Lopez: "Kimi wird oft missverstanden"
Für Gerard Lopez entspricht das öffentliche Bild von Kimi Räikkönen nicht dem Menschen, den der Lotus-Teambesitzer als wahren Freund bezeichnet
(Motorsport-Total.com) - Zuerst in Indien der Disput am Boxenfunk mit Alan Permane, gestern die abgesagten Medientermine in Abu Dhabi. Geht die Beziehung zwischen Kimi Räikkönen und Lotus in der Schlussphase der Zusammenarbeit in die Brüche? Von wegen, entgegnet Teambesitzer Gerard Lopez. Im Interview beleuchtet der Luxemburger ausführlich den Menschen Räikkönen, dessen öffentliches Bild sich seiner Meinung nach stark vom wahren Menschen unterscheidet. Außerdem spricht Lopez über die Ziele des Teams in den letzten drei Saisonrennen und blickt auf die positive Entwicklung von Romain Grosjean.
© xpbimages.com
Gerard Lopez hat in Kimi Räikkönen einen Freund im Formel-1-Fahrerlager gefunden Zoom Download
Frage: "Herr Lopez, welches Ziel verfolgt das Team in den nächsten drei Rennen?"
Gerard Lopez: "Das Ziel ist klar, wir wollen den zweiten Platz in der Konstrukteurs-Meisterschaft gewinnen. So lange das mathematisch möglich ist, sollte das unser einziges Ziel sein. Das würde in vielerlei Hinsicht einen großen Unterschied machen. Wir verfügen wohl über das zweitbeste Auto im Feld, daher gibt es keinen Grund, warum wir nicht um die zweite Position kämpfen sollten und sie erobern können."
Frage: "Wie ist die Beziehung zu Kimi?"
Lopez: "Gut. Ich spreche öfter mit Kimi als sich viele Leute vorstellen können, allerdings unterhalten wir uns dabei nur selten über die Formel 1. Aktuell wird aus der Diskussion zwischen Alan Permane und Kimi, die in einem angespannten Moment während des Rennens erfolgte, natürlich eine Menge gemacht, aber das war nur ein Austausch, der in einigen Sekunden während einer zweijährigen Partnerschaft erfolgte. Es waren sicherlich nicht die vorteilhaftesten Sekunden, aber man muss auch einmal inne halten und akzeptieren, dass alle den Rennsport leidenschaftlich betreiben. Dann passieren solche Dinge manchmal."
Räikkönen privat nicht der große Schweiger
Frage: "Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Kimi?"
Lopez: "Aus meiner Sicht wird Kimi oft missverstanden. Er ist tatsächlich ein sehr gesprächiger, sehr freundlicher Typ. Wenn man im Rampenlicht steht, möchten es die Leute leider immer so aussehen lassen, als gäbe es große Kämpfe. Seinen Wechsel zu Ferrari haben wir beispielsweise miteinander besprochen, und das war eine sehr aufrichtige Diskussion."
"Sie war zugleich sachlich aber auch sehr emotional, und auch wenn es möglicherweise lustig klingt, muss ich sagen, dass er sehr menschlich ist. Das Image des 'Iceman' trifft nur auf der Rennstrecke zu, wo er sehr cool agiert und ein sehr guter Fahrer ist. In Wahrheit ist er sehr nett und gesprächig. Ich habe in den vergangenen beiden Jahren in der Formel 1 einen Freund gewonnen, war hier äußerst schwierig ist."
Frage: "Hat sich nach der Bekanntgabe seines Wechsels zu Ferrari etwas an der Beziehung verändert?"
Lopez: "Wir hatten lange Zeit die Möglichkeit, ihn bei uns zu halten, konnte aber beim Zeitrahmen oder dem Angebot von Ferrari nicht mithalten. Für mich ist das traurig, es ist, als würde uns ein verlorener Sohn verlassen."
Räikkönen brachte das Team voran
Frage: "Was hat Kimi dem Team in den vergangenen beiden Jahren gebracht?"
Lopez: "Er hat dem Team einige Menge gebracht. Einige Dinge sind offensichtlich, andere weniger. Zunächst hat Kimi dafür gesorgt, dass das Team keine Ausreden mehr hat. Wir wussten, dass wir einen der besten Formel-1-Fahrer haben, daher gab es keine Zweifel daran, ob das Auto gut genug war oder nicht. In Kimi hatten wir eine Messlatte. Dadurch konnten die Leute daran glauben, dass sich die Arbeit, die wir ins Auto und die Entwicklung stecken, auf der Strecke auszahlt. Das ist für alle Mitarbeiter im Team und der Fabrik sehr motivierend, wenn sich die Anstrengungen in Leistung auf der Rennstrecke auszahlen."
