Vettel: "Der Abstand ist schon eine Überraschung"
Auch die Natur kann Sebastian Vettel nicht aufhalten - Im Gegenteil: Der Heppenheimer war heute in Brasilien noch dominanter, was selbst ihn wundert
(Motorsport-Total.com) - Da hat der Wettergott schon endlich einmal versucht, jemand anderen auf die Pole-Position zu spülen, doch am Ende war es wieder einmal Sebastian Vettel, der seiner Konkurrenz erneut keine Chance ließ. Im Gegenteil, der Heppenheimer setzte der Dominanz wieder einmal eine neue Krone auf und distanzierte Nico Rosberg um mehr als sechs Zehntel. Fernando Alonso fehlte als Drittem schon über eine Sekunde. In der Pressekonferenz spricht der Red-Bull-Pilot über den Regen, die morgigen Aussichten und die Beziehung zu Brasilien.
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Sebastian Vettel ließ auch im letzten Qualifying des Jahres nichts anbrennen Zoom Download
Frage: "Glückwunsch Sebastian, deine 45. Pole, deine zweite hier und deine neunte in dieser Saison - aber der Abstand war ja unglaublich."
Sebastian Vettel: "Ja, das ist schon eine große Überraschung. Ich war so glücklich nach der Quali - besonders nach Q3. Dort haben sie uns ja lange warten lassen. Nach Q2 gab es viel Regen, also mussten wir warten. Wenn so viel Wasser da ist, dann ist es zwar schade für die Leute, die darauf warten, dass wir rausfahren, aber es war eben zu viel Wasser und das Risiko von Aquaplaning war zu hoch."
"Es hat lange gedauert, aber als ich herausgefahren bin, war ich überrascht, wie viel Wasser verschwunden war. Ich bin gleich auf die Intermediates gegangen und konnte sofort eine sehr, sehr gute Runde drehen. In der zweiten habe ich noch einmal versucht, das zu unterbieten. Es war sehr eng, von daher bin ich glücklich mit beiden Runden. Über den Abstand war ich überrascht, und als mir das gesagt wurde, war ich sehr glücklich."
"Ich habe sogar Spanisch und Portugiesisch verwechselt. Ich habe am Radio 'olé, olé' gerufen, aber olé ist Spanisch. Ich kenne den Ausdruck in Portugiesisch nicht, aber vielleicht kann es mir heute noch jemand sagen, und hoffentlich werde ich morgen eine weitere Chance bekommen. Aber es ist großartig, unter diesen Bedingungen alles richtig hinzubekommen. Wir hatten nur wenig Training und haben das Auto am Ende trotzdem dorthin bekommen, wo wir wollten."
Frage: "Wie viel Spaß hat es denn im Regen gemacht?"
Vettel: "Im Regen ist es immer ein bisschen schwieriger, sein Zeug zusammenzukriegen, alles richtig zu machen und gerade am Ende direkt auf den richtigen Reifen zu wechseln nach der langen Pause. Es war richtig zu warten, aber es ist schön, wenn man zunächst einmal die richtige Entscheidung dann trifft. Dann hatte ich zwei Runden, die wirklich super waren. Es war gut genug für die Pole. Mit dem Abstand habe ich nicht gerechnet, aber das freut mich natürlich."
Frage: "Wie würdest du deine letzte schnelle Runde beschreiben?"
Vettel: "Ich hatte ja zwei schnelle. Ich war überrascht, dass wir dann doch eine Runde mehr noch hatten und konnte in der Mitte nochmal langsamer machen. Aber letzten Endes waren beide glaube ich gleich schnell. Ich habe einfach versucht alles herauszuholen. Die Bedingungen wurden besser und bei den Intermediates hat man eine Runde - vielleicht zwei - dann wird der Reifen ein bisschen schlechter. Er verliert einfach ein bisschen Extragrip. Anfangs der zweiten Runde hatte ich einen kleinen Schnitzer drin und konnte das gegen Ende wieder gutmachen. Zu einer Verbesserung hat das nicht geführt, trotzdem waren beide Runden gut. Es ist natürlich schwer, bei diesen Bedingungen immer alles richtig zu machen."
