Vettel glücklich: Lotus ausdauernder, aber Red Bull schneller
Wieder einmal war Sebastian Vettel nicht zu schlagen, doch während Lotus seine Reichweitenvorteile ausspielte, setzte Red Bull auf seinen Speed
(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel feierte heute in Südkorea seinen vierten Sieg in Folge. Der Red-Bull-Pilot baute mit dem Erfolg in Yeongam seinen Vorsprung vor Fernando Alonso auf 77 Punkte aus und ist wohl nur noch theoretisch von der Spitze zu verdrängen. Und während für Außenstehende alles wie immer einfach aussah, erklärt der Deutsche auf der Pressekonferenz, warum es doch kein Zuckerschlecken war und warum die Meisterschaft für ihn noch nicht vorbei ist.
Frage: "Sebastian, Glückwunsch zum Sieg und dem Bezwingen des Fluchs von Südkorea."
Sebastian Vettel: "Fluch?"
Frage: "Bisher gab es noch keinen, der hier von der Pole gewonnen hat."
Vettel: "Es ist mit Sicherheit gut. Sollten wir wiederkommen, wird man mit dem, der auf Pole steht, wahrscheinlich reden und sagen: ''Ja, es hat nur ein Fahrer bisher von Pole gewonnen. Es ist wahrscheinlicher, dass man gewinnt, wenn man nicht von Pole startet.' Also, das ist völliger Blödsinn."
"Ich denke, Fluch hin oder her, es war ein fantastisches Rennen für uns. Das Auto war fantastisch, die Boxenstopps waren super und ich glaube, dass wir heute die Nase vorne hatten, was den Speed anging. Aber was die Ausdauer anging, da waren die Lotus heute schneller. Gegen Ende haben wir uns im Vergleich zu allen nicht schwer getan, aber vielleicht zu Lotus. Trotzdem war der Speed da und im Moment passt es einfach."
Vettel: Strategisch gut gefahren
Frage: "Du musst zufrieden mit dem Verlauf des Rennens sein."
Vettel: "Definitiv. Der Start war entscheidend. Ich hatte einen sehr guten Start und konnte die erste Runde so vorbereiten, damit ich einen wirklich starken Ausgang habe. Das war wichtig, denn auf der langen Gerade macht man sich immer fast in die Hose. Man ist immer ein bisschen nervös, weil man nicht weiß, ob es das Beste ist, als Erster, Zweiter, Dritter oder was auch immer durch die erste Kurve zu fahren. Glücklicherweise hatte Lewis ein paar Probleme mit Romain hinter ihm. Da ich einen starken Kurvenausgang hatte, konnte ich die Führung verteidigen."
"Nach Kurve drei hatte ich noch ein wenig KERS übrig und ich konnte in der ersten Runde die Führung behaupten. Im zweiten und dritten Sektor habe ich auch ein enorm gepusht und mir so einen Vorsprung herausgefahren. Der erste Stint auf Option-Reifen war mehr oder weniger der beste, den wir hatten. Danach war es ziemlich ausgeglichen mit Romain. Ich denke, sie hatten heute vielleicht eine größere Reichweite als wir, aber wir hatten mehr Speed."
"Das Safety-Car hat nicht unbedingt gegen uns gearbeitet. Wir konnten die Führung behalten, hatten zwei gute Re-Starts und genügend Pace, um uns wieder einen Vorsprung zu erarbeiten. Im Großen und Ganzen ist es fantastisch. Ich liebe einfach, was ich tue. Das Team ist fantastisch. Ich denke, wir haben alle eine gute Zeit und genießen den Moment wirklich."
Frage: "Gab es Momente des Zitterns?"
Vettel: "Ja. Auch wenn es von außen nicht so aussieht, aber ich hatte natürlich einen guten Blick auf die Vorderreifen. Ich saß ja in der ersten Reihe sozusagen. Der vordere rechte Reifen sah gegen Ende des Stints nicht so gesund aus. Deswegen gab es auch viele Funksprüche vom Team, die wahrscheinlich auch übertragen worden sind. Es ist immer ein bisschen ein Zittern hier. Ich glaube im letzten Jahr war es ähnlich. Die Tatsache, dass der vordere rechte Reifen nicht mehr körnt, liegt daran, dass einfach kein Gummi mehr drauf ist. Man hat fast kein Profil mehr. Als Fahrer denkt man sich: 'Super, jetzt hat sich alles wieder beruhigt und das Auto geht wieder', aber man kann natürlich beim Bremsen böse überrascht werden."
Sorgen um die Reifen
Vettel: "Es ist bekannt, dass der rechte Vorderreifen auf dieser Strecke Probleme bereitet. Wir haben das in den vergangenen Jahren gesehen und es ist prinzipiell gut, dass das Team einen über Funk warnt. Man sieht natürlich was passiert. Die Reifen körnen sofort und stabilisieren sich dann wieder. Aber wenn sie aufhören zu körnen, dann ist nichts mehr übrig, und das ist ziemlich gefährlich, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass man die Reifen mächtig blockiert. Man bekommt einen Bremsplatten, der darauf hinausläuft, dass man seinen Stint frühzeitig beenden muss oder einen Reifenschaden bekommt. Also ja, man musste sich schon Sorgen über sie machen, wie im vergangenen Jahr. Ich dachte, dass ich es mehr oder weniger gut unter Kontrolle hatte, aber es ist gut, darüber zu kommunizieren."
