Dennis: "Formel 1 ist mein Blut und wird es immer sein"
Der Brite blickt auf seine Zeit als McLaren-Teamchef zurück und erinnert dabei vor allem an seine Piloten, deren Eigenschaften und Arbeitsweisen
(Motorsport-Total.com) - Am 2. September 2013 feierte McLaren sein 50-jähriges Firmenjubiläum. Einer, der den Rennstall geprägt hat wie möglicherweise kein Zweiter, ist der ehemalige Teamchef Ron Dennis. In einem Interview blickt der Brite auf seine Anfänge zurück und beleuchtet vor allem die Piloten, mit denen er in all den Jahren zusammengearbeitet hat.
Frage: "Herr Dennis, Sie sind in den frühen Achtzigerjahren bei McLaren an die Macht gekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Team 1974 mit Emerson Fittipaldi und 1976 mit James Hunt die Weltmeisterschaft gewinnen können. Mit welchen Gedanken blicken Sie an diese Zeit zurück?"
Ron Dennis: "Es ist schwierig für mich, dies objektiv zu bewerten. Ich war natürlich auch schwer beschäftigt mit meinem eigenen Rennteam während der späten Siebzigerjahre."
"Meine Teams sind in der Formel 2 und in der Formel 3 gefahren und wir haben ProCars für BMW gebaut. Es war also nicht viel Zeit für mich darüber nachzudenken, was in der Formel 1 passierte, auch wenn es absolut mein Ziel war, in den Grand-Prix-Sport zu kommen."
"McLaren hatte die Weltmeisterschaft mit Emerson Fittipaldi 1974 und mit James Hunt 1976 gewonnen, dann haben sie die Ground-Effect-Technologie nicht in den Griff bekommen, hatten ein paar mittelmäßige Jahre, lagen am Boden, waren aber nicht am Ende. Allerdings habe ich verstanden, was McLaren erreichen könnte, wenn sie ein stärkeres Auto hätten, wie sie es mit der starken Performance des M23 mit sowohl Emerson, als auch James gezeigt hatten."
"In Bezug auf Bruce McLaren selber: Ich habe ihn nicht wirklich gekannt, da sich unsere Wege nicht wirklich gekreuzt haben, obwohl wir natürlich zur selben Zeit in der Formel 1 waren. Ich habe bei Cooper 1966 im selben Jahr angefangen, als er Bruce McLaren Motor Racing Ltd. in die Formel 1 gebracht hat - ich denke, es ist eine schöne Symmetrie zu beobachten."
Dennis, der Revolutionär
Dennis: "Ich war immer und ich bin immer noch unerbittlich auf Wettbewerb aus. Als ich 1981 zurück in die Formel 1 kam, wollte ich mein eigenes Ding machen und ich hatte kein Interesse, der etablierten Konventionen zu folgen."
"Dieser Ansatz schien vielleicht mutig - oder tollkühn -, aber, wie die meisten Dinge zu dieser Zeit, war es aus der Notwendigkeit heraus geboren. Es war keine Zeit, zurückzuschauen und detaillierte Analysen durchzuführen. Innerhalb der ersten paar Monate in der Zusammenarbeit mit John Barnard hat er mich davon überzeugt, dass ein reines Carbon-Monocoque funktionieren würde. Ich hatte Vertrauen in unsere Fähigkeit und habe es bauen lassen. So sind wir nach vorne geprescht."
Dennis' erster Weltmeister: Niki Lauda
Frage: "Erzählen Sie uns ein bisschen über die Weltmeister, mit denen Sie bei McLaren gearbeitet haben, Ihr erster war Niki Lauda. Was war er für ein Typ?"
Dennis: "Ich hatte bereits 1979 mit Niki zusammengearbeitet, als wir die ProCars für BMW gebaut haben, ich kannte ihn also schon ein bisschen."
"Was Niki für mich von den anderen abgehoben hat, war seine Vorbereitung, seine Analysen und seine Fähigkeit zu wissen, wie er das verfügbare Kapital am besten und zu seinem Vorteil nutzen kann. Er war sehr sorgfältig. Seine Standpunkte und Fertigkeiten haben auch deshalb so gut zu der damaligen McLaren-Zeit gepasst, weil wir entwickelt sowie Rennen und Meisterschaften gewonnen haben. Nikis Mentalität war eine stetige Erinnerung, dass wir immer alles maximieren müssen, um wettbewerbsfähig an vorderster Spitze zu bleiben."
Dennis' Teamkampf: Ayrton Senna und Alain Prost
Frage: "Keine Geschichte über McLaren wäre vollständig, ohne an Alain Prost und Ayrton Senna zu erinnern. Sie haben sechs Fahrertitel für McLaren geholt, Was war das besondere an dieser Partnerschaft?"
Dennis: "Es war das allgemein bekannte Gefühl, dass Arbeiten mit Alain und Ayrton wie Feuer und Eis zu sein schien, was es nicht war."
"In vielerlei Hinsicht waren sich beide sehr ähnlich: beide hatten Unsicherheiten, beide waren unglaublich konkurrenzfähig, beide wollten krampfhaft gewinnen. Und beide wussten, dass ihr größter Konkurrent in der Garage nebenan stationiert war, was zu einer bestimmten Paranoia geführt hat."
