Hülkenberg-Interview: Wie geht's weiter?
Nico Hülkenberg plaudert über seine schwierige Beziehung zu Maldonado, Highlights 2013, seine Zukunft - und verrät, wie lange er auf keiner Kartbahn mehr war...
(Motorsport-Total.com) - Formel-1-Fahrer haben es immer ein bisschen eiliger als der Rest der Welt. Der Autor dieser Zeilen landete am Mittwoch in Houston - und musste, wie jeder Einreisende in die Vereinigten Staaten von Amerika, erst einmal durch die sogenannte "Immigration". So stand also die komplette Lufthansa-Maschine aus Frankfurt (ein voller Airbus A380 mit über 500 Passagieren) stundenlang Schlange - von unserem Kolumnisten Kai Ebel angefangen über Sutil-Manager Manfred Zimmermann bis hin zu unserem Experten Marc Surer. Mittendrin auch: Nico Hülkenberg.
© Lukas Gorys
Nico Hülkenberg wird von allen geschätzt, aber viele nehmen lieber das Geld Zoom Download
Aber plötzlich war der Sauber-Formel-1-Pilot, der sich in den USA weitgehend unerkannt bewegen kann, spurlos verschwunden - und saß längst im Auto, als der Rest der Gruppe den vermeintlich bequemeren Anschlussflug nach Austin nahm. Auch auf der Rennstrecke ist Hülkenberg momentan schneller als die meisten anderen - und trotzdem gehen die Türen der Teams für 2014 nicht so schnell auf, wie er von den Einreisebeamten in Houston durchgewunken wurde.
Der 26-Jährige, in Austin sensationeller Vierter der Startaufstellung, macht es der Formel 1 mit seinen starken Leistungen extrem schwer, ihn unauffällig hinauszukomplimentieren - und trotzdem könnte er am Ende ohne einen Job dastehen. Denn genau wie 2010, als er nach der Pole-Position in Sao Paulo (der ersten für Williams nach fünfjähriger Durststrecke) in aller Munde war, stehen diverse Paydriver Schlange, um ihm die potenziellen Jobs bei Lotus, Force India und Sauber wegzuschnappen.
Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht Hülkenberg offen über seine Zukunft und lässt durchblicken, dass er zu den drei genannten Optionen derzeit keine Alternativen sieht. Und er gibt erstmals zu - wenn auch in gewählteren Worten formuliert als vom Fragesteller, der bewusst provozieren wollte -, dass ihm sein einstiger GP2-Teamkollege Pastor Maldonado langsam auf die Nerven geht...
Ob Zehnter, Elfter oder Zwölfter: Völlig egal
Frage: "Nico, dir fehlen in der Fahrer-WM momentan neun Punkte auf den zehntplatzierten Paul di Resta. Ist dieser zehnte Platz noch ein Ziel für diese Saison oder ist es dir egal, ob du am Ende Zehnter, Elfter oder Zwölfter wirst?"
Nico Hülkenberg: "Das habe ich mir noch gar nicht angesehen. Es ist ehrlich gesagt kein richtiges Ziel, Zehnter zu werden - kann man machen, ist aber nicht mega wichtig für mich. Für mich ist eher wichtig, dass wir die Saison gut beenden, dass ich noch zwei schöne Rennen und Wochenenden fahre und auf jeden Fall noch ein paar Punkte mitnehme."
Frage: "Wie fällt sonst deine bisherige Saisonbilanz aus?"
Hülkenberg: "Es war eine Saison mit zwei Seiten für uns. Angefangen hat sie eher schwierig und enttäuschend, denn wir waren weit weg von dem, wo wir sein wollten und wo wir uns auch erwartet hatten. Dann haben wir aber sehr gut entwickelt, fast alles auf den Kopf gestellt."
