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Alan Jones: Ein FIA-Rennkommissar im Interview
Formel-1-Legende Alan Jones erklärt den Job als Rennkommissar, spricht über Vor- und Nachteile des Lebens als Weltmeister und über die Zukunft von Mark Webber
(Motorsport-Total.com) - Man würde Alan Jones nicht anmerken, dass er 1980 Formel-1-Weltmeister war. Der inzwischen 66-jährige Australier tritt im Paddock recht unscheinbar auf, trauert - im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen von damals - nicht den guten alten Zeiten nach und konzentriert sich voll auf seinen neuen Job als FIA-Rennkommissar, anstatt von einer TV-Kamera zur nächsten zu tänzeln, um zumindest ein bisschen Aufmerksamkeit zu erhaschen und den 30 Jahre alten Ruhm noch einmal auszukosten.
© xpbimages.com
Schaut lieber in die Zukunft als in die Vergangenheit: Ex-Weltmeister Alan Jones Zoom Download
Unser Interview mit Jones findet am Sonntagmorgen vor dem Grand Prix von Spanien in Barcelona statt, im FIA-Motorhome, wo FIA-Präsident Jean Todt am Nebentisch mit seiner Lebensgefährtin Michelle Yeoh sitzt. Jones öffnet selbst die Tür, sucht sich selbst einen Tisch und ist sich auch nicht zu schade dafür, sich selbst eine Tasse Kaffee zu machen und gleichzeitig eine anzubieten. "Wenn du mich besuchen kommen würdest, würdest du nicht ahnen, dass ich einmal Rennfahrer war", meint er im Interview mit 'Motorsport-Total.com' - und vermittelt den Eindruck, auch als Formel-1-Legende nie den Bezug zur Realität verloren zu haben.
Aber auch wenn Jones selbst keine Devotionalien sammelt, so werden von The Motorsport Shop derzeit 30 signierte Replika-Helme für umgerechnet 2.130 Euro verkauft. Und ganz nach dem Motto "Mit 66 Jahren fängt das Leben richtig an" ist der Australier auch noch Markenbotschafter für Lexus. "Der IS F", sagt er mit leuchtenden Augen, "ist ein fantastisches Auto." Und am Autofahren hat Jones immer noch am meisten Freude...
Rennfahrer-Helme als Markenzeichen
Frage: "Alan, in deiner Zeit war das Helmdesign noch das Markenzeichen eines Fahrers, unverwechselbar und meistens eine ganze Karriere lang unverändert. Heute ist es Mode geworden, Helme wie die Unterhosen zu wechseln. Was bedeuten Rennfahrer-Helme für dich?"
Alan Jones: "Der Helm ist eine der wenigen Möglichkeiten, wie man die Fahrer voneinander unterscheiden kann. Ich weiß natürlich, dass es nur zwei Red Bulls gibt, also muss es entweder Vettel oder Webber sein. Aber früher war der Helm das Markenzeichen des Fahrers."
"Ich weiß gar nicht, wer mit diesem ständigen Wechseln der Helme begonnen hat. Vielleicht Valentino Rossi. Ich verstehe das, denn es steckt ein kommerzieller Aspekt dahinter. Wenn du Replika-Helme verkaufen willst, dann kannst du sagen: 'Das ist der Helm, mit dem Vettel in Barcelona gewonnen hat.' Du hast für jeden Grand Prix oder für jede Saison einen Helm, den du verkaufen kannst."
Frage: "Viele ehemalige Rennfahrer sammeln Helme. Wie viele stehen bei dir zu Hause?"
Jones: "Ich bin kein großer Sammler, von nichts. Ich habe meine Rennoveralls immer den Streckenposten geschenkt. Die hatten damals keine ausreichende Feuerschutzkleidung, also spendete ich ihnen meine Rennoveralls und meine feuerfeste Unterwäsche. Aber die Helme habe ich einfach weggegeben. Das war natürlich noch vor eBay, sonst hätte ich sie wahrscheinlich dort verkauft..."
Frage: "Heutzutage wechseln die Fahrer ihre Helme sehr oft - wahrscheinlich verwenden sie mindestens einen pro Rennwochenende. Welchen Verschleiß hattest du in deiner Karriere?"
