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Vettel: "Wir hatten in diesem Jahr den Dreh raus"
Weltmeister Sebastian Vettel im Interview über seinen Sieg beim Grand Prix von Brasilien und über seine Rekordsaison 2013
(Motorsport-Total.com) - Mit seinem Sieg beim Saisonfinale in Brasilien knackte Sebastian Vettel zwei lange Zeit bestehende Formel-1-Rekorde. Genau wie Alberto Ascari (1952/53) hat Vettel neun Rennen in Folge gewonnen und genau wie Michael Schumacher (2004) 13 Siege in einer Saison eingefahren. Darüber hinaus stellte der vierfache Weltmeister einen neuen Rekord auf. Mit 397 im Verlauf der Saison 2013 gesammelten WM-Punkten knackte Vettel seine eigene Bestmarke aus der Saison 2011 (392).
© xpbimages.com
Sebastian Vettel war auch in Brasilien nicht aufzuhalten: Saisonsieg Nummer 13 Zoom Download
Im Anschluss an seinen Sieg beim Grand Prix von Brasilien spricht Vettel über seine Rekordsaison, über das Rennen in Brasilien inklusive des Chaos an der Red-Bull-Box beim zweiten Boxenstopp, über seinen die Formel 1 verlassenden Teamkollegen Mark Webber und über die Winterpause.
Frage: "Sebastian, du hast gerade zwei Rekorde egalisiert. Wie fühlst du dich?"
Sebastian Vettel: "Ich bin ein bisschen traurig, dass die Saison jetzt endet. Seit der Sommerpause alle Rennen zu gewinnen, war natürlich unglaublich. Ich hätte mir eine solche Saison kaum wünschen können. Es ist ehrlich gesagt - entschuldigt den Ausdruck - etwas pervers, wie stark und konstant wir in den letzten Rennen waren. Wir haben kaum Fehler gemacht. Das heutige Rennen war schwierig, aber es lief insgesamt wieder gut. Nachdem ich am Ende der ersten Runde den Kampf gegen Nico gewonnen hatte, hatte ich ganz gute Karten. Es gab zwischenzeitlich etwas Konfusion an der Box. Wir waren gleichzeitig drin, aber zum Glück habe ich alle vier Räder bekommen. Das war schon etwas kurios. Der Regen war am Ende etwas knifflig, als nicht klar war, ob da nun viel kommt oder nicht."
"Vielen Dank ans Team und auch vielen Dank an Mark, der eine tolle Karriere in der Formel 1 hatte. Wir haben uns vielleicht nicht immer so gut verstanden, aber eines war auf jeden Fall immer vorhanden: Respekt. Ich habe viel von ihm lernen können. Wir hatten in der gemeinsamen Zeit große Erfolge und das Team hat davon am meisten profitiert. Bei noch jemandem möchte ich mich heute bedanken. Tom Batch ist ein Mitarbeiter, der an meinem Auto gearbeitet hat. Leider verlässt er uns jetzt. Ich möchte ihm danken für all seine Arbeit, die er geleistet hat. Es war in unglaubliches Jahr für uns - heute ein weiterer unglaublicher Tag."
"Wir sollten es genießen, das habe ich schon am Funk gesagt. Jeder Einzelne hat seinen eigenen Teil dazu beigetragen. Ich bin glücklich, ein Glied in dieser Kette zu sein. Ich fühle mich da nicht wichtiger als irgendjemand anderes. Klar - ich darf die Kiste fahren, aber trotzdem ist solch eine Leistung eine absolute Teamleistung. So etwas kommt nicht einfach so zustande. Jetzt freue mich auf den Winter, die Pause, auf zu Hause und ein bisschen Urlaub."
Rekorde sind "nur ein paar Zahlen"
Frage: "Wie ordnest du deine Rekordsaison ein?"
Vettel: "Es ist einerseits schade, dass die Saison zu Ende ist, weil wir hatten ja doch einen ganz guten Lauf. Es ist unheimlich schwer zum Ausdruck zu bringen, was das für alle von uns bedeutet. Letzten Endes habe ich es schon in Amerika gesagt und sage es hier nochmal: Das ist etwas, was wir alle genießen müssen. Es ist unheimlich schön. Es wird aber seine Zeit brauchen, um das Ganze zu verstehen. Man ist in dem Moment drin, konzentriert sich auf den einzelnen Tag und kann das nicht so wirklich einordnen. Letzten Endes sind es nur ein paar Zahlen. Das Besondere dabei ist, ein Teil davon zu sein. Im Moment macht es einfach unheimlich viel Spaß. Es läuft einfach. Ich glaube, man kann sagen, wir hatten in diesem Jahr den Dreh raus."
Frage: "Wie groß wird die Herausforderung, die Triumphe der abgelaufenen Saison im nächsten Jahr zu wiederholen?"
