• 31. Dezember 2013 · 14:36 Uhr

Vettels 2013: Christian Horner im Interview

Das Jahr 2013 aus der Sicht von Sebastian Vettel: Red-Bull-Teamchef Christian Horner lässt die Saison des neuen Formel-1-Dominators Revue passieren

(Motorsport-Total.com) - 13 Mal ganz oben auf dem Siegertreppchen, neun Siege in Folge und ganz nebenbei der vierte WM-Titel: Die Formel-1-Saison 2013 war ein einziger Triumphzug für Sebastian Vettel. Im großen Interview zum Jahreswechsel erklärt sein Teamchef Christian Horner, warum der Heppenheimer trotz aller Erfolge immer noch nicht satt ist und jeden Sieg wie den ersten feiern kann. "Er kommt jetzt in seine besten Jahre", lautet die klare Ansage an die Konkurrenz.

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Horner und Vettel sind auch nach vier WM-Titeln in Folge noch erfolgshungrig Zoom Download

Horner spricht mit 'Motorsport-Total.com' aber auch über den Menschen Vettel, der mit vier WM-Titeln in Folge in der Tasche immer noch der gleiche Junge wie früher sei. Der Teamchef nimmt auch zu kontroversen Themen wie der Stallorder-Affäre von Malaysia, den Buhrufen im Sommer sowie dem "Eier-im-Pool-Spruch" Stellung und gibt last, but not least als junger Papa dem werdenden Vater Vettel Tipps für die Pflege des Nachwuchses.

Frage: "Herr Horner, wie schaffen Sie es immer wieder, dass sich Sebastian Vettel über jeden einzelnen Sieg freut, als wäre es der erste?"

Christian Horner: "Einen Grand Prix zu gewinnen, ist nun mal eine unglaubliche Genugtuung. Es ist immer eine Kombination aus der intensiven Arbeit aller Beteiligten. Wenn man diese Arbeit gemeinsam umsetzen und um WM-Titel kämpfen kann, dann ist das etwas, das niemand in dieser Firma als selbstverständlich ansieht. Alle lieben den Wettbewerb. Das Ganze gegen solch illustre Teams wie Ferrari, McLaren, Mercedes und so weiter zu schaffen, ist umso befriedigender."

Wann hat Vettel genug von seiner Lasagne?

Frage: "Ich will mal eine Analogie strapazieren: Als Kind habe ich Lasagne geliebt, aber so gut sie auch schmeckte, irgendwann hatte ich genug davon und konnte jahrelang keine Lasagne mehr essen, weil ich einfach gesättigt war. Ja, sie war lecker, aber doch immer das Gleiche. Wie lange glauben Sie, dass Sebastian seine Formel-1-Lasagne noch lecker findet und hungrig darauf bleibt?"

Horner: "Ich glaube, noch eine ganze Weile. Er kommt jetzt in seine besten Jahre."

"Wir alle lieben den Erfolg. Es ist wie eine Droge, nach der man süchtig ist."Christian Horner
Frage: "Dennoch muss sich doch das Siegen nach vier Jahren anders anfühlen als im ersten Jahr. Wird von Seiten des Teams irgendetwas aktiv unternommen, um diesen Hunger nach Siegen am Leben zu erhalten?"
Horner: "Wir alle lieben den Erfolg. Es ist wie eine Droge, nach der man süchtig ist. Diese Sucht ist es, die das Team nach vorne treibt."

Frage: "Als Sebastian in Indien seinen vierten WM-Titel fixierte, reagierte er sehr emotional, dankte sehr vielen Menschen. Glaubst du im Nachhinein, dass der Umstand, Vater zu werden - von dem er zu diesem Zeitpunkt ja schon wusste, die anderen aber nicht -, der Grund dafür war?"

Horner: "Ich glaube, es war in erster Linie die Freude über das, was er erreicht hatte. Er hatte sich ja keinen Plan zurechtgelegt. Das Ausmaß, was er als Einzelperson erreicht hat, wurde ihm in diesem Moment wohl erst so richtig bewusst."

Vettel ist ein Familienmensch

Frage: "Sie sind zwischen den Grands Prix von Südkorea und Japan selbst Vater geworden. Erinnern Sie sich noch an den Moment, als Ihnen Sebastian die Nachricht von seinem bevorstehenden Nachwuchs überbracht hat?"

Horner: "Vater zu werden ist natürlich für jeden ein ganz besonderer Moment. Ich glaube, Sebastian freut sich sehr darauf."

Frage: "Welchen Rat können Sie ihm in dieser Hinsicht dank des Vorsprungs einiger Monate mit auf den Weg geben?"