Frage: "Hast du erwartet, nur elf Runden auf den weichen Reifen im ersten Stint zu drehen?"
Vettel: "Um ehrlich zu sein denke ich, dass wir als letztes hereingekommen sind. Wir haben auf die Leute hinter uns reagiert. Ich glaube, Lewis hat in Runde neun gestoppt, Romain in Runde zehn. In der Hinsicht mussten wir reagieren, weil ein zehn, zwölf Runden alter Supersoft langsamer ist als ein neuer Medium. Ich denke, wir hätten noch zwei oder drei Runden draußen bleiben können, aber das hat unserer Strategie jetzt nicht geschadet. Wir haben mehr oder weniger mit einem Stopp in diesem Zeitraum gerechnet."
Vettel: "Ich bin glaube in Kurve 15 eingebogen und habe gesehen, dass das Safety-Car rauskommen wird, also haben wir sofort gestoppt - wie auch Romain. Kimi war ein paar Runden davor schon an der Box, also waren seine Reifen schon ein wenig älter. Es hat eine ganze Weile gedauert, bevor das Safety-Car wieder reingekommen ist, und dann gab es eine weitere Safety-Car-Phase: In Sachen Reifenalter dürfte das also kein Problem gewesen sein. Natürlich werden die Autos gegen Ende auch leichter, also mussten wir glücklicherweise nicht das absolute Maximum von den Reifen fordern."
Seriensieg: Keine einfache Sache
Frage: "Hätte Lotus euch ohne Safety-Car noch einholen können?"
Vettel: "Ich denke, dass es ziemlich eng geworden wäre. Man weiß nie, ob das Safety-Car einem hilft oder nicht. Wie schon gesagt, hatte der Lotus heute eine größere Reichweite, aber wir hatten mehr Speed. Romain hätte vielleicht vor dem letzten Stint ein wenig eher in die Box kommen können. Vielleicht hätten wir nicht sofort darauf reagieren können, weil wir wissen, dass es für unsere Reichweite eng werden wird. Am Ende war Kimi ziemlich konstant und ist Zeiten von 1:42.0 Minuten gefahren und wir hatten nur zwei oder drei Zehntel in der Hinterhand - ganz am Ende vielleicht ein wenig mehr. Ich denke, er hat die Lücke zu Romain hinter ihm kontrolliert."
Frage: "Für die Zuschauer war es wohl wie eine Prozession mit Unterbrechung. Wie war es für dich?"
Vettel: "Für mich ist das Arbeit. Es ist ja nicht so, als würde ich mich da vorne ausruhen und einfach meine Runden drehen und davonziehen. Man muss natürlich schon schauen, dass immer alles passt. Ich glaube, anderen geht es im Rennen genauso. Vielleicht ist der Unterschied, dass sie nicht auf Platz eins fahren sondern auf Platz sechs und versuchen, die Lücke nach vorne zu schließen und den Hintermann hinter sich zu halten. Jede Runde ist aufs Neue eine Herausforderung - gerade hier - mit den vorderen rechten Reifen immer hauszuhalten und die Abstände zu managen. Ich glaube, der Speed war da, aber man muss es dann auch ins Ziel bringen."
Frage: "Was hast du gedacht, als du das Feuerwehrauto plötzlich auf der Strecke gesehen hast?"
Vettel: ""Ich habe - glaube ich - einen BMW gesehen. Nein, es sah nur wie ein BMW aus. Ich denke, es war ein Hyundai oder Kia SUV. Willst du auch das Nummernschild? Es war nicht Bernd Mayländer, also war es nicht das Safety-Car. Das habe ich bemerkt. Das Team sagte dann 'Gelbe Flagge', aber es war nicht klar, dass das Safety-Car herauskommen würde. Dann habe ich das Safety-Car-Schild blinken sehen und bin vom Gas gegangen."
"Ich habe natürlich gesehen, dass sich da ein anderes Auto auf der Strecke befand, habe es ganz ruhig angegangen und sichergestellt, dass ich vorbeikomme. Im ersten Moment hofft man natürlich, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Ich habe gesehen, dass der Mark links außen steht und dass das Auto ziemlich schlimm aussah. Aber er war neben dem Auto. In dem Moment war das ein Zeichen, dass alles gut ist. Das ist das Wichtigste."
Immer Gas geben...
Frage: "Befindet ihr euch in dem berühmten 'Flow'?"
Vettel: "Das Geheimnis ist - wenn es überhaupt eins gibt - dass wir uns nicht so viele Gedanken machen, sondern einfach plump gesagt unsere Arbeit machen und die genießen. Ich glaube, da ist man schon im Vorteil, wenn man Spaß dabei hat und sich nicht allzu viel Gedanken um das drumherum macht."
