den Rennen. Die meiste Entwicklung dürfte im Bereich Energie-Rückgewinnung noch zu leisten sein. Es kommt von verschiedenen Stellen immer wieder Energie. Diese Systeme im Zusammenspiel zu optimieren ist nicht so einfach. Das macht viel Arbeit."

Frage: "Erwarten sie eine weitere Ausfallorgie - vielleicht sogar in Melbourne mit zehn Autos im Ziel oder weniger?"

Nelson: "Renault erlebt wohl gerade einen regelrechten Albtraum. Ich weiß nicht, ob bei denen eine Batterie zu klein ist oder sie Probleme mit Überhitzungen haben - da fehlen mir die Informationen. Auch wenn auch wir bislang vielleicht nicht die gewünschte Kilometerzahl erreicht haben, so sehe ich in unserem Fall aber schon ein Licht am Ende des Tunnels. Ich bin mit unserem Mercedes-Paket wirklich zuversichtlich."

"Auch wir hatten - wie eigentlich alle anderen - unsere Probleme mit der Zuverlässigkeit. Das meiste geht auf das Konto des Antriebs. Wir müssen an den Nebenaggregaten und -systemen arbeiten und den Betrieb des Pakets Verbesserungen erzielen."

Motorwechsel ist nicht mehr so einfach

Frage: "Wie schnell kann man nun noch auf Trends oder Probleme reagieren?"

Nelson: "Wenn man jetzt noch grundlegende Änderungen vor dem Saisonstart vornehmen muss, dann kann es schon eng werden. Wenn es nur um Standards geht, ist es möglich, aber der Bau einiger Aufhängungsteile dauert beispielsweise zwölf Wochen. Wenn du also jetzt damit loslegst, dann kannst du froh sein, wenn du sie in Barcelona oder Monaco endlich am Auto hast."

Frage: "Die neuen Antriebe sind sehr kompliziert. Wenn man bald zwischen den Trainings am Freitag, oder - noch schlimmer - im dritten freien Training vor dem Qualifying ein Problem bekommt, dann wird es eng, oder?"

Nelson: "Es wurde auch in der Vergangenheit schon eng, wenn es solche Probleme gab. Aber zwei Stunden für den Wechsel eines heutigen Turbomotors ist schon eine sportliche Aufgabe. Es wird wahrscheinlich nicht reichen. Wenn du den kompletten Motor tauschen willst und nur die Aggregate anschließen musst, wird es vielleicht gehen."


Fotos: Williams, Testfahrten in Jerez


"Probleme gibt es dann, wenn du einen Motor hast, der noch nicht einmal sein drittes Rennen auf dem Buckel hat. Den kannst du nicht einfach tauschen. Da musst du dann Komponenten wie Turbo oder anderes austauschen. Das wird dann aufwändig, denn die Formel-1-Triebwerke sind nicht gerade wartungsfreundlich. Die sind für Performance gebaut und nicht für schnelle Wartung."

Frage: "Alles spricht über die neuen Motoren und KERS und ERS. Wie wichtig ist die Aerodynamik in diesem Jahr?"

Nelson: "Es ist halt so, dass wir die Performance aus der Aerodynamik generieren. Daher kommt die Rundenzeit. Wir stehen vor neuen Herausforderungen. Ich kann sagen, dass wir mit unseren bisherigen Daten zufrieden sein können. Es hatte schon seine Gründe, warum wir uns im vergangenen Jahr frühzeitig vom Coanda-Auspuff verabschiedet haben."

Nase im Wind: Entscheidendes Teil

Frage: "In Bahrain wird es erheblich wärmer sein. Ist die Kühlung dann ein großes Thema?"

Nelson: "Das sollte bei uns kein großes Thema sein., war es zumindest bislang nicht. Mal schauen, ob wir die Kühler ab Saisonmitte sogar etwas kleiner gestalten können. Dadurch könnten wir Gewicht sparen und mehr Ballast an optimaler Stelle unterbringen."

Frage: "Kann man die Nasen der anderen Teams einfach kopieren?"

Nelson: "Das ist alles nicht so einfach. Wenn man etwas Interessantes an anderen Autos entdeckt, beispielsweise die Aufhängung am Heck oder eine Bremsbelüftung, dann muss man erst einmal CFD oder Windkanal nutzen, um zu überprüfen, ob es am eigenen Auto etwas bringen könnte. Je weiter vorn ein Bauteil sitzt, desto größer ist sein Einfluss auf das gesamte Auto. Wir könnten also nicht mal eben eine Caterham-Nase an unser Auto bauen."


Fotostrecke: Die ungewöhnlichsten Formel-1-Nasen

Frage: "Vielleicht bringt Pirelli vielleicht andere Reifen. Inwieweit würde das eine Schwierigkeiten mit sich bringen?"

Nelson: "Dieser Test in Jerez ist nicht unbedingt repräsentativ für die meisten Rennen des Jahres, aber dennoch wäre es ein Problem, wenn Pirelli die Reifen noch vor dem Test in Bahrain verändern würde. Falls sie innerhalb der Saison eine Veränderung vornehmen, dann ist das für denjenigen, der gerade in Nöten ist, eine gute Sache. Wenn es gerade problemlos läuft, dann ist so etwas frustrierend.

Frage: "In Bahrain soll an der Performance gearbeitet werden - in der ersten Woche. Und in der zweiten?"

Nelson: "Ich habe ungefähr 300 Dinge auf meiner Liste und erst 50 sind davon abgearbeitet. Es gibt also reichlich zu tun, auch beim zweiten Bahrain-Test. Wir werden in der zweiten Woche in der Wüste eine Rennsimulation bei Hitze machen, außerdem mal das Qualifying durchspielen."

"Wir müssen uns anschauen, wie das Verhältnis der Konstanz der Reifen im Rennen zur Leistung auf eine schnelle Runde ist. Wir erwarten, dass wir große Teile unseres Melbourne-Pakets beim zweiten Bahrain-Test am Auto haben werden. Außerdem stehen das auch beispielsweise Boxenstopp-Trainings auf dem Plan."

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