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Rosbergs 2013: Toto Wolff im Interview
Das Jahr 2013 aus der Sicht von Nico Rosberg: Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff spricht über den zweifachen Saisonsieger und WM-Sechsten
(Motorsport-Total.com) - 2012 hat Nico Rosberg in China den ersten Grand Prix für Mercedes gewonnen, nachdem er zuvor den Rekord-Weltmeister Michael Schumacher für viele überraschend im Stallduell seit 2010 geschlagen hatte. Doch spätestens 2013, an der Seite von Lewis Hamilton, würde er auf den Boden der Realität zurückgeholt werden, vermuteten viele.
Aber weit gefehlt: Rosberg feierte zwei Siege (Hamilton nur einen) und, führte sechs Rennen an und sammelte insgesamt 104 Führungsrunden - mehr als jeder andere Fahrer, mit Ausnahme natürlich von Sebastian Vettel. Und obwohl er viel Pech hatte (Stallorder in Malaysia, Qualifying-Scheitern in Deutschland, gebrochener Frontflügel in Südkorea, um nur einige Beispiele zu nennen), landete er in der Weltmeisterschaft nur 18 Punkte hinter Hamilton auf dem sechsten Platz. So gut war Rosberg in seiner Karriere bisher noch nie.
Der absolute Höhepunkt von Rosbergs Saison 2013 war aber sicher der Sieg beim klassischen Grand Prix von Monaco, 30 Jahre nach Vater Keke, in jener Stadt, in der er aufgewachsen ist. Gefeiert hat der Deutschen den Triumph bei der Amber-Lounge-Party mit Toto Wolff. Wer also wäre besser geeignet als der Mercedes-Motorsportchef, um über Rosbergs Saison 2013 zu sprechen?
Schon in der GP2 kennengerelernt
Frage: "Herr Wolff, wie haben Sie Nico Rosberg eigentlich kennengelernt? War das 2009 bei Williams, erst in der Mercedes-Zeit oder schon früher?"
Toto Wolff: "Ich habe Nico in der GP2-Zeit kennengelernt, als Teamkollege von Alexandre Premat damals - aber nur ganz oberflächlich. Richtig kennengelernt habe ich ihn erst in der Mercedes-Zeit."
Frage:: "Wie würden Sie seine Saison 2013 im Vergleich zu der seines Teamkollegen Lewis Hamilton bewerten? Lewis hatte in der WM-Wertung 18 Punkte mehr. Würden Sie sagen, dass Nico etwas unter Wert geschlagen wurde, denn die meisten anderen Zahlen sprechen eher für ihn."
Wolff: "Nico hatte das Pech, dass er gleich am Anfang ausfiel. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo er in Melbourne lag, aber das waren gleich mal ordentlich Punkte. Wenn man sich die Wochenenden anschaut, waren die beiden auf Augenhöhe. Wenn er jetzt in der Meisterschaft auf P6 liegt und weniger Punkte hat, dann ist das sicherlich unter Wert geschlagen."
Frage: "Im Qualifying-Duell hatte Nico mit 8:11 knapp das Nachsehen, in den Rennen, in denen beide regulär im Ziel waren, hatte er aber den marginal höheren Punkteschnitt. Gibt es da unterschiedliche Bereiche, etwa Qualifying und Rennen, in denen der eine Fahrer besser ist als der andere?"
Wolff: "Vor der Saison hätte das vielleicht anders ausgesehen, als man es jetzt zusammenfasst. Es gibt für mich keinen Bereich, wo man jetzt sagen könnte, dass der eine deutlich besser wäre als der andere. Vielleicht hätte man vor der Saison gesagt, Lewis ist wahrscheinlich ein guter Qualifyer."
"Letztendlich muss man aber sagen: Wenn man alles zusammenzählt, liegen sie auch da wieder auf Augenhöhe. Im Qualifying hatte mal der eine die Nase vorn, dann war es wieder der andere. Ich würde sagen, dass die beiden - so unterschiedlich die beiden auch sind von ihrer Herangehensweise - am Ende die gleichen Ergebnisse einfahren. Deswegen zählen beide Fahrer zur absoluten Spitze in der Formel 1."