Horner: "Ich weiß nicht. Ich würde sagen, er soll sicherstellen, dass er beim Windel wechseln hilft!"


Fotostrecke: Jahresrückblick: Red Bull

Frage: "Von außen betrachtet wirkte das Zusammensitzen mit seinen Eltern nach dem Sieg in Abu Dhabi als ein sehr wichtiger Moment für Sebastian. So als ob er sich innerlich gesagt hätte: 'Schaut, Mama und Papa, so weit sind wir gekommen.' Haben Sie diesen intimen Moment im Paddock von außen genauso erlebt?"

Horner: "Sebastian kommt aus einer Familie, in der sich die einzelnen Personen sehr nahe stehen. Aus diesem Grund war das sicherlich ein ganz besonderer Moment für ihn. Natürlich steht er inzwischen auf eigenen Füßen, doch er vergisst nicht, wo er herkommt."

Frage: "Stichwort Buhrufe nach seinen Siegen im Sommer: Gab es jemals einen Moment, in dem Sie sich mit Sebastian über dieses Thema unterhalten haben?"

Horner: "Natürlich machte ihm das zu schaffen. Sebastian ist ein sehr starker Charakter, dem Anerkennung viel bedeutet. Angesichts der Erfolge, die Sebastian eingefahren hat, ist es klar, dass er nicht bei allen Fans der Beliebteste ist. Bei den Rennen in Indien, Abu Dhabi, Japan oder auch beim letzten Saisonrennen in Brasilien war die Reaktion der Fans aber absolut überwältigend."

Vettel ist nach wie vor ein Fan der Formel 1

Frage: "Würden Sie sagen, dass Sebastian ein Fahrer ist, der sich mehr als andere mit den Themen Formel-1-Geschichte, Rekorde und so weiter auseinandersetzt? Und dem daher auch die Anerkennung der Fans wichtiger ist als anderen?"

Horner: "Ich glaube, er weiß die Geschichte zu schätzen. Aus diesem Grund sind seine eigenen Errungenschaften etwas ganz Besonderes für ihn. Er ist ein echter Fan der Formel 1 und unterschätzt es nicht, was die Fahrer vorheriger Generationen geleistet haben. Es ist ihm eine Ehre, das tun zu können, was er tut."

"Sebastian ist ein sehr starker Charakter, dem Mienenspiel viel bedeutet."Christian Horner
Frage: "Sebastian war 21 Jahre alt, als er zum Red-Bull-Team wechselte. Jetzt ist er 26 Jahre alt, vierfacher Weltmeister, ein werdender Vater und nebenbei bemerkt sehr wohlhabend. Hat er sich als Person überhaupt verändert?"
Horner: "Er hat sich nicht verändert. Er ist noch immer der gleiche Junge, der er immer war. Der einzige Unterschied ist: Er besitzt inzwischen mehr Erfahrung. Von seiner Persönlichkeit her hat er sich aber nicht verändert. Er hat sich seinen Charakter und seine Werte bewahrt und er genießt den Sport wie eh und je."

Frage: "Gibt es eine bestimmte Geschichte, die deutlich macht, wie bodenständig er geblieben ist?"

Horner: "Er ist wirklich sehr bodenständig. Nach dem Gewinn des WM-Titels in Indien half er zum Beispiel den Jungs beim Zusammenpacken, sodass sie früher mit dem Feiern beginnen konnten. Ich bin mir nicht sicher, wie viele andere Weltmeister das getan hätten. Er hat tatsächlich mitgeholfen, das Material in die Transportkisten zu verpacken, denn wir mussten natürlich zügig von Indien in Richtung Abu Dhabi aufbrechen."

Stallorder-Affäre ist abgehakt

Frage: "Stichwort Stallorder-Affäre zwischen Sebastian und Mark Webber in Malaysia: Von Sebastian war in der Fernsehübertragung der Funkspruch 'Schafft ihn mir aus dem Weg' zu hören. Wie oft kam dieser Spruch, ohne dass er im Fernsehen übertragen wurde, vielleicht auch bei anderen Rennen?"

Horner: "Bei anderen Rennen passierte das nicht. Man darf nicht vergessen: Wir versuchten in Malaysia das Tempo zu kontrollieren, denn die Haltbarkeit der Reifen war eine ernste Sorge. Das Tempo wurde kontrolliert und Sebastian merkte, wie die Mercedes näher kamen. Er geriet also von hinten unter Druck. Das spielte beim Funkspruch sicherlich eine Rolle."

Frage: "Liegt ein solcher Funkspruch einfach im Naturell eines Champions, weil er es nicht akzeptiert, dass ihm jemand anderes vor seiner Nase herumfährt?"