Jones: "Keine Ahnung. Ich hatte sie meistens etwas länger, denn es war wie mit einem neuen Paar Schuhe: Am Anfang, wenn sie neu sind, hast du noch Druckstellen, aber nach einer Weile passen sie perfekt. Aber natürlich musst du den Helm nach einer Weile wechseln, wenn er durch Steinschlag und so weiter immer stärker abgenutzt wird."
Frage: "Wenn du sagst, du bist kein großer Sammler, dann hast du vermutlich auch keine Helme von anderen Fahrern oder andere Geschenke zu Hause?"
Jones: "Nein, nichts. Wenn du mich besuchen kommen würdest, würdest du nicht ahnen, dass ich einmal Rennfahrer war. Ich bin keiner von diesen Menschen, die überall Fotos von Rennautos an der Wand hängen haben. Mein Haus ist einfach ein ganz normales Haus, kein Mausoleum."
Lieber im Airbus A380 als in der DC-6B
Frage: "Also keine Verbindung zu Memorabilia, aber eine sehr starke Verbindung zum Sport. Schließlich bist du nach all den Jahren noch hier, im Formel-1-Paddock."
Jones: "Oh ja, sehr - ich liebe den Sport! Ich liebe Autos. Ich finde aber aufregender, was in Zukunft kommt, nicht das, was in der Vergangenheit war. Ich mag keine historischen Autorennen. Oder ein anderes Beispiel: Fliegst du lieber mit einer alten DC-6B nach Übersee oder mit einem brandneuen Airbus A380? Da nehme ich den Airbus. Ich liebe Autos, ich sammle sie aber nicht - vor allem nicht alte Autos. Neue Autos habe ich hingegen schon ein paar."
Frage: "Wenn die Zukunft für dich so spannend ist, dann musst du ein Befürworter der neuen Motorenformel ab 2014 sein, nicht wahr?"
Jones: "Ja, das ist aufregend. Es wird mehr Interesse generieren, denn die Leute reden schon jetzt darüber. Die Fans sind gespannt darauf, wie die Motoren klingen, wie schnell sie sein werden. Alle spekulieren darüber, und alleine schon dadurch wird das Interesse an der Formel 1 steigen."
Frage: "Zählst du dich zu den Traditionalisten, die sagen, dass die Formel 1 in irgendeiner Form immer durch einen Benzinmotor angetrieben werden muss, längerfristig gedacht?"
Jones: "Nein, überhaupt nicht. Ich finde, die Formel 1 dreht sich um Innovation, technischen Fortschritt und Begeisterung. Das geht nur durch Innovation. Meiner Meinung nach gibt es nur eine Grundvoraussetzung: Die Motoren müssen gut klingen. Die Leute kommen zu einem Formel-1-Rennen und sitzen auf der Tribüne, da muss der Sound schon etwas hermachen."
Frage: "Ich habe den neuen Mercedes-Turbo schon gehört. Klingt gar nicht so schlecht."
Jones: "Mir wurde gesagt, dass es eine Mischung aus einem IndyCar und einem Formel-1-Auto sein wird. Das wäre okay."
Frage: "Die Turbos haben früher ja auch anders geklungen, aber damals hat sich niemand beschwert."
Jones: "Stimmt genau."
Früher Rennfahrer, jetzt "Schiedsrichter"
Frage: "Du bist jetzt FIA-Rennkommissar. Viele ehemalige Rennfahrer, die auf die andere Seite wechseln, sagen, dass es gar nicht so leicht ist, andere Rennfahrer zu beurteilen und über sie zu sprechen, weil man selbst auch einmal in der Position war."
Jones: "Ich bin mehr daran gewöhnt, vor den Kommissaren auftauchen zu müssen, als selbst einer zu sein! Aber im Ernst: Ich finde diese Aufgabe extrem interessant."
"Es gibt mir Gelegenheit, zu den Grands Prix zu kommen und diese anders zu erleben, als ich das sonst tun würde. Ich bin völlig überwältigt, wie viel Technologie und Ausrüstung man uns an die Hand gibt, um Entscheidungen zu treffen. Wir können Szenen wiederholen, vorspulen, genau sagen, wer welche Reifen drauf hat - es ist einfach unglaublich."