Hamilton und Rosberg ein Traum für das Marketing
Frage: "Würden Sie mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass Ihre Fahrer ein Marketing-Traum sind? Lewis bringt jede Menge Glamour ein, während Nico eher der stille Typ ist, dafür aber mehrere Sprachen beherrscht."
Wolff: "Ja, das sieht man auch an unseren Sponsoren und Partnern. Sie gehen beide ultraprofessionell an ihren Job heran, sei es bei Veranstaltungen oder bei der Repräsentation der Partner. Sie sind immer freundlich und professionell, wissen immer, worum es geht. Obwohl sie gnadenlos Gas geben können, wissen sie, dass es auch eine andere Seite gibt. Also die PR, das Marketing und all diese Dinge machen sie unheimlich gut."
Wolff: "Das muss jeder für sich beurteilen. Jeder muss sein Privatleben so organisieren, wie es ihm am besten liegt. Einer macht es so, der andere macht es wieder anders. Diese Freiheiten muss man den Jungs auch geben."
Frage: "Auf YouTube gibt es ein älteres Video, wo man Nico Rosberg mit seinem Medienberater Georg Nolte auf der Weihnachtsfeier des Teams Karaoke singen sieht. Wie beliebt ist er im Team und gab es so eine Einlage auch dieses Jahr auf der Weihnachtsfeier?"
Wolff: "Nico weiß, dass das Team wesentlicher Bestandteil seines Erfolgs ist. Daher kommt ja auch der Ausdruck Team. Deshalb ist der Wohlfühlfaktor im Team auch etwas ganz Essenzielles."
"Das gilt auch für Lewis und für uns alle, dass wir miteinander nicht nur professionell, sondern auch freundlich umgehen. Nico hat auch abseits der Rennstrecke mit dem Team Spaß, und diese Dinge hat es auch dieses Jahr gegeben. Nico hat immer den Lachfaktor auf seiner Seite, und so war es auch dieses Jahr wieder auf der Weihnachtsfeier. Er hat einfach einen guten Humor und kann auch über sich selbst lachen, und das bringt auch alle anderen zum Schmunzeln."
Teamorder in Malaysia? "Alles wunderbar"
Frage: "Nico stand Anfang der Saison dreimal auf Pole, wurde dann aber im Rennen aufgrund der Reifenproblematik, die Sie zu der Zeit hatten, schnell nach hinten durchgereicht. Gab es da mal einen Moment, in dem Sie Nico aufbauen mussten?"
Wolff: "Nein. Die guten Jungs in der Formel 1 betreiben diesen Sport seit 20 Jahren. Eine von Nicos Stärken ist, dass er alles im Detail analysiert. Und wenn klar ist, woran es liegt, dann hat er auch die Fähigkeit, ein unbefriedigendes Resultat abzuhaken und wegzustecken. Er ist einer der Ersten, der nicht im Gram versinkt, sondern ans nächste Rennen denkt."
Frage: "Ich kann Ihnen einen heiklen Punkt nicht ersparen, das ist die Teamorder in Malaysia. Damals hat Nico im Parc ferme gesagt: 'Das werde ich mir merken.' Ist darüber jemals wieder gesprochen worden?"
Wolff: "Darüber ist viel gesprochen worden, es ist alles wunderbar."
Frage: "Gab es irgendwann im Saisonverlauf eine Situation, in der Sie ihm dafür etwas zurückgegeben haben?"
Wolff: "Nein."
Frage: "Eines der Highlights war der Sieg in Monaco. Wie ausgelassen haben Sie diesen Abend gefeiert?"
Wolff: "Wir alle hatten in der Formel 1 schwierige Wochenenden, deshalb war es wichtig, dass wir mal ein gutes hatten und dass man das auch so wahrnimmt. Da hat sich dann spontan die Situation ergeben, dass man den Sonntagabend dann mal gemeinsam wahrgenommen hat. Das war ganz lustig."
Frage: "Der zweite Saisonsieg von Nico war in Silverstone, wo man nach außen den Eindruck hatte, dass es weniger emotional war als in Monaco. Wie haben Sie den gefeiert?"
Wolff: "Silverstone war ganz anders, weil wir da ja teilweise irgendwo zu Hause sind oder zu anderen Terminen unterwegs waren. Monaco war spezieller, weil wir da auch alle bis Montag geblieben sind. In Silverstone haben wir uns dann in alle Richtungen verteilt."
