Interview: Deswegen klingt der V6 anders
Mercedes-Motorenchef Andy Cowell erklärt, warum die neuen V6-Turbos anders klingen werden, und spricht über die Fortschritte in der 2014er-Entwicklung
(Motorsport-Total.com) - 2014 startet die Formel 1 mit den neuen V6-Turbomotoren in eine neue Ära. Über eine halbe Minute KERS-Power pro Runde, noch dazu wesentlich stärker als bisher, weniger Hubraum und mehr Fokus auf Verbrauchseffizienz stellen die wichtigsten Eckpunkte des neuen Reglements dar. Allerdings bestehen auch Sorgen, dass der Sound weniger beeindruckend sein könnte als der der aktuellen V8-Saugmotoren. Andy Cowell, Geschäftsführer der Mercedes-Motorenfabrik in Brixworth, befürchtet das nicht. Der Sound werde zwar anders, aber nicht zwingend schlechter sein als bisher, verrät er im Interview.
Frage: "Warum ist der Sound des V6 anders als der des V8?"
Andy Cowell: "Am V8 hast du zwei Auspuffrohre, also füttern vier Zylinder Abgasstöße in jedes Auspuffrohr, die Kurbelwelle rotiert mit 18.000 Umdrehungen pro Minute und es gibt keine Restriktionen im Auspuffsystem. Wir haben viel Mühe dafür aufgewendet, sicherzustellen, dass es ein frei fließendes und hochgetuntes Auspuffsystem ist, denn aus einem Saugmotor gewinnt man mit einem hochgetunten Ansaug- und Auspuffsystem am besten Performance."
"Am V6 haben wir nur ein einzelnes Auspuffrohr, also füttern alle sechs Zylinder letztendlich nur ein einziges Rohr. Aber weil die neue Formel für 2014 darauf ausgelegt ist, das Maximum aus einer fixierten Benzinmenge bei einer maximalen Durchflussmenge herauszuholen, beinhaltet das Reglement die Option, eine Turbine im Auspuffsystem zu haben, welche Energie aus dem Auspuffstrom zieht und einen Kompressor antreibt, der das Ansaugen unterstützt."
Weitere Quelle für Energierückgewinnung
"Die Turbine treibt auch eine MGU-H (Motor-Generator-Einheit/Hitze; Anm. d. Red.) an, um überschüssige Energie, die für den Kompressor nicht benötigt wird, rückzugewinnen. Diese wird dann in der Batterie gespeichert und erhöht das Schubpotenzial aus den Kurven heraus. Sobald du irgendeine Restriktion im Auspuffsystem hast, reduzierst du die Lautstärke des Lärms, denn das Turbinenrad ist designt, um Energie aus dem Auspuffstrom rückzugewinnen, was naturgemäß die Lautstärke des herauskommenden Lärms reduziert."
"Aber weil es sechs Zylinder sind, die in ein einzelnes Auspuffrohr feuern, statt vier in ein Rohr beim aktuellen Motor, wird die Frequenz sehr ähnlich sein wie bei den derzeitigen 18.000 Umdrehungen pro Minute. Wir werden also eine ähnliche Frequenz haben, aber weniger Lautstärke, eben wegen der Energie, die aus dem Auspuffstrom rückgewonnen wird."
Frage: "Wie anders wird der Motorensound auf der Strecke im Vergleich zu dieser Aufnahme klingen?"
Cowell: "Eine Aufnahme auf dem Prüfstand ist eine Herausforderung, weil man die Auspuffgase sicher aus der Fabrik befördern muss, in der sich der Prüfstand befindet. Es wird eine Menge Technologie dafür aufgewendet, damit diese Abgase extrahiert und gefiltert werden, was naturgemäß ein bisschen was vom Sounderlebnis wegnimmt."
"Und dann ist ein Prüfstand meistens ein Raum mit ebenen Wänden, was bedeutet, dass der Lärm reflektiert wird und die Reinheit des Sounds reduziert. Es ist ein Motorenprüfstand, kein Aufnahmestudio!"
Mercedes optimistisch, was den Zeitplan angeht
Frage: "In der Welt der Motoren liegen der erste Test für und das erste Rennen 2014 unmittelbar um die Ecke. Wie schreitet die Arbeit voran?"
Cowell: "Wir sind schon recht weit und haben uns auf eine Werkzeugbestückung für Teile mit langer Vorlaufzeit festgelegt und arbeiten an Wiederholungen für Installationszwecke."
Frage: "Habt ihr ein Gefühl, wo ihr im Vergleich zur Konkurrenz steht?"
Cowell: "Wenn es um die Entwicklung geht, musst du dein eigenes Rennen fahren. Wie es mit ehrgeizigen Menschen so ist, kämpfen sie und versuchen, so viel wie möglich zu erreichen, sich auf Probleme zu konzentrieren, die noch gelöst werden müssen, und verschwenden nur selten Zeit damit, die Erfolge Revue passieren zu lassen."
Frage: "Genießt das Unternehmen die Herausforderung des neuen V6 nach fast einem Jahrzehnt der Stabilität?"
Cowell: "Wir lieben den V8 sehr und haben es in den vergangenen acht Jahren sehr genossen, ihn zu entwickeln. Aber jeder kann sehen, dass die neuen Regeln der FIA in Sachen Evolution des Antriebsstrangs für die Formel 1 total Sinn ergeben."
"Die Menschen sind zu Beginn natürlich aufgeregt, weil wir neue Teile sehen, neue Fertigungsprozeduren, neue Teile zu testen haben und die Ergebnisse sehen. Natürlich gibt es Hürden und Herausforderungen, wenn du versuchst, Systeme mit hoher Leistungsdichte in Rennautos zu installieren. Das ist ein herausforderndes Business, das dich antreibt, neue Levels an Kreativität zu erschließen, und unsere Leute blicken dem ersten Rennen sehr engagiert und leidenschaftlich entgegen."