• 23. März 2013 · 17:04 Uhr

Kaltenborn: "Nationalität spielt für uns keine Rolle"

Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn erzählt, welche Kriterien bei der Fahrerwahl einfließen und woran es der Mannschaft nach dem Saisonstart derzeit noch mangelt

(Motorsport-Total.com) - Bisher gab es für das Sauber-Team in dieser Saison noch keine problemlose wichtige Session. Nach der Enttäuschung von Australien musste sich die Mannschaft von Teamchefin Monisha Kaltenborn auch in Malaysia mit einem durchwachsenen Qualifying herumschlagen. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' schildert die gebürtige Inderin die Auswirkungen von Hülkenbergs Australien-Dilemma, spricht über kommerzielle Interessen bei Fahrerverpflichtungen und verrät, mit welchem GP2-Fahrer sie heute gesprochen hat.

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Monisha Kaltenborn ist es egal, ob ein Fahrer aus der Schweiz oder Mali kommt Zoom Download

Frage: "Monisha, du bist mit Sicherheit enttäuscht darüber, wie es heute lief."

Monisha Kaltenborn: "Wir haben sicherlich gesehen, dass unsere Performance nicht da ist, wo wir sie erwartet haben. Nichtsdestotrotz haben wir eine Menge seit den Freien Trainings gelernt. Es gab verschiedenes Feedback aus den Sessions, und wir gehen in die richtige Richtung. Natürlich wussten wir, dass wir mit unserer Ausgangsbasis nicht an der Spitze sein würden. Ein wenig mehr wäre vielleicht noch drin gewesen, aber wir hatten Pech, dass der Systemfehler mit dem Wetterradar zu einer Zeit kam, wo er uns wirklich getroffen hat."

Frage: "Haben euch die zwei Stunden Zeit, die ihr im Vergleich zu den anderen Teams beim Australien-Grand-Prix verloren habt, beeinflusst?"

Kaltenborn: "Es ist schwierig zu sagen, wo die direkte Verbindung zwischen dem Nicht-Fahren und dem negativen Effekt für die Performance ist. Generell gesehen fehlt uns die Zeit natürlich, und wir werden sie auch nicht wieder aufholen können. Aber ich denke, es ist nicht möglich zu sagen, dass wenn wir hätten fahren können, es auch besser gewusst hätten. Ich sehe da keine direkte Verbindung."

Frage: "Dabei ist doch besonders das erste Rennen wichtig, um Kilometer zu sammeln..."

Kaltenborn: "Man darf aber nicht vergessen, dass wir das Team waren, das während der Tests die meisten Kilometer abgespult hat. Ich sage nicht, dass eine Sache die andere aufhebt, weil die Testbedingungen sich doch deutlich von denen eines Rennens unterscheiden. Das hat geholfen. Aber ganz klar: Das ist ein Verlust, den wir nicht mehr zurück bekommen. Aber ich denke, es ist zu früh, um ein Statement zu geben, dass wir genau durch diese Situation zurückgeworfen wurden und dass wir nichts dagegen tun können."

Nico, Esteban und Fabio

Frage: "Kannst du eine Entwicklung bei Esteban erkennen?"

Kaltenborn: "Absolut. Seine Performance in Q1 hat gezeigt, wie schnell er sich der Formel-1-Welt anpassen kann. Es ist ein Unterschied, ob man dritter Fahrer ist, einen Young-Drivers-Test macht - oder ob man Stammfahrer ist. Er zeigt eine sehr gute Leistung."

Frage: "Und Nico?"

Kaltenborn: "Nico lebt sich ein. Nico ist im Vergleich zu Esteban erfahrener. Wir kennen seine Qualitäten sehr gut. Er ist ein sehr guter und schneller Fahrer. Natürlich dauert es eine Weile, bis sich beide Seiten aneinander angepasst haben. Es braucht vielleicht ein wenig mehr Zeit, aber das ist normal."