"Die letzten drei Rennen waren schon eine Ausnahme für uns. Damit kann man nicht rechnen, wenn man aus der Sommerpause rauskommt. Ich glaube, es spricht für uns als Team allgemein, dass wir einfach immer weiter pushen und alles versuchen herauszuquetschen. Auch wenn das Auto gut ist und den Anschein macht, dass alles in Ordnung ist, gibt es trotzdem Dinge, an denen wir feilen und tüfteln und versuchen sie besser zu machen."
"Nicht nur an der Strecke, sondern auch in der Fabrik geht es immer weiter. Und so versuchen wir bis zum Ende des Jahres noch Vollgas zu geben - und genauso für nächstes Jahr, was natürlich ein großer Schritt ist, weil so viele Neuerungen kommen. Trotzdem, glaube ich, dass es ein Vorteil ist, wenn man alles, was man in diesem Jahr noch lernen kann, mitnimmt."
Frage: "Es gab gar keine Pfiffe heute. Ist das angenehmer?"
Vettel: "Es waren auch gar nicht so viele Fans hier. Es wird ja immer kritisiert, dass nichts los ist, aber es war schon erstaunlich. Die Haupttribüne war ziemlich voll und generell herrscht in Asien einfach eine andere Stimmung. Die Leute sind irgendwie anders. Das Highlight ist mit Sicherheit der Grand Prix nächste Woche in Suzuka. Dort sind die Fans normalerweise am verrücktesten. Ich denke, es ist die beste Strecke auf der ganzen Welt, um ehrlich zu sein."
Frage: "Euer Auto scheint auf jeder Strecke derzeit gut zu funktionieren. Jetzt kommt eine Strecke, auf der es in Vergangenheit auch gut funktioniert hat. Was erwartest du dort?"
Vettel: "Es ist immer schwer zu sagen, was man erwartet. Ich glaube, wir gehen ziemlich ohne Erwartungen in das nächste Rennen. Eine gewisse Grunderwartung ist da. Wenn man die letzten Rennen so gut abschließt, dann wünscht man sich natürlich auch, dass es so weitergeht, aber ich glaube es wäre vermessen zu glauben, dass ein Sieg Voraussetzung ist."
"Ich glaube wir wissen selber, wie viel Arbeit dahintersteckt und dass sowas nicht von alleine passiert, sondern dass wir da auf dem Gas bleiben müssen. Im Moment läuft es einfach, ich glaube wir haben unseren Spaß, es passt einfach alles zusammen. Deshalb schauen wir alle nach vorne und freuen uns auf das nächste Rennen in Japan."
Mit Zuversicht zur "besten Strecke der Welt"
Frage: "Du hast 77 Punkte Vorsprung bei noch fünf ausstehenden Rennen. Rechnest du nicht manchmal, dass das schon ziemlich beruhigend ist?"
Vettel: "Naja, es ist mit Sicherheit besser als auf Platz zwei zu sein im Moment. Ich glaube, das wissen wir schon. Wir wissen auch, dass es noch mehr Punkte gibt, die man einfahren kann. Ehrlich gesagt schauen wir nicht zu weit nach vorne, wir schauen auch nicht zurück - sondern konzentrieren uns darauf, was gerade im Moment passiert und was direkt vor uns liegt. Wir haben einfach Spaß dabei, unser Auto funktioniert, wir funktionieren als Team zusammen - und in dem Sinne freuen wir uns auf das nächste Rennen in Japan."
Frage: "Mit zwei Siegen wärst du auf der sicheren Seite."
Vettel: "Es gibt ungefähr eine Million Möglichkeiten, wie, wann und wo wir die Weltmeisterschaft gewinnen können. Es gibt aber auch noch Möglichkeiten, wie wir sie nicht gewinnen. Solange diese noch da sind, müssen wir uns auf uns selbst fokussieren. Wir müssen das Auto an jedem Wochenende in das richtige Fenster bringen. Auch wenn wir heute viele Runden lang in Führung waren, war es kein Zuckerschlecken. Man muss immer noch den Job erledigen und auf alles achten. Wir müssen unsere Augen offen halten und uns auf jeden Schritt einzeln konzentrieren."
Frage: "Du hast deine drei WM-Titel bisher alle auf unterschiedlichen Kursen gewonnen. Auf welcher Strecke wäre es für dich am besondersten, deinen vierten Titel zu gewinnen?"
Vettel: "Um ehrlich zu sein, spielt das keine Rolle. Ich denke, dass es sowieso eine außergewöhnliche Situation ist. Auch wenn es sehr gut aussieht, ist es noch nicht vorbei. Wir sollten uns nicht zu komfortabel fühlen. Auf welcher Strecke? Das ist nicht wirklich wichtig. Mit Sicherheit gibt es ein paar Strecken, die einem Fahrer ein wenig mehr bedeuten als andere. Generell gibt es aber keine Strecke im Kalender, die ich nicht mag, aber es gibt auch ein paar Highlights. Ich habe gesagt, dass Japan einer der Höhepunkte sein wird, aber in Sachen Meisterschaft ist unser Ziel, sie zu gewinnen und nicht sie an einem bestimmten Ort zu gewinnen."