Vettel: "Nach 2011 waren wir jetzt zweimal in dieser Position. Schon am Ende der Saison 2011 haben wir uns gesagt: So etwas kommt wohl nur einmal im Leben vor. Jetzt haben wir zum zweiten Mal eine solche Saison erlebt, aber niemand erwartet, dass es so weitergeht. Uns allen ist klar, wie besonders das Ganze ist. Wir haben vielleicht noch nicht ganz verstanden, was wir erreicht haben, aber wir wissen, dass so etwas nicht mal eben so passiert."
Vettel: "Nein, ich möchte es auch gar nicht verstehen. Ich denke, es ist nicht fair, das zu vergleichen. Es ist einfach eine andere Zeit. Zu seiner Zeit waren die Rennen viel länger. Die Autos sind ständig kaputtgegangen und die Teams waren längst nicht so konstant wie heute. Ich denke, sein Rekord sticht heute immer noch heraus. Deswegen betrachte ich das, was wir erreicht haben, als eine andere Art Rekord. Letzten Endes ist es nur eine Zahl. Wenn ich aber eines Tages weniger Haare auf dem Kopf habe und pummelig geworden bin, dann ist es sicher schön, darauf zurückzublicken."
Nervosität vor dem Start und Chaos beim Boxenstopp
Frage: "Gab es während des Rennens Momente, in denen du nervös wurdest?"
Vettel: "Oh ja, oh ja! Wir waren vorher an diesem Wochenende nie im Trockenen unterwegs gewesen. Das war beim Start natürlich ein interessanter Aspekt. Es war ein Abenteuer, die richtigen Bremspunkte und so weiter zu finden. Mein Start war ziemlich schlecht. Ich hatte stark durchdrehende Räder und kam daher nicht so gut von der Linie weg wie ich mir das erhofft hatte. Nico zog sofort vorbei und Fernando machte von hinten Druck. Ich hatte Glück, dass ich ihm dank KERS wieder ein Stück davonfahren konnte. Ich habe mir das KERS extra bis zum Ende der ersten Runde aufgespart, um Nico überholen zu können. Den Hügel hinauf hat das gut funktioniert - besser als ich gedacht hätte."
"Anschließend habe ich ein bisschen davon profitiert, dass Nico nicht ganz so schnell war wie die Autos hinter ihm - Fernando und Mark. Ich konnte also einen Abstand herausfahren. Mit dem ständigen Nieselregen war es dann sehr schwer abzuschätzen, was passiert. Du willst nicht der Erste sein, der zum Boxenstopp hereinkommt, aber du willst auch nicht der Letzte sein, der hereinkommt. Der Punkt, an dem Intermediates die bessere Wahl gewesen wären, wurde aber nie erreicht. Ich konnte also meinen Abstand mehr oder weniger kontrollieren - bis wir zum zweiten Boxenstopp hereinkamen."
Frage: "Was war da los?"
Vettel: "Es lief nicht so richtig. Da kamen Erinnerungen an vergangenes Jahr hoch (lacht; Anm. d.Red.). Der Funkspruch kam sehr spät. Wir wollten eigentlich erst in der Runde darauf hereinkommen. Dann war aber irgendwas mit dem Herrn Maldonado (es war Bottas; Anm. d. Red.). Es gab die Möglichkeit, dass das Safety-Car vielleicht herauskommt. Da ich gerade im letzten Sektor unterwegs war, haben wir uns entschlossen, kurzfristig an die Box zu fahren. Für mich war es in Ordnung. Ich konnte meine Sachen schnell umstellen. Als ich dann über den kleinen Hügel kam, sah auch alles gut aus. Dann erster Reifen drauf, zweiter Reifen drauf, dritter Reifen drauf, doch der vorne rechts fehlt. Ich habe in den Helm geschrien: 'Hey, da fehlt noch einer'."
"Dann war der Reifen da, aber ich glaube, es war der Reifen von Mark. Dann kam ein Mechaniker, der im ersten Moment gar nicht wusste, was er damit machen sollte. Die Heizdecke sollte schon noch runter. Dann hat noch jemand vergessen, die Ampel vor mir auszuschalten. Ich musste dann also selber im Spiegel schauen, dass keiner kommt. Es kam noch ein Force India, nach dem ich dann endlich durch konnte. Im Rückspiegel habe ich natürlich auch gesehen, dass Mark dahintersteht. Ich dachte mir, jetzt ist wohl unser beider Vorsprung futsch - meiner gegenüber ihm und seiner gegenüber Fernando. Es war ein bisschen chaotisch, aber letzten Endes ist alles gutgegangen. Es war gut, immer auf Trockenreifen geblieben zu sein. Wäre der Regen aber nur ein bisschen stärker geworden, hätte es anders ausgehen können. Wir hatten Glück."
Frage: "Zu welchem Zeitpunkt hast du dem Team Bescheid gesagt, dass zu zum zweiten Boxenstopp hereinkommen willst?"