"Ab Monza hatten wir wirklich einen guten Lauf. Von Monza bis Abu Dhabi war ich fünfmal hintereinander in Q3, bis auf Singapur, wo ich das Q3 durch einen kleinen Fehler verschenkt habe. Und ich wäre auch sechsmal in den Punkten gewesen, wenn nicht in Indien die Bremsscheibe gebrochen und ich in Abu Dhabi nicht die Durchfahrtstrafe bekommen hätte. Die Statistik kann sich glaube ich sehen lassen."
Frage: "Adrian Sutil hat in Abu Dhabi gesagt, dass ihn ein bisschen ärgert, dass der Force India am Saisonbeginn stark war, es jetzt aber nicht mehr ist, in der heißen Phase, in der die Cockpits für 2014 vergeben werden. Bei dir ist es umgekehrt - aber frustrierenderweise ändert es an deiner Transfersituation trotzdem nicht viel, dass du momentan stark aufzeigen kannst..."
Hülkenberg: "Ja, das ist halt so. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Cockpits bei den Topteams, und es gibt im Moment relativ viele gute Fahrer, die da sitzen und einen guten Job machen. Darum fahren die da auch erstmal weiter."
"Dann muss man gucken, wie man sich anderweitig orientiert. Es gibt viele Fahrer, die hier reindrücken, die Formel 1 fahren wollen, und es gibt viele, die erstmal drinbleiben wollen. So viele Leute, wie heutzutage mit Geld reinpressen, ist es schon ein Erfolg, wenn man einfach in der Formel 1 bleibt."
Frage: "Aber das ist ja nicht dein Anspruch."
Hülkenberg: "Nein, das ist nicht mein Anspruch, aber das ist die Realität, trotz der guten Resultate. Das ist natürlich ein bisschen schwierig."
Maldonado: In der GP2 kein Gegner für Hülkenberg
Frage: "Was hast du denn für ein Verhältnis - wenn du eines hast - zu Pastor Maldonado?"
Hülkenberg: "Kein wirkliches Verhältnis. Gut, er war 2009 in der GP2 mein Teamkollege. Da sind wir relativ gut miteinander ausgekommen, aber seither hatte ich ehrlich gesagt nicht mehr viel mit ihm zu tun."
Frage: "Warum ich das frage: Er hat dir Ende 2010 das Williams-Cockpit weggeschnappt und bemüht sich jetzt wieder um die gleichen Cockpits wie du. Mal ganz plump gefragt: Geht dir der Typ nicht auf den Sack?"
Hülkenberg: "Ja, es gibt da einen gewissen Trend, dass wir uns immer begegnen und um die gleichen Sachen kabbeln. Er hat natürlich - ich weiß es nicht genau - 20 Millionen gute Gründe, die er mitbringt. Aus meiner Perspektive ist es natürlich frustrierend, wenn Teams so jemanden über einen selbst stellen, wegen diesen Geschichten."
"Aber das wissen wir nicht erst seit gestern, dass es so ist, von daher bleibt mir nichts anderes übrig, als auf der Strecke mein Talent zu beweisen und mir da die Genugtuung zu holen. Ich glaube, das haben wir gemacht. Es gibt auch Teams, die nicht nur darauf gucken und auch nach anderen Kriterien auswählen."
Frage: "In der GP2 hatte Pastor gegen dich keine Chance, du hast damals alle zehn Qualifyings gewonnen. Wie sehr ärgert es dich, dass dir ausgerechnet dieser Fahrer immer wieder die Cockpits vor der Nase wegschnappt? Irgendwann kratzt einen das doch auch auf persönlicher Ebene, oder nicht?"
Hülkenberg: "Ja, ist schon ein bisschen frustrierend. Aber darüber können wir jetzt tagelang reden, dazu wird auch jeder eine eigene Meinung haben. Im Endeffekt ist es, wie es ist. Ich verschwende nicht meine Energie damit, darüber nachzudenken, sondern ich konzentriere mich auf mich und meine Zukunft. Was er macht, interessiert mich herzlich wenig."
