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Sutil: "Man muss jeden ernst nehmen, der vorne steht"
Adrian Sutil weiß, dass der Weg nach vorne trotz Vergne, Bottas & Co. vor ihm weit ist, rechnet sich aber bei Trockenheit gute Chancen auf eine Topplatzierung aus
(Motorsport-Total.com) - Force India galt in Kanada vor der Qualifikation als Geheimtipp. Wobei, geheim waren die guten Leistungen von Force India wohl keineswegs mehr. Doch schon am Ende von Q1 musste das Team von Vijay Mallya mit dem Aus von Paul di Resta den ersten Rückschlag hinnehmen. Adrian Sutil wäre seinem Teamkollegen beinahe in Q2 gefolgt, doch ein letzter Versuch rettete ihn noch in den letzten Abschnitt, den er als Achter beendete. Für morgen rechnet sich der Deutsche einiges aus. Was das ist, wie er die Bedingungen erlebt hat, und was er zu dem Durcheinander am Ende von Q2 sagt, das erzählt er im Interview mit Journalisten vor Ort.
Frage: "Adrian, gerade unter solch schwierigen Bedingungen kommst du ohne die Ansagen des Teams nicht aus, oder?"
Adrian Sutil: "Kommunikation mit dem Team ist sehr wichtig. Ich sehe natürlich genau, wo die Strecke ist und ob sie nass oder trocken ist - und muss diese Infos natürlich weitergeben. Andererseits sieht die Boxenmauer die anderen Fahrer, was die machen. Das ist auch immer ganz interessant. Vielleicht versucht einer einen anderen Satz Reifen, und wenn der funktioniert, kann man direkt nachlegen. Dort ist man die ganze Zeit in Verbindung, es ist auf jeden Fall Teamwork gefragt."
Frage: "Für morgen sind deutlich bessere Bedingungen vorhergesagt. Das könnte dir in die Karten spielen, oder?"
Sutil: "Ja, eigentlich schon. Ich hatte schon eher mit einem trockenen Qualifying gerechnet. Deswegen dachte ich auch, es sei kein Risiko, wenn wir uns auf das Rennen konzentrieren. Trockene Bedingungen wären allgemein besser gewesen. Jetzt ist der Regen dagewesen. Platz acht ist okay, aber ich denke mit einem trockeneren Rennen morgen kann man bestimmt noch ein paar Plätze nach vorne kommen."
Frage: "Kannst du nochmal kurz die letzten Minuten von Q2 reflektieren, wo du dich kurz vor dem Ende noch in Q3 gerettet hast?"
Sutil: "Ja, das war natürlich eine aufregende Situation, weil man nur noch zwei Minuten oder so gehabt hat. Ich bin davor gar nicht zurechtgekommen. Es war einfach schwer, die Reifen auf Temperatur zu bekommen - es war ein bisschen wie Glatteis. Wir konnten in dieser Rotlichtphase dann gute Änderungen machen - nochmal ein bisschen den Luftdruck verändern, das hat auf jeden Fall gut gepasst. Die Strecke wurde auch ein bisschen trockener."
Autos parkten kreuz und quer
"Ich war das dritte Auto am Ende der Boxengasse. Wir wollten natürlich früh raus. Aber das macht ja jeder. Besser ist, wenn man der Erste ist und direkt rausfährt - dann hat man freie Fahrt. Was natürlich nicht in Ordnung war: die ganzen anderen, die dann plötzlich die zweite Linie aufmachten. Das ist schon drei Jahren, glaube ich, passiert. Danach gab es eine Regel, und die Regel hat heute keiner befolgt. Dann gab es natürlich ein totales Chaos."
"Ich habe mich lange angestellt und bin dann als Fünfter oder Sechster draußen gewesen. Das ist natürlich ein klarer Nachteil. Jede Sekunde zählt, ich bin mit drei Sekunden über die Ziellinie gefahren, und konnte dann noch eine schnelle Runde fahren. Aber das war nicht optimal."
Frage: "Wie schwierig war es, da die richtige Lücke zu bekommen? Hat die die Box da Anweisungen gegeben?"
Sutil: "Ich hab erstmal gerechnet: Zwei Autos vor mir, 1:50 Minuten Zeit - sollte eigentlich kein Problem werden. Aber dann waren halt mehr Autos vor mir, und jeder versuchte seinen Abstand zu halten. Da rennt einem die Zeit aus. Das ist nicht so einfach."
Frage: "Wie ist es denn, wenn du dich als Erster anstellst und die angewärmten Reifen ihre Temperatur verlieren: Bekommst du das in der Aufwärmrunde wieder hin?"
Sutil: "Nein, das ist schon schwieriger dann, keine Frage. Der Reifen kühlt schon ab. Wenn man da zwei Minuten steht, verliert man auf jeden Fall ziemlich viel Temperatur. Aber es ist manchmal besser, das zu tun, als dann das letzte Auto zu sein, und nur Verkehr vor einem zu haben. Das muss man so ein bisschen hinkriegen."