Vettel: "Es war nicht meine Entscheidung. Wir haben versucht, so lange wie möglich draußen zu bleiben, denn wir wussten nicht, wie sich das Wetter entwickeln würde. Wenn man eine Runde vor Einsetzen des Regens an der Box war, verliert man sehr viel Zeit, weil man dann noch einmal hereinkommen muss, um auf Intermediates zu wechseln. Mir wurde am Ausgang von Kurve zwölf gesagt, dass ich an die Box kommen solle, wenn ich es noch schaffe. Ich hatte genug Zeit, aber für die Jungs war es natürlich sehr knapp, denn sie mussten einen Stopp für beide Autos vorbereiten. Sie mussten also sowohl meine als auch die Reifen für Mark hervorholen. Da kam natürlich Hektik auf, weil sie nicht wussten, ob das Safety-Car herauskommen würde. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht, was auf der Strecke passiert war. Ich bin ganz gut darin, einzuschätzen, was um mich herum passiert, aber ich kann natürlich nicht die gesamte Strecke einsehen. Ich denke, das war der Grund, warum ich hereingerufen wurde. Leider wurde es etwas chaotisch."
Frage: "Normalerweise bist du es ja gewohnt einsam vorneweg zu fahren. Heute hat dich einer überholt: Adrian Sutil, als er sich zurückgerundet hat. Wie kam es dazu?"
Vettel: "Er hatte Reifen, die ein bisschen frischer waren. Ich hatte ja ein Polster von rund zehn Sekunden nach hinten und habe gemerkt, dass er zu diesem Zeitpunkt ein bisschen schneller unterwegs war. Wir haben versucht, so lange wie möglich draußen zu bleiben. Er war schneller als ich und hat es deswegen auch verdient, an mir vorbei zu fahren. Er war dann auch ruck-zuck ein Stück weg. Ich wollte ihn da nicht aufhalten und wollte auch nichts Dummes machen. Mit einem Vorsprung, den man hat, bringt es ja nichts, gegen jemanden zu kämpfen, der in dem Moment einfach schneller ist."
Respekt vor Webber und Freude auf die Winterpause
Frage: "Dein Verhältnis zu Mark Webber war über die Jahre gesehen ein Auf und Ab. Wie fällt jetzt, da er sich aus der Formel 1 verabschiedet, dein abschließendes Urteil aus?"
Vettel: "An diesem Punkt wäre es nicht angebracht zu lügen. Wir hatten nicht das beste Verhältnis. Wären manche Dinge nur ein bisschen anders gelaufen, dann hätte sich die Geschichte anders entwickeln können. Unabhängig davon hatten wir immer großen Respekt voreinander. Auf professioneller Ebene machten die Dinge, die abseits der Piste passiert sind, keinen Unterschied. Wir beide nahmen das Team stets in die Pflicht, den nächsten Schritt zu tun. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich viel von ihm gelernt habe. Aufgrund seiner Fähigkeiten habe ich gelernt, ein besserer Fahrer zu werden. Deshalb betrachte ich ihn als einen der talentiertesten Fahrer im Feld."
Frage: "Die meisten Fahrer sind froh, dass nun die Winterpause ansteht. Gilt das auch für dich als Weltmeister?"
Vettel: "Ja auf jeden Fall. Es ist eine lange Saison und es war ein sehr, sehr hartes Jahr. Auch wenn es von außen vielleicht so aussieht, dass es einfach flutscht: Es steckt unheimlich viel dahinter. Deswegen haben sich alle die Pause verdient. Auch ich freue mich auf den Winter und auf besinnliche Weihnachtstage. Nächstes Jahr geht eh schon früh genug wieder los."
Frage: "Worauf kommt es in der Winterpause an?"
Vettel: "Erstens mal hoffentlich nicht krank zu werden. Normalerweise ist man die ganze Zeit angespannt, denn es ist ein sehr langes Jahr. Es wäre keine Überraschung, wenn man dann im Dezember erstmal ein paar Tage flachliegt. Wenn möglich würde ich mir das aber gerne ersparen. Deswegen gilt einfach: Ruhe, Kraft tanken und nicht so viel Speck anfressen für nächstes Jahr, denn das Gewicht könnte dann doch kritisch sein."
Frage: "Wie wirst du die Zeit bis Weihnachten verbringen. Was genau wirst du tun?"
Vettel: "Nichts. Natürlich stehen im Dezember ein paar Veranstaltungen an, die man besuchen muss. Das ist schön. Vor allem aber geht es darum, zu entspannen. Mark verabschiedet sich aus der Formel 1, aber er hört ja nicht auf, Rennen zu fahren. Er wird vielleicht ein bisschen weniger Druck haben, weil seine Saison später beginnt. Was uns betrifft, so ist es das gleiche wie in den Jahren zuvor - zumindest was den Rhythmus betrifft. Natürlich gibt es für das nächste Jahr eine Menge Veränderungen. Deshalb beginnt man im Januar vielleicht eine oder zwei Wochen früher mit der Vorbereitung, um für die Testfahrten gerüstet zu sein. Wirklich vorbereiten kann man sich aber ohnehin nicht, denn man muss den ersten Tag auf der Strecke abwarten. Erst dann kann man ungefähr abschätzen, wo man steht."