Frage: "Ihr sitzt da also vor einer Menge Bildschirme, aber was habt ihr sonst noch? Seit dem Vorjahr habt ihr ja auch Zugriff auf die Telemetriedaten."
Jones: "Alles. Wir können uns den Boxenfunk anhören. Wir haben einen Deutschen, Alex, der uns unterstützt. Wenn ich sage, dass ich von etwas eine Wiederholung sehen möchte, dann wird uns diese Wiederholung gezeigt. Wir können eine Kameraeinstellung aus dem Cockpit bekommen, vom Auto dahinter, wie auch immer. Da bleibt wirklich keine Frage offen."
Frage: "Besteht die Gefahr, wenn ihr so viel Ausrüstung und Technik habt, dass man sich bei der Bewertung von Zwischenfällen zu sehr auf Details versteift und das Wesentliche ein bisschen übersieht?"
Jones: "Nein. Das ist einer der Gründe, warum sie einen Ex-Fahrer unter den Kommissaren haben wollen, denke ich. Bei allem Respekt: Meine Kollegen sind mehr als kompetent und sehr gut, in vielerlei Hinsicht besser als ich, aber ich sehe es aus der Fahrersicht und kann dann eine Bewertung abgeben, die sonst vielleicht nicht kommen würde."
Frage: "Du würdest also sagen, dass die Idee, Ex-Rennfahrer als FIA-Rennkommissare zu nominieren, erfolgreich war und ist?"
Jones: "Ja. Ich glaube, die Fahrer selbst sind auch froh, dass jetzt ein Ex-Fahrer dabei ist, denn jetzt können sie in ihrer eigenen Sprache sprechen. Es gibt Situationen - nicht immer -, in denen ich einen bestimmten Zwischenfall einschätzen und sagen kann, dass es vielleicht einfach ein Fahrfehler war und keine absichtlich herbeigeführte Situation."
Wenn ein Rennfahrer zu den FIA-Rennkommissaren muss...
Frage: "Wenn ein Fahrer in einen Zwischenfall involviert war und zu den FIA-Rennkommissaren zitiert wird, wer redet dann eigentlich mit ihm? Ist es Rennleiter Charlie Whiting?"
Jones: "Nein, er redet mit allen Kommissaren. Er kommt in den Raum der Kommissare und spricht mit uns allen. Dann zeigen wir ihm Wiederholungen und stellen Fragen."
Frage: "Es gibt also nicht einen Sprecher, sondern jeder stellt seine eigenen Fragen, korrekt?"
Jones: "Genau. Der Fahrer kann ja auch mitbringen, was immer er will: einen Ingenieur, Datenausdrucke und so weiter."
Frage: "Kann also passieren, dass ein Fahrer euch anhand seiner Daten etwas unter die Nase reiben will, aber ihr sagt dann: 'Junge, schau mal, wir haben hier dieses Bild und diese Daten. Was du sagst, ist Unsinn.' Kommt so etwas vor?"
Jones: "Man muss sich nur die Beweise anschauen. Wir lassen sie aber gerne zu Wort kommen, sonst wäre es ja ein Scheingericht."
"Wir lassen sie zu Wort kommen, denn vielleicht werden uns dann mildernde Umstände erst bewusst, oder vielleicht enthüllt die Telemetrie, dass das Gaspedal feststeckte. So etwas können wir ja nicht sehen. Oder ein Bremsversagen. Aber der Teamingenieur kann uns erklären: 'Seht her, wir hatten einen Bremsdefekt, darum knallte er dem anderen Fahrer ins Heck.' Da sind wir sehr offen."
Frage: "Wenn den FIA-Rennkommissaren von Rennleiter Charlie Whiting ein Zwischenfall gemeldet wird, gibt es dann noch Dialog zwischen Charlie und euch? Oder seid ihr dann alleine in eurem Raum und entscheidet selbstständig?"
Jones: "So ist es. Charlie kommt vielleicht zu uns und sagt, dass ein Zwischenfall von einem der Teams gemeldet wurde, nicht von ihm selbst. Dann sehen wir uns das an, Alex kramt das Band hervor, das wir uns ansehen, und dann sagen wir zum Beispiel: 'Stimmt, den Kerl sollten wir zu uns zitieren.'"
