Alonso: "Für uns schmeckt das wie ein Sieg"
Fernando Alonso kann in Singapur auch mit dem zweiten Platz gut leben und weiß, dass er an jedem Wochenende Glück braucht, wenn er den Titel noch gewinnen will
(Motorsport-Total.com) - Dass Ferrari heute nicht das Optimum herausgeholt habe, kann dem Team nach dem Großen Preis von Singapur wohl niemand vorwerfen. Angesichts der Dominanz von Sebastian Vettel war der zweite Platz von Fernando Alonso wohl das Höchste der Gefühle. Dennoch glaubt der Spanier, dass auch eine kleine Siegchance bestanden habe. Warum er das meint, und wie er seine Chancen in der WM jetzt noch sieht, das erzählt er in der Pressekonferenz.
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Daumen hoch: Für Fernando Alonso fühlte sich auch der zweite Platz wie ein Sieg an Zoom Download
Frage: "Fernando, du bist wieder einmal auf dem Podium und hast wieder einmal viele Fans glücklich gemacht. Erzähl von deinem brillanten Start."
Fernando Alonso: "Es war ein fantastischer Start. Wir wussten, dass wir heute nicht die Pace hatten, also mussten wir uns etwas einfallen lassen. Die erste Möglichkeit war der Start, und dann eine andere Strategie im Vergleich zu den anderen. Wir haben beides wahrgenommen: Wir hatten einen sehr guten Start und eine andere Strategie, die sich am Ende mit einem fantastischen Podium ausbezahlt hat. Für uns schmeckt das wie ein Sieg."
"Der Start war sehr gut, und ich war glücklich, die richtige Linie gewählt zu haben. In Kurve eins gibt es auf jeder Strecke Fahrer, die nach links ziehen und welche, die nach rechts ziehen. Und wir haben uns richtig entschieden. Und dann waren wir bereits Dritter, was für uns schon ein gutes Ergebnis gewesen wäre."
Frage: "Mit Vettel konntest du aber heute nicht mithalten."
Alonso: "Sie (Red Bull; Anm.) waren das ganze Wochenende über zu schnell und wir müssen ihnen zu diesem fantastischen Wochenende gratulieren. Beim nächsten Mal versuchen wir es besser zu machen."
Das Risiko ging auf
Frage: "Du bist in Runde 25 in die Box gekommen und hast die Reifen ab da bis zum Ende draufbehalten. Wie konntest du deine Reifen schonen, während zum Beispiel die McLaren am Ende große Probleme hatten?"
Alonso: "Es war ein riskanter Move, aber wir sind in der Meisterschaft in einer Position, in der wir nichts mehr zu verlieren haben. Ob man nun im Rennen Zweiter oder Fünfter wird, macht eigentlich keinen Unterschied. Wir haben gepusht, gleichzeitig aber auf die Reifen aufgepasst. Das Auto ging im Rennen ziemlich gut und die Fans haben uns gepusht, um ein paar Extrazehntel zu gewinnen."
Frage: "Wie haben sich die 36 Runden auf einem Reifensatz angefühlt?"
Alonso: "Es war natürlich nicht einfach, mit diesen Reifen das Rennen zu beenden, aber wir haben uns an diese Strategie gebunden, als wir während des Safety-Cars in die Box kamen. Durch unseren aufgebauten Vorsprung konnten wir die Pace über den gesamten letzten Stint kontrollieren. Als Rosberg in der Safety-Car-Phase nicht an die Box kam, haben wir uns dazu entschlossen, weil wir etwas anderes versucht haben. Wir waren an diesem Wochenende einfach zu langsam. Wir waren nicht auf dem Level, auf dem wir sein sollten. Wir haben darum ein paar andere Dinge ausprobiert, was sich am Ende mit einem fantastischen zweiten Platz ausbezahlt hat. Für uns schmeckt das wie ein Sieg."
Kleine Siegchance vorhanden
Frage: "Hattest du irgendeine Referenz, dass die Reifen so lange durchhalten, oder habt ihr einfach alles riskiert?"
Alonso: "Wir wussten nicht genau, wie lange die Reifen halten würden. Wir haben vielleicht nicht erwartet, dass sie so lange halten. Wir haben in der Meisterschaft 60 Punkte Rückstand. Wenn es funktioniert: Okay. Wenn es nicht funktioniert, werden wir statt Zweiter vielleicht Vierter oder Fünfter. Es gab die kleine Chance, dass - wenn Rosberg, Webber und Hamilton nach dem Safety-Car nicht so langsam gewesen wären - Sebastian nicht die nötigen 28 Sekunden herausgefahren hätte, um vor mir herauszukommen. Aber Nico hatte, glaube ich, ein Problem mit dem Frontflügel, Webber gingen die Reifen aus und Hamilton ist als Letzter in die Box gekommen."
"Als ich freie Strecke hatte, ist Sebastian in die Box und kam schon vor mir raus. Es gab nur eine kleine Chance, vielleicht das Rennen anzuführen, aber es wäre natürlich sehr schwierig gewesen, Sebastian hinter mir zu halten. Er hätte neue Reifen gehabt und wir eine sehr langsame Pace. Aber wir haben es probiert, hatten nichts zu verlieren, und ich denke, dass dies die Strategie im letzten Teil der Meisterschaft ist. Wir sind nicht so schnell wie sie im Qualifying und im Rennen, also werden wir etwas anderes ausprobieren."