Fotostrecke: Formcheck: GP Vereinigte Arabische Emirate
Sergio Perez (Chancen: *): McLaren hatte zuletzt wieder Rückenwind - und eine ganze Saison ohne McLaren-Podium, das ist eigentlich undenkbar. Button hat hier zwar 2009 seine WM-Party gefeiert, aber gegen Hamilton in den gemeinsamen McLaren-Jahren nie Land gesehen. Daher lautet unsere Prognose: Wenn das Team aus Woking an diesem Wochenende überrascht, dann eher mit Perez. Der hat 2012 im Qualifying immerhin Kobayashi gut eine halbe Sekunde eingeschenkt. Fotostrecke
"Darüber hinaus passt er sehr gut in die Kultur unseres Teams. Wir sind an der Spitze des Motorsports und arbeiten sehr hart und ernsthaft, aber niemand im Team sieht die Formel 1 als elitären Club an, in dem man keinen Spaß haben darf. Wir haben zu vielen Dingen eine sehr entspannte Einstellung, aber sicherlich nicht zu unserer Leistung und der Entwicklung. Bei uns geht es nicht so klinisch wie bei anderen Teams zu, und da hat er sehr gut hineingepasst. Für uns ist es wichtig, dass alle Teile des Puzzles perfekt zueinander passen, und das war in seinem Fall so. Ich denke, es ist eine der besten Partnerschaften in der Formel 1."
"Des weiteren hat er Romain dabei geholfen, sich zu dem Fahrer zu entwickeln, der er heute ist. Wäre Romain neben einem weiteren jungen oder weniger fähigen Fahrer gefahren, wüssten wir vielleicht immer noch nicht, wie gut er wirklich ist. Romain liefert vielleicht deshalb jetzt diese Resultate ab, weil er neben einem der besten Formel-1-Fahrer fährt. Kimi hat uns bei der Weiterentwicklung von Romain sehr geholfen."
David Lotus kämpft gegen die Goliaths
Lopez: "Wir werden ihn vermissen, denn diese Partnerschaft ist in der Formel 1 etwas ganz besonderes und wird auch als solche in Erinnerung bleiben. Der Gedanke, dass er im nächsten Jahr nicht in unserem schwarz-goldenen Auto sitzen wird, fällt mir schwer. Ich denke, ihm geht es genau so. Wir bereuen nichts, aber es herrscht eine gewisse Traurigkeit, auch wenn wir sie manchmal überdecken wollen. Wir werden ihn vermissen, und nach meinen Gesprächen mit ihm denke ich, dass auch er das Team vermissen wird. Das ändert aber nichts an unserer Beziehung und der Tatsache, dass ich einen Freund gewonnen habe. Das wird weiter bestehen."
Frage: "Was denken Sie hält die Zukunft für Kimi bereit?
Lopez: "Ich denke, er wird bei Ferrari einen guten Job machen. Wir haben gesehen, wozu er in der Lage ist."
Frage: "Wie befriedigend ist es am Ende einer hart umkämpften Saison über eines der besten Autos zu verfügen und in beiden Meisterschaften um den zweien Platz zu kämpfen?"
Lopez: "Es ist sehr zufriedenstellend, wenn man als kleinstes Team der großen vier und fünf nicht nur vor den Teams mit vergleichbaren Budgets, sonder auch vor den meisten größeren platziert ist. Das erfüllt uns an jedem Wochenende mit Stolz. Es ist wie der Kampf David gegen Goliath, der sich in jeder Saison wiederholt."
"Wir mussten einige Herausforderungen bewältigen, wie 2011 den ambitionierten technischen Ansatz mit dem nach vorne verlegten Auspuff oder dem Wechsel der Reifenkonstruktion, aber das Team hat jeweils stärker zurückgeschlagen. Wir haben nie aufgehört zu kämpfen, darauf können wir wirklich stolz sein. De facto haben wir in den vergangenen vier oder fünf Rennen mehr Punkte als alle anderen mit Ausnahme von Red Bull gewonnen, und so war von einigen Ausnahmen abgesehen im gesamten Jahr. Ich denke niemand kann jetzt ernsthaft noch behaupten: 'Diese Jungs wissen nicht, wie man weiterentwickelt.' Wir können zurecht stolz darauf sein, wie wir auf die Herausforderungen reagiert haben."
Frage: "Romain scheint immer besser in Form zu kommen und liefert wirklich gute Leistungen ab..."
Lopez: "Wir haben schon seit langer Zeit gesagt, dass Romain das Zeug zu einem großartigen Formel-1-Fahrer hat, und das zeigt sich jetzt. Er hat einen natürlichen Speed und verfügt über Talente, die nur wenige Fahrer haben. Wir haben an Romain festgehalten, weil wir von seinem Talent überzeugt waren. Nun weiß jeder, wie gut er ist; dass Romain dieses Niveau erreicht hat, macht uns sehr glücklich. Warum hätten wir ihn behalten sollen, wenn es nicht so wäre, wie wir immer gesagt haben? Wir verfügen derzeit ohne Frage über eine der stärksten Fahrerpaarungen in der Formel 1."