Frage: "War die Unterbrechung des Qualifyings gut?"
Vettel: "Ja, ich musste sowieso mal pinkeln, deswegen kam es ganz recht." (lacht; Anm. d. Red.)
Frage: "Du konntest im Training durch die Bedingungen nicht so viel fahren - dennoch hat es wieder zur souveränen Pole gereicht."
Vettel: "Ich denke, generell hatte jeder eine limitierte Fahrzeit. Wir hätten alle lieber ein wenig mehr unter diesen Bedingungen trainiert, allerdings sind wir da durch die Anzahl an Reifen gehandicapt. Es ist ein wenig seltsam: Wir geben so viel Geld aus, und dann haben wir aber nicht einmal genügend Reifen um zu trainieren."
Frage: "Wird Nico Rosberg morgen der größte Gegner sein?"
Vettel: "Es kommt drauf an. Es ist ein langes Rennen und hier kann viel passieren. Ich glaube, hier ist alles möglich. Auch jemanden, der nicht unter den ersten Zwei, Drei, Vier steht, sollte man nicht abschreiben. Morgen ist eine Chance da, dass es trocken ist. Im Trockenen hat bis jetzt an diesem Wochenende keiner eine Ahnung. Ich glaube, dass Nico vor allem gestern im Nassen sehr stark war. Deswegen überrascht es mich ehrlich gesagt auch, dass wir heute so weit vorne waren - aber das nimmt man natürlich mit."
Frage: "Die Wettervorhersagen sind ja nicht gerade eindeutig. Wie sieht denn da vorher eine Besprechung mit den Ingenieuren aus?"
Vettel: "Am Setup kann man nicht mehr viel machen, aber es gibt immer noch ein paar Dinge, die man nicht außer Acht lassen sollte. Zunächst mal ist es wichtig, dass man den Frontflügel ordentlich einstellt, was doch einen sehr großen Einfluss auf das Fahrverhalten hat - ob das Auto zu nervös ist, oder ob man zu viel Untersteuern hat. Gerade morgen wird es schwer einzuschätzen - wenn es trocken sein sollte - wo man genau losfährt, was den Frontflügel angeht. Man möchte einerseits schnell sein, auf der anderen Seite möchte man nicht nach fünf Runden an die Box, weil man keine Reifen mehr hat."
Frage: "Wer hat da das letzte Wort?"
Vettel: "Kommt drauf an um was es geht, aber generell möchte ich schon einbezogen werden. ich muss ja damit dann auch klarkommen. Wenn ich selber einen Bock schieß, dann komme ich damit deutlich besser klar, als wenn jemand anderes einen Bock für mich schießt."
Frage: "Was wünschst du dir fürs Rennen: nass oder trocken?"
Vettel: "Das typische Nasssetup existiert nicht mehr, daher sollten wir bei beiden Bedingungen gut aussehen. Mit Sicherheit würden wir uns eher trockenes Wetter wünschen, was morgen auch eintreten könnte. Wir haben keinen Plan, aber wir sitzen da im selben Boot wie alle anderen. Ich denke, wir werden ein weiteres Interlagos-Special sehen - vermutlich werden wir also ein wenig von beidem haben."
Vettel: "Wir haben natürlich alle neue Reifen, das hilft schonmal. Natürlich ist die Strecke sehr grün, weil wir zuvor noch keine trockenen Bedingungen hatten - das macht es schwierig. Dann denke ich, dass es wichtig ist, wer den besten Riecher beim Setup hatte. Man muss sicherstellen, dass das Auto okay ist - nicht nur auf eine Runde im Nassen gesehen, sondern auch im Trockenen - und dass man auf die Reifen aufpassen kann. Das Rennen ist lang, es werden 70 Runden gefahren. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass es nicht einfach ist, den Reifen am Leben zu erhalten. Es wird schwierig sein, wenn es trocken ist, aber gleichzeitig wird es für alle gleich sein."
Frage: "Wie wichtig wird die Reifenwahl morgen sein?"