Frage: "Wessen Entscheidung war es, draußen zu bleiben? Hast du das entschieden oder kam das vom Team?"
Alonso: "Es kam vom Team. Ich fragte, wie viele Runden noch zu fahren sind, und sie sagten mir 36. Sie sagten außerdem, dass wir in die Box kommen werden und dann entscheiden. Zudem Zeitpunkt haben wir gegenüber Webber und Hamilton nur zwei Positionen verloren. Das Safety-Car ist ziemlich lange draußen geblieben, also haben sie mir gesagt: 'Unser Ziel ist, bis zum Ende zu kommen'. Nach dem Restart musste ich also 32 Runden lang auf die Reifen aufpassen."
Zwei Stunden Singapur: Muss das sein?
Frage: "Wir haben während des Rennens eine Funknachricht deines Renningenieurs gehört, in der er sagte: 'Gib auf deine Reifen Acht, wir müssen die Supersofts auf das Auto machen. Achte auf Paul di Resta, er ist hinter dir.' War das ein trickreicher Scherz für die anderen, damit Mercedes noch einmal stoppt?"
Alonso: "Ich denke, das kam am TV nicht klar rüber, denn was sie mir gesagt haben, war, dass ich auf Paul di Resta hinter mir aufpassen sollte, weil er auf neuen Supersofts war, während ich auf Mediums fuhr. In den ersten Runden gab es einen Performancevorteil von rund einer Sekunde, also wusste ich, dass Paul mich vielleicht in den ersten Runden auf Supersofts attackiert. Das war die Nachricht: Achte auf di Resta."
Alonso: "Es ist ziemlich lang. Es ist das einzige Rennen, wo wir in jedem Jahr zwei Stunden lang fahren. Wir fahren Zeiten von 1:55 Minuten, 61 Runden, also ist es sehr einfach vorherzusehen, dass es immer zwei Stunden dauern wird. In Monaco, ebenfalls ein langsamer Stadtkurs, fahren wir nicht 300 Kilometer sondern nur 200 und irgendwas. Das ist eine vernünftige Zeit. Das ist etwas, was wir vielleicht bedenken sollten, aber das tun sie nicht. Das ist aber okay. Seit fünf Jahren fahren wir hier zwei Stunden. Im vergangenen Jahr sind wir nur 59 Runden gefahren, weil wir die Zwei-Stunden-Marke schon vorher überschritten haben. Wir müssen das mit dem Verband klären, aber ich bin mit jeder Entscheidung glücklich."
Frage: "Ihr habt Updates mitgebracht, die euch näher an Red Bull bringen sollten, aber das hat nicht geklappt. Du liegst 60 Punkte zurück, es gibt noch sechs Rennen zu fahren. Weißt du, wie du das Blatt noch wenden kannst?"
Alonso: "Wir müssen realistisch sein. Es sind nur noch wenige Rennen zu fahren und die Lücke wird mit jedem Wochenende größer. Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein und wissen, dass wir eine Menge Glück brauchen. Wir brauchen kein Glück in Südkorea, wir brauchen Glück in Südkorea, in Japan, in Indien, in Abu Dhabi...Wir brauchen an jedem Wochenende Glück, wenn uns pro Runde eine Sekunde fehlt. Wir brauchen viel Glück. Auf der anderen Seite sind wir ein sehr unbequemer Gegner, denke ich. Denn wenn wir das Glück bekommen, dann schlagen wir auch zu."
Die Stunde Null als große Chance
Frage: "Hast du schon akzeptiert, dass du vielleicht ein weiteres Jahr auf deinen ersten Titel mit Ferrari warten musst?"
Alonso: "Wie gesagt, es gibt nichts, das wir tun können. Natürlich versuchen wir unser Maximum und versuchen, das Auto für jedes Rennen zu verbessern. Das tun wir auch, allerdings nicht genug im Vergleich zu unseren Gegnern. Sie machen einen besseren Job als wir, sie sind an jedem Wochenende fantastisch. Sie gewinnen und verdienen diese Siege auch. Es ist ein Sport, irgendjemand muss immer gewinnen. Der Beste gewinnt und wir sind im Moment nicht die Besten, aber wir werden weiter arbeiten."
Frage: "Bist du zuversichtlich, dass ihr die Lücke zu Red Bull in der kommenden Saison schließen könnt?"
Alonso: "Ich denke, wir starten im kommenden Jahr bei null - komplett bei null. Es gibt große Veränderungen im Reglement, das ist also unsere beste Möglichkeit, die Lücke zu schließen. In diesem Jahr herrschte eine gewisse Kontinuität. Ich denke, wir haben ganz gut begonnen. In Australien waren wir konkurrenzfähig. Vielleicht nicht im Qualifying, aber im Rennen konnten wir zusammen mit Lotus sehr, sehr gut auf unsere Reifen aufpassen."
"Wir haben in China gewonnen, wir haben in Spanien gewonnen, und dann schienen wir ein bisschen Performance verloren zu haben. Besonders als die 2012er Reifen zurückkamen, war für uns der Punkt gekommen, an dem wir der Meisterschaft 'bye bye' gesagt haben. Im nächsten Jahr starten wir aber bei null. Wir werden all unsere Anstrengungen und Hoffnungen in 2014 setzen, weil von neuem zu starten unsere beste Möglichkeit ist, die Lücke zu den Topteams zu schließen."