Frage: "Ich habe beobachtet, wie du mit einem GP2-Piloten (Fabio Leimer; Anm. d. Red.) gesprochen hast - er ist Schweizer. Gibt es da eine Verbindung?"

Kaltenborn: "Nein. Obwohl, ja, es gibt eine Verbindung: Wir sind ein Schweizer Team und er ist ein Schweizer Fahrer. Er hat sein Rennen heute gewonnen, und er ist hier immer willkommen. Er kam vorbei, und ich habe ihm gratuliert, weil ich es großartig fand, dass er das Rennen gewonnen hat. Das ist alles."

Frage: "Er hat mit ein paar Leuten im Team gesprochen. War das rein privat?"

Kaltenborn: "Das war rein privat."

Frage: "Wie steht das Team zu Schweizern? Hättet ihr gerne einen Schweizer Fahrer?"

Kaltenborn: "Nationalität spielt für uns keine Rolle."

Frage: "Wenn zwei Fahrer in jeder Hinsicht absolut identisch wären - einer wäre Inder und einer Schweizer. Wie würde die Entscheidung ausfallen?"

Kaltenborn: (lacht; Anm. d. Red.) Ich weiß nicht. Es muss kleine Unterschiede geben. Am Ende des Tages zählt, ob er ein schneller Fahrer ist. Das würde den Unterschied machen."

Keine Kosten-/Nutzen-Rechnung

Frage: "Würde nicht das gesamte Performance-Paket den Ausschlag geben? Wenn beispielsweise ein Fahrer 15 Millionen zu eurem Budget dazulegen könnte und genauso schnell wäre, wie ein zweiter, mit dem sich aber einfacher Sponsoren finden ließen..."

Kaltenborn: "Man muss auf so viele Aspekte schauen. Generell kann man sagen, dass Teams heute mehr Wert auf kommerzielle Auswirkungen legen, die eine Fahrerverpflichtung haben können. Man schaut nicht darauf, was der Fahrer alleine an Geld mitbringt - was wir übrigens noch nie getan haben. Man schaut auch auf das Talent."

"Als wir Sergio verpflichten haben, wollten auch eine Menge anderer Fahrer zu uns. Aber wir haben uns für Sergio entschieden, weil wir gespürt haben, dass er ein sehr talentierter Fahrer ist. Es hat nicht lange gedauert, bis die Welt das gesehen hat. Plötzlich war die Verpflichtung okay, und er galt nicht mehr als Paydriver, als der er zu Beginn unglücklicherweise verschrien wurde. Mit Kamui gab es überhaupt keine kommerziellen Abkommen - und das ist jetzt genau das Gleiche. Zu allererst schaut man auf das Leistungspotenzial, dann erst auf das kommerzielle Potenzial. Das kann bedeuten, dass er seine Partner mitbringt - oder man schaut, wie vermarktbar er ist."

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Esteban Gutierrez wurde bei Sauber aufgrund sportlicher Perspektive geholt Zoom Download

Frage: "Punkte bringen Geld. Macht man eine finanzielle Rechnung auf, wenn ein kommerziell weniger interessanter Fahrer einen sportlich höheren Beitrag liefern könnte?"

Kaltenborn: "Das haben wir noch nie gemacht. Ehrlich gesagt, würde das auch kein Team machen. Die Resultate im Rennen hängen an so vielen Faktoren, die man nicht kontrollieren kann. Das haben wir im vergangenen Jahr gesehen. In einem Rennen haben wir 20 Punkte bekommen - und im nächsten plötzlich gar keinen. Ein Team muss auf seine eigene Effizienz schauen, bei der der Fahrer einer der Faktoren ist. Ich glaube nicht, dass ein Team dasitzt und diese Rechnungen aufstellt."

Frage: "Wie nah dran ist Sauber dann an vollständiger Effizienz?"

Kaltenborn: "Wir sind momentan nicht da. Aber ich denke, dass wir das Potenzial eindeutig haben, um das zu erreichen. Es ist erst das zweite Rennen, und wir müssen gewisse Probleme überstehen."

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