Sutil: "Es ist sehr schwierig. Im Regen ist die Chance größer, das es klappt. Besonders wenn die Strecke abtrocknet, dann ist es manchmal besser, dass die Reifen eh kalt sind. Je nachdem, wie man es handhabt. Es kann gut sein für einen, es kann nicht gut sein. Aber manchmal ist es auch weise, in der Box zu warten und erstmal alle fahren zu lassen. Auch wenn sie zwei Runden hinkriegen, kriegt man selber eine Runde hin - aber ohne Verkehr, top am Limit, und man steht dann doch eher weiter vorn."
Sutils Motto: Niemals aufgeben!
Frage: "Hast du vor dem letzten Versuch überhaupt noch daran geglaubt, dass das noch geht?"
Sutil: "Hätte ich nicht dran geglaubt, wäre ich in der Box geblieben (lacht; Anm. d. Red.). Ich gebe nicht auf, und es ist alles möglich. Man hat es immer gesehen: Man muss es zu Ende fahren. Man muss das Rennen zu Ende fahren um zu gewinnen. Wenn man das ganze Rennen führt und in der letzten Runde einen Fehler macht, ist alles für die Katz. Man darf in dem Sport nicht aufgeben, und wenn man noch eine Minute Zeit hat, dann muss man die ausnutzen. Es ist alles möglich. So ist auch für mich immer die Einstellung. Und es hat geklappt: Von Platz 16 mit einer halben Sekunde Rückstand war ich dann plötzlich auf acht oder so."
Frage: "War die Runde fehlerfrei?"
Sutil: "Die war voll am Limit. Das Auto hat sich auch schön bewegt, und ist überall quer gewesen, aber es war für mich einfach nur: fahr, fahr, fahr, fahr!"
Sutil: "Nein, nicht Mauer! Man muss jetzt nicht dämlich über das Limit gehen, aber manchmal, wenn man einen Quersteher hat, dann bricht man die Runde ab, und versucht die nächste dann. Aber in dieser Situation gab es nur eine Variante: Voll drauf bleiben, egal ob man irgendwo drüberbrettert oder sonst was. Man muss eine Zeit hinlegen."
Frage: "Morgen gibt es einen Spezialfall: Du darfst in den Top 10 starten und hast trotzdem freie Reifenwahl. Ist da schon alles klar?"
Sutil: "Man hat jetzt die Qual der Wahl. Aber die haben alle. Jeder darf jetzt seine Strategie auswählen. Man konnte es wenig austesten, und gestern war das Nachmittagstraining ein guter Test, aber die Strecke ändert sich so viel, ich glaube reifenmäßig haben wir keine großen Probleme. Die superweichen sind okay, und die Medium auch."
Hoffen auf den Sonnenschein
Frage: "Geht es mit einem Stopp?"
Sutil: "Das werden wir sehen. Das weiß ich nicht so genau. Oder ich weiß es, aber ich sage es nicht (lacht; Anm. d. Red.). Wobei, wissen tue ich es auch nicht. Ins Rennen geht man immer eher unwissend. Man hat natürlich die Daten, aber es ändert sich oftmals im Rennen. Man muss halt einfach bereit sein, verschiedene Sachen anzupassen."
Frage: "Du sagtest, du wärst glücklich, wenn es trocken ist. Du hast vermutlich ein Trockensetup, und hast das Qualifying als Achter überstanden. Klingt nach einer guten Ausgangsposition..."
Sutil: "Ja, hätten wir auf Regen gesetzt, wären wir im Qualifying ordentlich nach vorne gekommen. Aber für mich ist das Rennen wichtig, heute ist einfach nur eine Startposition. Ob man auf zehn oder 15 ist - oder Erster - man muss das Rennen beenden. Im Rennen ist alles möglich. Für mich ist wichtig, dass das Rennen passt. Und darauf haben wir uns konzentriert. Das Rennen wird nach meiner Voraussage trocken sein. Das sollte helfen."
Frage: "Glaubst du, dass es von der Pace her nach vorne gehen wird?"
Sutil: "Ich hoffe es. Ich weiß nicht, ob irgendjemand auf Regen gesetzt hat, aber hätten wir auf Regen gesetzt, wäre das Auto definitiv schneller gewesen. Aber ich glaube, im Rennen hätten wir es ein bisschen verloren. Somit werden wir morgen sehen, ob das alles aufgeht."
Frage: "Hast du die Außenseiterchance aufs Podium? Vor dir stehen Vergne, Bottas und zwei Mercedes, die im Rennen nicht mehr ganz so gut sind."
Sutil: "Man muss jeden ernst nehmen, der da vorne steht. Die können immer mal gut sein. Hier geht es eigentlich nur geradeaus, und wenn man plötzlich einen besseren Reifen hat, funktioniert das. Egal, wer vorne ist: Ich orientiere mich nach vorne und möchte natürlich besser sein als Platz acht. Es geht immer nach vorne. Schauen wir mal."