Frage: "Alles, was du bisher beschrieben hast, klingt fast schon nach einer wissenschaftlichen Herangehensweise. Das war in deiner Zeit doch ganz anders, oder?"
Jones: "Absolut, ja. Zu meiner Zeit musste die Rennleitung nur das Telefon abnehmen, um etwas zu hören wie: 'Nehmt das Auto mit der Nummer 3 raus.' Denn das wurde vom Streckenposten gemeldet - und das war's dann auch schon! Aber Streckenposten schätzen die Dinge nicht immer richtig ein, weil sie zum Beispiel nicht die richtige Perspektive haben."
Kein Test notwendig, um FIA-Rennkommissar zu werden
Frage: "Jetzt sind auch mehr Leute involviert. Das eliminiert die Möglichkeit, dass ein Fahrer von seinen Freunden in der Rennleitung unterstützt wird. Glaubst du, dass es das früher gegeben hat?"
Jones: "Früher ist es sicher mal vorgekommen, dass ein Teamkollege jemanden aufgehalten hat, der seinem Teamkollegen sonst gefährlich geworden wäre. Aber die Fahrer haben solche Dinge unter sich geregelt. Wenn dir das jemand angetan hat, dann hast du es ihm halt im nächsten Rennen zurückgezahlt."
Frage: "Musstest du als FIA-Rennkommissar eigentlich eine Ausbildung durchlaufen?"
Jones: "Du musst eine FIA-Lizenz haben, um Kommissar werden zu können, und es gibt sehr umfangreiche Richtlinien für alles Mögliche, sogar in Buchform - Prozeduren, Verhalten. Es ist nicht so, dass man in einen Raum gesetzt wird und anfangen muss. Ich finde die gesamte Herangehensweise der FIA an die Formel 1 extrem gründlich. Alles ist dokumentiert, es gibt Ausdrucke für dies und jenes. Alles ist so technisch geworden - da ist wirklich kein Stein auf dem anderen geblieben. Dazu zählt auch die Tätigkeit des Kommissars."
Frage: "Wir haben also das Handbuch, Richtlinien und so weiter, aber gibt es auch einen Test, den man bestehen muss?"
Jones: "Nein. Sie geben dir das Handbuch und machen dir deine Verantwortung bewusst."
Frage: "Vor ein paar Jahren, als es die Reform der FIA-Rennkommissare gab, stand neben den Fahrerkommissaren auch die Idee von permanenten Kommissaren im Raum. Glaubst du, dass diese Idee funktioniert hätte? Denn was heute immer noch kritisiert wird, ist die Beständigkeit der Bestrafungen."
Jones: "Das stimmt. Es gibt das Argument, dass die Urteile dann beständiger wären, aber genau deswegen gibt es ja dieses Handbuch, denn darin stehen spezifische Richtlinien."
"Ohne dieses Buch - oder sagen wir Leitfaden, das trifft es besser - wäre die Beständigkeit sicher ein größeres Problem. Aber wenn du einen Leitfaden hast, an den du dich in einer bestimmten Situation richten musst, dann wird der Spielraum enorm verengt."
Frage: "Sprichst du manchmal mit anderen FIA-Rennkommissaren, tauscht man sich aus? Es gibt da ja jedes Jahr dutzende Kommissare."
Jones: "Müssen wir nicht, weil wir nach jedem Grand Prix einen sehr gründlichen Bericht bekommen, den wir uns anschauen können. Wenn ich mal eine Frage habe, warum sie das so entschieden haben, dann wird es durch diesen Bericht klar."
1981 war Jones' schönstes Jahr in der Formel 1
Frage: "Wechseln wir das Thema. Du hattest ja ganz unterschiedliche Jobs in der Formel 1. Was war deine schönste Zeit?"
Jones: "Mein schönstes Jahr war wahrscheinlich 1981. Ich wurde zwar nicht Weltmeister, aber ich fuhr 1981 besser als 1980. Mehrfach ließ mich damals die Technik im Stich. Ich verlor zwei Rennen durch mechanische Probleme. Hätte ich eines der beiden Rennen beendet, wäre ich wieder Weltmeister geworden. Das ist ziemlich frustrierend, aber ich war über meine eigene Leistung sehr glücklich."