"Alain war Niki in Bezug auf seine Vorbereitung sehr ähnlich. Er war penibel und pingelig bei dem, was er von seinem Auto verlangt hat. Er hat seine Erfolge mehr durch seine Sorgfalt als durch seinen Speed erreicht. Er kam vielleicht als der relaxtere der beiden rüber, aber in Wirklichkeit hat er unaufhörlich Lobbyarbeit betrieben, um einen Wettbewerbsvorteil zu bekommen."
"Ayrton hatte einen unterschiedlichen Intensitätsgrad, mit dem es nicht immer einfach war klarzukommen. Er war gewiss an der Grenze zum Paranoiden, fühlte sich verwundbar und verraten, wenn er meinte, dass man ihm nicht die volle, 100-prozentige Unterstützung gegeben habe. Es war eine große Herausforderung, aber eine, die ich durchweg genossen habe, weil es auf zwei Arten funktioniert hat. Wir wussten, dass wir ihnen die zwei schnellsten Autos im Fahrerfeld zur Verfügung gestellt haben - und das wussten sie auch. Das bedeutet aber auch, wenn du nicht gewinnst, tat es weh. Es bedurfte viel Diplomatie, um damit umzugehen."
"Keine Ära in der Formel 1 wurde so kompromisslos von einem Team dominiert, wie wir es bei McLaren mit Ayrton und Alain in den Jahren 1988 und 1989 getan haben. Die Statistiken sprechen für sich: 32 Rennen, 25 Siege. Natürlich waren unsere beiden Boliden äußerst konkurrenzfähig in diesen beiden Saisons, aber ebenso waren die beiden Kerle Meister ihres Fachs, die immer, und zu Recht, als die besten Fahrer der Formel-1-Geschichte in Erinnerung bleiben werden."
Dennis' Ziehsohn: Mika Häkkinen
Frage: "Was war Mika Häkkinen, oftmals als Ihr Ziehsohn bezeichnet, für ein Typ?"
Dennis: "Schnell. Ich schaue auf diese Zeit mit ziemlicher Zuneigung zurück. Wann immer ich an Mika denke, muss ich immer auch an David Coulthard denken, da sie so ein phantastisches Team gebildet haben. Wir waren glücklich, zwei Personen zu haben, die so selbstlos an das Konzept der Teamarbeit geglaubt haben."
"Mika war ein unkomplizierter Charakter. Er hat sich durch die zusätzlichen Belastungen eines Rennfahrers nicht verrückt machen lassen. Er hatte keine Entourage, er hat sich nicht in die Politik eingemischt, er hat sich um die Medien keinen Kopf gemacht. Alles, was er wollte, war am Limit Rennen zu fahren, wofür er gelebt hat. Auch, wenn man niemals Daten oder Fahrstile zwischen verschiedenen Generationen empirisch vergleichen kann - ich weiß, dass es bei McLaren etliche Leute gibt, die unverändert überzeugt davon sind, dass Mika der schnellste Fahrer war, den wir jemals hatten. Und das sagt alles."
"Mika hatte einen schelmischen Humor, der von außen nicht leicht sichtbar war, weil er sich oft dazu entschlossen hat, ihn zu verstecken. Wenn man aber näher an ihm dran war, hat er selten kein Lächeln auf seinem Gesicht gehabt. Es war ein großes Vergnügen, mit ihm zu arbeiten. Er war jemand wo du wusstest, dass er dich immer belohnen würde, weil er unterm Strich einfach so phantastisch schnell war."
Dennis, der Förderer
Frage: "Lewis Hamilton ist vielleicht das beste Beispiel, wie McLaren eine Karriere fordern kann, angefangen vom Kart bis zum Formel-1-Champion. Was für eine Befriedigung bringt dieser Erfolg?"
Dennis: "Ich habe neulich ein sehr schönes Zitat von Lewis gelesen, wo er gesagt hat, dass er - im Gegensatz zu anderen Fahrern, die sich McLaren angeschlossen haben und bereits zuvor in der Formel 1 gefahren sind - mit McLaren aufgewachsen ist."
"Ich denke, dass niemand die Bedeutung vorhersagen konnte, die er nach seinem Einstieg in die Formel 1 bekommen hat. Wir haben mit ihm einen Vertrag unterschrieben, weil er schnell ist und wir seine erste Saison als Ausbildungsjahr gesehen haben, wo er alles lernen sollte, was auch Ausrutscher und Fehler beinhaltete. Die Tatsache, dass er sich so schnell angepasst hat, war nicht nur seinem Hunger und seiner Leistungsfähigkeit zu verdanken, sondern auch ein Tribut an die hochwertige Ausbildung und die Unterstützung, die ihm McLaren über so viele Jahre zur Verfügung gestellt hat."
Frage: "Nach Hamiltons Erfolg in der Weltmeisterschaft sind Sie als Teamchef abgetreten und haben seitdem die vergangenen Jahre strategische Interessen als Vorsitzender der McLaren Group und McLaren Automotive erfolgt. Wie hat sich Ihre Rolle verändert?"
Dennis: "Ich liebe Racing und werde es immer tun. Formel 1 ist mein Blut und wird es immer sein, aber in diesen Tagen fokussiere ich mich darauf, McLaren zu helfen, ein weltweit erfolgreiches High-Tech-Unternehmen zu werden. Das bewegt mich heute."