Frage: "Für dich gibt es noch drei mögliche Teams für 2014, wie du selbst sagst: Lotus, Force India und Sauber. Wie wichtig ist bei dieser Entscheidung der Faktor finanzielle Stabilität? Du hast dieser Tage ja gesagt: 'Ich bin nicht die Caritas!' Du bist noch jung, aber auch als Formel-1-Fahrer musst du irgendwann Geld verdienen, schließlich dauert so eine Karriere nicht ewig."
Hülkenberg: "Genau. Das ist schon wichtig."
"Wir wissen alle, die Formel 1 ist ein extrem teurer Sport. Damit die Weiterentwicklung gewährleistet ist, damit gewährleistet ist, dass man konkurrenzfähig ist, was ja alle wollen, braucht man die finanzielle Seite. Darum dann auch häufig die Paydriver. Für manche Teams geht's da ums blanke Überleben."
Finanzprüfung der Teams denkbar schwierig
Frage: "Aber wie wichtig ist es für dich selbst, zuverlässig ein Gehalt zu sehen? Betreiben zum Beispiel dein Manager und du eine gewisse Finanzprüfung der Teams, wenn ihr verhandelt?"
Hülkenberg: "Man versucht schon, sich da so gut wie möglich zu informieren, aber es ist recht schwierig, da komplett dahinter zu steigen, denn man hat ja keine Konteneinsicht. Man ist da ein Stück weit darauf angewiesen, ein gutes Bauchgefühl zu haben und richtig informiert zu sein."
Frage: "Ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen: Was wäre, wenn es mit der Formel 1 nächstes Jahr nicht klappen sollte?"
Hülkenberg: "Keine Ahnung. So weit habe ich ehrlich gesagt noch nicht gedacht."
Frage: "Aber du bist bestimmt noch nicht an dem Punkt in deiner Karriere, wo du sagst, du kannst dir vorstellen, mit der Formel 1 abzuschließen, oder?"
Hülkenberg: "Nein, absolut nicht."
Frage: "Nächstes Jahr wird es wieder etwas mehr Tests geben. Wäre es eine Alternative, Testfahrer bei einem Topteam zu werden, mit der Möglichkeit, dort 2015 zum Stammfahrer aufzusteigen?"
Hülkenberg: "Das wäre nicht interessant."
Frage: "Und es gibt ja auch noch Caterham und Marussia. Auch kein Thema?"
Hülkenberg: "Auch keine Option. Man soll denen nicht unrecht tun, aber das kann ich mir im Moment ehrlich gesagt nicht vorstellen."
Frage: "Wechseln wir das Thema. Es sind die ersten Skizzen mit den hässlichen 2014er-Fahrzeugnasen aufgetaucht. Was sagst du dazu?"
Hülkenberg: "Ich weiß schon seit längerem, wie die Nase wird. Sieht nicht so schön aus. Im Auto sehen wir die Nase nicht, aber für die Fans ist das sicher nicht so toll. Ich kann mir vorstellen, dass das noch zum Thema und eine Kompromisslösung gefunden wird, die das Ganze ein bisschen hübscher macht."
Frage: "Bei wie vielen Teams hast du denn schon Nasendesigns für 2014 gesehen?"
Hülkenberg: "Nur bei Sauber, weil das Auto schon länger, seit dem Sommer, im Windkanal ist. Da habe ich es am Anfang mal gesehen."
Frage: "Wie wichtig ist für dich der Faktor Ästhetik? Macht es zum Beispiel einen Unterschied, wenn du beim Car-Launch daneben stehst und dein neues Auto ist entweder besonders schön oder hässlich?"
Hülkenberg: "Ehrlich gesagt macht das keinen Unterschied. Ob schön oder nicht: Im Endeffekt sitzt man drin und man fährt so oder so 100 Prozent. Das spielt überhaupt keine Rolle."