Frage: "1981 war das Jahr nach deiner Weltmeisterschaft. Hast du es genossen, Weltmeister zu sein?"
Jones: "Ja, wer würde das nicht?"
Frage: "Ich meine damit weniger, dass du den Titel gewonnen hattest, sondern dass du Weltmeister warst, mit all den Vorteilen, die damit einhergehen."
Jones: "Es gibt aber auch alle möglichen Nachteile. 1980 organisierte der Journalist Bernard Cahier den Prix Orange, der an den nettesten Fahrer vergeben wurde, der sich für die Presse am meisten Zeit nahm. Und dann gab es den Prix Citron, der an den unangenehmsten Fahrer vergeben wurde. 1980 gewann ich den Prix Orange, 1981 den Prix Citron - dabei hatte ich mich gar nicht verändert!"
Frage: "Gibt es unter den heutigen Formel-1-Fahrern jemanden, der dich an dich selbst erinnert?"
Jones: "Nicht wirklich. Die heutigen Fahrer kommen mir mehr wie Rechtsanwälte vor. Vielleicht fahren sie bald im Anzug! Ich liebe die Formel 1 und den Motorsport, aber in vielerlei Hinsicht bin ich froh, dass ich in meine damalige Zeit hineingeboren wurde. Es war zwar viel gefährlicher und es kamen mehr Menschen ums Leben, aber der Druck der Firmen war bei weitem nicht so groß wie heute."
PR-Termine: Jones hätte die Nerven nicht
"Heute müssen die Fahrer spätestens am Donnerstag für die Pressekonferenz an der Strecke sein. Ich war nie vor Freitag da. Und danach müssen sie zu diesem Termin in die Stadt und zu diesem Abendessen mit jenem Sponsorenboss. Ich verstehe warum, denn heute ist viel mehr Geld im Spiel, für das die Sponsoren auch eine Gegenleistung sehen wollen, aber ich glaube nicht, dass ich das könnte. Mir wäre das völlig egal, glaube ich."
"Ich bewundere Sir Frank Williams dafür, dass er so viel Zeit dafür investiert, zu Formel-1-Rennen zu fliegen, und damit meine ich nicht einmal wegen seines Rollstuhls. Selbst wenn er außergewöhnlich fit wäre, könnte ich das an seiner Stelle nicht so lange machen. Irgendwann zieht es dich runter. Und dass er es vom Rollstuhl aus schafft, ist einfach unglaublich - das spricht für seine Standhaftigkeit und für seinen Siegeswillen."
Jones: "Ich glaube, für ihn geht es immer noch einzig und allein ums Gewinnen. Er ist so ein Kerl, der mit dem Rücken zur Wand steht, den Kampf aber niemals aufgibt. Ich glaube, dass Williams die Wende schaffen wird, denn sie sind ein zu gutes Team, als dass sie allzu lange so weit hinten vor sich hindümpeln können. Sie haben einen guten Motor, sie haben das Personal umstrukturiert. Ich glaube, es geht in die richtige Richtung - zumindest hoffe ich es, denn Williams ist wie eine alte Schule für mich."
Frage: "Jetzt hat Franks Tochter Claire das Tagesgeschäft übernommen. Welche Erinnerungen hast du als ehemaliger Williams-Fahrer an sie?"
Jones: "Ich kenne sie als kleines Mädchen! Da war sie keine fünf Jahre alt, glaube ich. Jonathan ist der ältere Bruder, Claire kam nur zu ein paar Rennen mit. Sie war immer in Zandvoort und bei ein paar Europarennen, aber nicht bei vielen."
Frage: "Reden wir über deinen Landsmann Mark Webber. Du hast vorhin gesagt, die heutigen Fahrer sind wie Rechtsanwälte. Er zählt da zu den wenigen Ausnahmen, findest du nicht? Er gibt gute Interviews."
Jones: "Stimmt schon, aber der einzige, dem wirklich alles egal ist, ist Kimi. Der spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und alle anderen müssen sich nach seinem Zeitplan richten. Ich glaube, dass er genau deswegen so populär ist."