Schwierige Phase nach der Sommerpause
Frage: "Gab es umgekehrt auch Tiefpunkte in Nicos Saison 2013?"
Wolff: "Nein, bei der Nico-Saison fällt mir jetzt kein Tiefpunkt ein. Es gab schwierige Wochenenden für uns alle als Team, ich kann mich aber nicht daran erinnern, ob sich das nun auf ein Lewis- oder Nico-Ergebnis bezogen hat. Wir haben nach der Sommerpause einfach den Faden verloren - das war nicht so, wie wir es uns erwartet hatten. Vor allem gegenüber dem Weltmeisterteam. Das war vielleicht so ein Moment, der nicht so leicht war."
Frage: "Wie oft waren Sie in diesem Jahr auf dem Weg zu Übersee-Rennen zusammen mit Nico im Flieger?"
Wolff: "Vielleicht ein paar Mal."
Fotostrecke: Jahresrückblick: Mercedes
Alles neu bei Mercedes: Am 4. Februar 2013 beginnt die neue Silberpfeil-Ära erst so richtig. Nach drei Jahren Anlaufzeit krempelt man das Team enorm um. Anders als die Konkurrenz von Red Bull oder Ferrari zeigt Mercedes seinen neuen Herausforderer, den F1 W04, ohne großen Aufwand einfach auf der Strecke von Jerez. Neben dem neuen Boliden ist auch Lewis Hamilton der große Star der Präsentation. Der Brite ersetzt Rekord-Weltmeister Michael Schumacher und wagt nach seiner McLaren-Karriere einen neuen Anlauf an der Seite von Nico Rosberg. Fotostrecke
Frage: "Auf Langstrecken-Flügen entstehen ja zwischen Sitznachbarn oft Gespräche fernab der Arbeit. Können Sie sich da an ein besonderes erinnern?"
Wolff: "Nein. Wenn ein Team gut funktionieren soll, muss man solche Gespräche ja stetig führen. Der Dialog findet in der Fabrik statt und auch zu Hause oder auf Reisen. Beide Fahrer sind ja regelmäßig in der Fabrik, deshalb ergeben sich solche Gelegenheiten einfach jede Woche."
Frage: "Wie ist das Verhältnis zwischen Ihnen und Nico?"
Wolff: "Ich würde sagen, das Verhältnis ist freundschaftlich-professionell, wie es sein muss. Er ist einfach jemand, der genau weiß, warum er da ist. Ich würde sagen, dass wir auf einer Wellenlänge sind."
Engagement bis in den Dezember hinein
Frage: "Nico hat sich am Ende der Saison auch den Reifentest in Bahrain nicht nehmen lassen. Ist das ein Zeichen für seinen Ehrgeiz und hat er in dieser Hinsicht viel von Michael Schumacher gelernt in den gemeinsamen drei Jahren?"
Wolff: "Ich glaube, dass das generell sein Charakter ist, dass er ein sehr analytischer Typ ist und einfach verstehen will, was im und rund um das Auto passiert. Und wenn er die Gelegenheit hat, drei Tage einen Reifen zu testen und auch mal in der Winterpause mit dem Auto zu fahren, dann nimmt er diese Gelegenheiten beim Schopf. Er ist ein akribischer und disziplinierter Arbeiter, das ist eine ganz besondere Eigenschaft von Nico."
Wolff: "Zusammenfassend kann man wohl sagen: Nach all dem, was man in den Saisons davor gehört hat, gegen den Michael oder in seiner Williams-Zeit, hat Nico Rosberg bewiesen, dass er ein sehr guter Spitzenpilot ist. Und wenn man die vier, fünf Top-Piloten in der Formel 1 nennen müsste, dann wäre aus meiner persönlichen Sicht Nico Rosberg dabei."
Frage: "Haben Sie das Gefühl, dass er medial manchmal unterbewertet wird, insbesondere in Großbritannien, wo sich die Kollegen natürlich mehr auf Lewis konzentrieren?"
Wolff: "Nein, ich habe nicht den Eindruck, dass er unterbewertet ist. Am Ende des Tages zählt die Rundenzeit, nichts anderes. Anhand der Stoppuhr hat er bewiesen, dass er einfach sehr gut ist."