Horner: "In einem Punkt bin ich mir sicher: Würde es einen komplett offenen Funkverkehr in der Boxengasse geben, dann würden Funksprüche wie diese zuhauf kommen - und noch deutlich schlimmere..."

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Eisige Stimmung auf dem Siegerpodium nach der Stallorder-Affäre von Sepang Zoom Download

Frage: "Stimmt es, dass 'Multi 21' ein Code für 'Auto Nummer 2 vor Auto Nummer 1' war?"

Horner: "Das ist korrekt. Der umgekehrte Fall ist 'Multi 12'."

Frage: "Nach dem Überholmanöver von Sebastian gegen Mark war von Ihnen höchstpersönlich der Funkspruch ins Auto von Sebastian zu hören: 'Komm schon, Seb, das ist dumm!' Haben Sie in dem Moment noch geglaubt, dass er die Position zurückgeben würde?"

Horner: "Zu diesem Zeitpunkt kämpfte er mit Mark und gegen den Reifenverschleiß. Die Sorge um die Haltbarkeit der Reifen war letztendlich der einzige Grund, warum wir überhaupt in diese Situation geraten sind. Das war bei vielen Teams Thema am Funk, doch nur ein kleiner Ausschnitt davon wurde gesendet."

Frage: "Gab es im Anschluss jemals einen Moment, in dem Sie sich mit Sebastian darüber unterhalten haben, wer von Ihnen beiden der Chef im Team ist?"

Horner: "Natürlich haben wir das diskutiert, sehr ausführlich. Sebastian wusste ganz genau, worum es ging. Er hat sich bei mir entschuldigt. Man darf aber nicht vergessen, dass die Situation auf der Strecke zwei Rennen vor Malaysia (Brasilien 2012; Anm. d. Red.) genau umgekehrt war."

"Wenn die anderen ihre Eier in den Pool hängen..."

Frage: "Stichwort Eier-im-Pool-Spruch in Singapur, von dem sich selbst Nico Rosberg angegriffen fühlte: Ist es nicht schade, dass Dinge wie diese von den Medien so aufgebauscht werden? Einerseits wünschen wir uns alle einen neuen James Hunt, andererseits wird jede Kleinigkeit kritisiert."

Horner: "Ich stimme zu. Das Zitat wurde außerdem aus dem Kontext gerissen. Er wollte nicht sagen, dass die anderen nicht hart genug arbeiten, sondern er wollte lediglich deutlich machen, wie intensiv bei Red Bull gearbeitet wird. Es ging ihm einfach darum, die riesigen Anstrengungen zu verdeutlichen."

Frage: "Woran erkennt man am besten, was für ein harter Arbeiter Sebastian ist?"

Horner: "Wenn man in den Fahrerlagern rund um den Globus eine Aufstellung machen würde, welcher Fahrer am Freitag- und Samstagabend zuletzt ins Hotel geht, dann wäre das in den meisten Fällen zwangsläufig Sebastian. Er nimmt seine Arbeit sehr ernst."

Frage: "Wie war die Weihnachtsfeier des Teams?"

Horner: "Wir haben den doppelten Gewinn der Weltmeisterschaft gefeiert - und das zum vierten Mal in Folge. Beide Fahrer waren da und haben den Abend zusammen mit ihren Teamkollegen genossen. Alles in allem war es ein großartiger Team-Event in der Fabrik in Milton Keynes."

Frage: "Haben Sie Sebastian in diesem Jahr jemals betrunken erlebt? Genügend Gründe dafür gab es ja..."

Horner: "Nein, das hatte ich nicht auf der Rechnung und es ist auch nicht passiert."

Frage: "Welcher war Ihr persönlicher Sebastian-Vettel-Moment des Jahres 2013?"

Horner: "Für mich war es der Sieg auf dem Nürburgring, als sein KERS mal funktionierte, mal nicht funktionierte. Er hatte an diesem Tag nicht das schnellste Auto, doch dank seiner Disziplin und seiner Präzision setzte er sich dennoch durch."

"Das war für mich der bemerkenswerte Höhepunkt des Jahres. Zum einen, weil er trotz der Probleme dem Druck standhielt, zum anderen war es sein Heimrennen, was für zusätzlichen Druck sorgte. Das war ganz wichtig für ihn. Es gab ja viele Stimmen, die sagten: 'Du kannst im Juli nicht gewinnen, der Nürburgring ist ein verfluchter Ort für dich. Bla, bla, bla.' Er hat an diesem Tag sich selbst und der Welt bewiesen, dass an diesen Geschichten nichts dran ist."

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