Kimi Räikkönen: Am meisten Fans, am wenigsten Arbeit
Frage: "Stimmt hundertprozentig. Kimi ist überhaupt nicht 'corporate', wie man so schön sagt, aber er bringt seinen Sponsoren als Fahrer wahrscheinlich den größten Nutzen von allen."
Jones: "Er hat mit die meisten Fans auf der ganzen Welt, aber er arbeitet am wenigsten dafür. Die Leute spüren, dass er ein authentischer Charakter ist. Andere Fahrer fragt man nur, wie es ihnen geht, und die plappern eine halbe Stunde. Man sieht, wie sie darüber nachdenken, was sie sagen:
'Darf ich das sagen, sollte ich lieber das sagen?' Langweiler!"
Frage: "Mark Webber wird mit einem Wechsel zu Porsche in die Langstrecken-WM in Verbindung gebracht. Du bist Australier und kennst ihn. Wird das passieren?"
Jones: "Ich habe keine Ahnung. Es gibt nur eine Person, die weiß, was er machen will, und das ist Mark selbst. Er spricht momentan nicht über seine Zukunftspläne."
"Ich hätte ihn gern bei Ferrari gesehen, als er die Chance hatte, dorthin zu wechseln, denn die Situation mit Vettel wird nicht mehr besser. Seither ist sie sogar schlechter geworden. Zu einem neuen Team mit einer frischen Mentalität zu gehen, wäre vielleicht inspirierender gewesen als jetzt zu versauern und die Formel 1 dann ganz aufzugeben. Aber ich weiß es nicht. Letztendlich muss nur einer glücklich sein, und das ist er selbst. Alle anderen sollen sich um sich selbst kümmern."
Frage: "Er hatte 1999 diesen extremen Unfall im Mercedes in Le Mans. Kannst du dir vorstellen, dass ein Rennfahrer noch einmal in so eine Kategorie zurückkehrt, in der er eine solche Erfahrung gemacht hat?"
Jones: "Sicher, denn er hatte die gleiche Erfahrung ja auch in Valencia 2010, als es ihn überschlagen hat, aber er fährt auch noch in der Formel 1. Wenn du Rennfahrer bist, bist du Rennfahrer, und wenn du einen Unfall hattest, sollte dein erster Gedanke sein: 'Wie schnell komme ich ins Ersatzauto?' So etwas gab es damals ja noch."
Frage: "Mark Webber hat vielleicht noch ein, zwei gute Jahre in der Formel 1 - oder eine langfristige Zukunft bei einer Marke wie Porsche. Le Mans ist Prestige, Le Mans ist gut bezahlt und es sind tolle Autos. Welchen Rat würdest du ihm geben?"
Jones: "Da hängen viele Faktoren dran. Die Formel 1 ist sehr ermüdend, weil sie so anspruchsvoll ist - das ist heute wesentlich schlimmer als zu meiner Zeit. Es hängt also davon ab, ob er weiterhin Rennen fahren will, aber keine Lust mehr hat, sich ständig diesem Druck und diesen Erwartungen auszusetzen, oder ob er damit noch zurechtkommt und in der Formel 1 bleiben will. Sicher wird er bei den Sportwagen nicht so viel Geld verdienen wie in der Formel 1."
Verdient Webber bei Red Bull elf Millionen jährlich?
Frage: "Vielleicht nicht gleich viel, aber Porsche würde sicher ein ordentliches Gehalt zahlen."
Jones: "Kann sein, aber sicher keine elf Millionen."
Frage: "Du bist 1984 und 1987 selbst in Le Mans gefahren."
Jones: "Ja, für die Kremer-Brüder. Wir haben lange geführt, aber dann mussten wir einen Zylinder abschalten, weil es ein Problem mit einem Kolben gab, wenn ich mich recht erinnere. Wir wurden Sechster. Eigentlich war ich immer mehr ein Sprinter als für die Langstrecke. Da steigst du ins Auto und gibst 100 Prozent. Wenn es vorbei ist, steigst du aus und gehst nach Hause."
"In Le Mans gewöhnte ich mich nie daran, dass ich aussteige, in zwei Stunden aber wieder fahren muss. Das fand ich nicht besonders spannend, ebenso wenig wie die Nacht, in der du kaum Schlaf bekommst. Ich habe nichts gegen Sportwagenrennen, aber ich bin kein Freund der Langstrecke, denn du musst da sehr materialschonend fahren und kannst eigentlich nie voll attackieren."