Südkorea bleibt das (bisherige?) Highlight der Saison
Frage: "2013 neigt sich langsam dem Ende zu. Was waren deine Highlights? Auf der Strecke sicher Südkorea?"
Hülkenberg: "Absolut, das war so ein bisschen das Meisterstück. Ein Hammer-Ergebnis und ein Hammer-Rennen, mit Stil nach Hause gefahren. Die Art und Weise war glaube ich verdient, ein super Ergebnis für uns und für das Team."
"Wenn ich mich spontan zurückerinnern muss, fällt mir auch das Qualifying in Barcelona ein. Q1, Q2, Q3 - für mich persönlich eine Hammer-Runde nach der anderen, ich bin immer schneller geworden. Das war wirklich 100 Prozent, wie auch in Abu Dhabi. Trotzdem war ich am Ende 15. Damit glänzt man nicht, aber das waren Dinge, wo ich selbst weiß, dass das Highlights waren. Die werden von der Außenwelt nur nicht wahrgenommen, weil das Ergebnis halt nicht da ist."
Frage: "Versucht man dann, auch abseits der Medien, dazu beizutragen, dass es die Außenwelt, die anderen Teams mitbekommen?"
Hülkenberg: "Die bekommen es ja nur über die Medien mit."
Frage: "Aber es kann ja auch zum Beispiel dein Manager rumlaufen und den Teams dieses und jenes erklären."
Hülkenberg: "Das macht er auch sicher, aber nach dem Qualifying in Barcelona habe ich selbst auch gesagt, dass das 100 Prozent waren und dass man da nicht mehr machen kann. Wichtig ist für mich, dass ich wenigstens die persönliche Befriedigung für mich habe, wenn ich schon nicht die Befriedigung durch die Punkte bekomme. Zu wissen, dass es eine 1A-Runde war, das Maximum."
Frage: "Gab es 2013 auch Highlights abseits der Rennstrecke?"
Hülkenberg: "Die gibt's mit Sicherheit, die gibt's jedes Jahr. Interessante Geschichten mit Fans, schöne Erinnerungen und Momente, die man erlebt. Aber da erwischst du mich auf dem falschen Fuß, denn ich bin immer extrem schlecht darin, auf so etwas spontane Antworten zu geben!"
Selbst bei der Einreise schneller als die anderen
Frage: "Wir haben uns in Houston am Flughafen bei der Einreise getroffen. Du warst ein bisschen vor mir - und plötzlich warst du auch schon durch, während wir anderen noch lange gewartet haben. Wie macht ihr Formel-1-Fahrer das, immer und überall schneller zu sein?"
Hülkenberg: "DRS und KERS (lacht; Anm. d. Red.)!"
Hülkenberg: "Das trifft auf mich nicht zu, da bin ich relativ entspannt. Ich bin nicht der Erste, der aus dem Flugzeug rennt, weil er der Erste bei der Immigration sein will. Klar, wenn man Zeitdruck hat, dann ist man vielleicht mal schneller. Aber ansonsten reisen wir so viel, dass ich mir angewöhnt habe, in Flugzeugen entspannt zu sein. Dieses ganze Gehetze für zwei Minuten macht nicht die Welt aus."
Frage: "Das heißt, du bist dann auch keiner von denen, die privat bei Spielen nicht verlieren können? Steckst du das gut weg?"
Hülkenberg: "Ja, genau. Wenn ich verliere, zum Beispiel im Poker gegen meine Freundin, dann ist nicht der ganze Abend im Eimer (lacht; Anm. d. Red.)! Das muss man unterscheiden können. Das kann ich."
Frage: "Auf der Kartbahn mit Freunden würde es aber wahrscheinlich anders aussehen, oder?"
Hülkenberg: "Ich war ewig nicht mehr auf der Kartbahn."
Frage: "Wann zum letzten Mal?"
Hülkenberg: "Ich schätze, das ist drei, vier Jahre her."