Vettel: "Mit Sicherheit muss man zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen treffen. Das ist schwierig, man muss nur auf das vergangene Jahr schauen - und ignorieren, dass ich in der ersten Runde verkehrtherum stand. Wir sind reingekommen, um auf Trockenreifen zu wechseln und es hat angefangen zu regnen. In der gleichen Runde kamen wir wieder rein und haben uns die Intermediates geholt. Es könnte alles passieren hier. Man braucht natürlich das Glück auf seiner Seite, aber das ist für alle gleich."
Frage: "2008 haben dich die brasilianischen Fans hier angefeuert, weil du im Kampf mit Lewis Hamilton Felipe Massa zum Sieger hättest machen können. Hast du eine besondere Beziehung zu den brasilianischen Fans und zu Interlagos?"
Vettel: "Ich bin ja sogar vor Lewis ins Ziel gekommen, soweit ich mich erinnern kann. Ich habe also versucht, den Brasilianern zu helfen - aber ich denke schon, dass es ein besonderer Ort ist. Ich denke, jeder von uns hatte hier mindestens ein Rennen, dass in jede Richtung ein komplettes Chaos war - besonders wenn man auf das letzte Rennen blickt, wo ich gegen Fernando um die Weltmeisterschaft gekämpft habe."
Fotostrecke: Formcheck: GP Brasilien
Giedo van der Garde (Chancen: *): Nein, wir sind nicht von allen guten Geistern verlassen, und nein, natürlich sehen wir den Niederländer aus eigener Kraft nie und nimmer in den Top 10. Aber für Caterham geht's gegen Marussia noch um den zehnten Platz in der Konstrukteurs-WM, und dafür muss in Brasilien mindestens ein 13., wenn nicht sogar ein zwölfter Platz her. Und dass ein Saisonfinale in Brasilien völlig verrückt und unvorhersehbar verlaufen kann, das wissen wir nicht erst seit 2008 (Massa Sekunden-Weltmeister) oder 2012 (Caterham dank Petrow in letzter Minute noch an Marussia vorbei). So gesehen ist van der Garde, dessen Form seit Wochen ansteigend ist, einen Tipp wert. Schließlich haben wir seine Galavorstellung im Regen-Qualifying in Spa-Francorchamps (Platz 14) noch nicht vergessen. Fotostrecke
"Wenn man sich die Höhepunkte anschaut, dann war es ein absolut verrücktes Rennen. Mein Auto war ziemlich beschädigt, ich stand in Kurve vier der ersten Runde verkehrtherum, aber aus irgendeinem Grund scheint es eine Strecke zu sein - zusammen mit den Bedingungen - wo man in der Lage ist, etwas aus dem Nichts heraus zu erschaffen. Gleichzeitig kann man auf der sicheren Seite sein und irgendetwas passieren. Mit Sicherheit habe ich eine besondere Erinnerung, wenn ich hierherkomme, und man glaubt immer, dass irgendetwas hier passieren kann - weil die Chance wie beschrieben da ist."
Frage: "Im nächsten Jahr jährt sich der Todestag von Ayrton Senna zum 20. Mal: Wie sehr hat Senna dein Leben als Formel-1-Fahrer beeinflusst?"
Vettel: "Mein Vater war ein Senna-Fan. Er wurde durch Ayrton zum Formel-1-Fan. Ein paar Jahre später habe ich im Gokart angefangen. Wenn man auf meine Kindheit schaut, dann war natürlich Michael (Schumacher; Anm. d. Red.) die größte Inspiration. Er war deutsch und kam manchmal zu den Kartstrecken, um zu allen Kids Hallo zu sagen."
"Ich denke nicht, dass es fair ist, einen zu nennen, der der Größte ist. Jeder dieser Champions sticht in seiner Ära heraus. Aber mit Sicherheit war Ayrton ein sehr besonderer Typ. Er war im Auto sehr talentiert, aber auch herausragend außerhalb des Autos. Er konnte diese Persönlichkeit mit ins Auto nehmen und den anderen das Leben unheimlich schwer machen. Ich bin sicher, dass er der Formel 1 viel mehr zu geben hatte, aber leider kam seine Karriere durch den Unfall zu einem Ende."