Frage: "Trotzdem bist du 1987 ein zweites Mal gefahren, statt auf Porsche dann auf Toyota."
Jones: "Eigentlich habe ich gesagt: 'Einmal reicht, jetzt schreibe ich mir das in den Lebenslauf und gut ist.' Aber ich ging nach meiner Formel-1-Karriere nach Japan, um Autorennen zu fahren, und ich fuhr zufällig für eine Firma, die Sportwagen baute und nach Le Mans gehen wollte. Also ging ich wieder nach Le Mans."
Frage: "Über Mark Webber haben wir gesprochen, aber was hältst du von deinem zweiten Landsmann in der Formel 1, Daniel Ricciardo?"
Jones: "Als ich das A1GP-Team Australien hatte, habe ich ihn in Silverstone getestet. Er war superschnell, obwohl er noch nie ein A1GP-Auto getestet hatte oder in Silverstone gefahren war. Ich wollte ihn unter Vertrag nehmen, aber Helmut Marko gab ihn nicht frei. Das verstehe ich, denn inzwischen ist er in der Formel 1. Ich habe damals schon gesagt, dass dieser Bursche in der Formel 1 landen wird. Heute sagt sich das leicht, aber ich habe es wirklich schon damals gewusst."
Frage: "Glaubst du, dass er das Potenzial hat, noch größere Erfolge zu erreichen?"
Jones: "Ja, glaube ich. Lass dich nicht von diesem Lächeln in seinem Gesicht irritieren!"
Daniel Ricciardo: Der Milchgesicht-Killer
Frage: "Das wollte ich dich gerade fragen: Ist er nicht zu nett, um in der Formel 1 erfolgreich zu sein?"
Jones: "Stimmt, er ist nett, aber ihm wachsen Hörner, wenn er im Auto sitzt. Ich nenne ihn immer Milchgesicht-Killer: Wenn du glaubst, er tut dir nicht weh, weil er dir ins Gesicht lächelt, täuschst du dich. Im Auto wird er zu einem anderen Menschen, denn es stimmt, zu nette Fahrer können keine Champions sein. Ein erfolgreicher Rennfahrer muss ein gewisses Ego haben, er muss an sich selbst glauben und er muss davon überzeugt sein, dass er mit dem gleichen Material jeden schlagen kann. Wenn du das nicht tust, solltest du gleich zu Hause bleiben."
Frage: "Wir haben vorhin schon kurz über Frank Williams gesprochen, und Bernie Ecclestone ist auch schon 82. Ron Dennis ist weg. Da macht sich eine neue Generation breit, die in diesem Paddock entscheidet. Was wird sich ändern, wenn Leute wie Bernie und Frank einmal nicht mehr da sind? Kommen dann die Rechtsanwälte?"
Jones: "Vermutlich. Es gibt nur einen Bernie."
"Vor Christian Horner hatte ich vor zehn Jahren noch nichts gehört, aber er macht seinen Job ganz fantastisch. Oder Eric Boullier. Wer zur Hölle kannte Eric Boullier vor fünf Jahren? Niemand. Ich kannte ihn aus der A1GP, weil er das französische Team leitete, aber er macht einen fantastischen Job. Er kontrolliert die Fahrer und holt das Beste aus ihnen heraus. Ich glaube, das ist ein Teil der Faszination der Formel 1: Wird der neue Motor gut genug sein? Was kommt nach der alten Garde? Werden die Neuen auch so gute Arbeit leisten? Das macht es interessant."
Frage: "Alex Wurz hat nach dem Stallorder-Grand-Prix in Malaysia gesagt, dass es ein guter Tag für den Sport war, weil jeder darüber diskutiert hat. So kann man es natürlich auch sehen."
Jones: "Bernie liebt das doch, wenn es ein bisschen Reibung gibt. Kontroversen sind immer gut, für jeden Sport. Schau dir John McEnroe an, im Tennis. Jeder, der ihn kannte, hat ihn als Plage beschrieben, aber jeder redete über ihn. Das gilt wahrscheinlich für jeden Sport. Außer Kricket!"