Formel-1-Kindergarten: Rookies im Kreuzverhör
Die Formel-1-Neulinge Jules Bianchi, Esteban Gutierez, Max Chilton, Valtteri Bottas und Giedo van der Garde in der Pressekonferenz: Erkenntnisse und Ziele
(Motorsport-Total.com) - Die fünf Neulinge in der Formel 1 haben ein solides erstes Rennwochenende hinter sich. Esteban Gutierrez (Sauber), Valtteri Bottas (Williams), Jules Bianchi, Max Chilton (beide Marussia) und Giedo van der Garde (Caterham) konnten ihre Autos beim ersten Grand Prix des Jahres ins Ziel bringen und somit viele Erfahrungen sammeln. Welche Eindrücke die Rookies bei ihrem ersten Rennen erhielten und welche Schritte als nächstes folgen sollen, erklärten sie im Rahmen der Pressekonferenz in Malaysia.
Frage: "Esteban, du bist der jüngste Pilot der Formel 1 und in Australien als 13. bester Rookie gewesen. Was hast du am vergangenen Wochenende lernen können?"
Esteban Gutierrez: "Die Erfahrungen waren für mich sehr wichtig. Dass ich gleich mein erstes Formel-1-Rennen beenden konnte, war ein wichtiger Schritt. Mit dieser Erfahrung im Gepäck, möchte ich mich in jenen Bereichen verbessern, wo dies möglich ist - und damit schon an diesem Wochenende in Malaysia anfangen. Es werden ganz andere Bedingungen herrschen. Es wird spannend."
Frage: "Nachdem Sergio Perez sich im vergangenen Jahr so gut bei Sauber entwickelt hat: Wie groß ist der Erwartungsdruck, der auf dir lastet?"
Gutierrez: "Der ist sicherlich vorhanden, aber ich beschäftige mich nicht damit, denn die Umstände sind immer wieder anders. Hier in Malaysia ist das Wetter immer wechselhaft. Das dürfte im Rennen eine große Rolle spielen. Ich möchte mein Bestes geben, mein eigenes Tempo fahren und mich Schritt für Schritt verbessern."
Frage: "Valtteri, in Melbourne bist du 14. geworden, warst im Qualifying schneller als Pastor Maldonado und hast das Rennen sauber beendet. Welche Eindrücke hast du beim Debüt gesammelt?"
Valtteri Bottas: "Ich habe in meinem ersten Grand Prix viel gelernt. Es war hart, aber es war schön, dass letztlich alles ohne größere Probleme über die Bühne ging. Natürlich hätten wir im Rennen gern viel besser abgeschnitten. Alle hatten mehr von uns erwartet - wir selbst auch. Mein Rennen war soweit gut, das Ergebnis aber nicht."
Frage: "Das Team ist nicht dort, wo es sein möchte. Wo liegen beim Auto die Probleme?"
Bottas: "Ich kann nicht in die Details gehen. Wir verstehen aber nun besser, was falsch gelaufen ist. Das Auto hat Potenzial. Der Speed steckt drin, wir müssen ihn aber abrufen. Ich denke, dass wir schon an diesem Wochenende einige Dinge im Griff haben werden. Morgen sehen wir mehr und können dann abschätzen, wo wir stehen."
Bianchi will es allen zeigen
Frage: "Jules, auf dem Weg zu Platz 15 in Australien hast du die elftschnellste Rennrunde markiert. Das ist vielen Beobachtern positiv aufgefallen. Wie schätzt du die Leistung ein?"
Jules Bianchi: "Für mich war es ein nettes Wochenende in Melbourne. Ich wurde spät nominiert und konnte nicht an allen Wintertests teilnehmen. Dennoch war ich natürlich glücklich. Ich habe versucht, es einfach zu genießen und zu schauen, was wir im Rennen ausrichten können. Es lief wirklich gut. Der Start war gut, alles andere war gut und das Ergebnis auch. Wir wissen, wo wir zulegen müssen. Das werden wir in den kommenden Rennen umsetzen."
Frage: "Du hast für Force India getestet, danach einmal im Marussia. Was denkst du, was mit diesem Auto in diesem Jahr möglich sein wird?"
Bianchi: "Ich war wirklich überrascht, als ich den Wagen erstmals gefahren bin. Meine Erwartungen waren deutlich geringer gewesen. Ich war wirklich glücklich. Ich denke, wir können gute Resultate einfahren. Wir wissen natürlich, dass wir zulegen müssen. Das Auto muss besser werden, ich selbst auch. Ich bin neu im Team und neu in der Formel 1. Ich will allen zeigen, was ich leisten kann. Ich werde in allen Rennen mein Bestes geben."
Frage: "Max, bei dir ging alles ganz schnell. Mit 21 Jahren fährst du nun bei Marussia in der Formel 1. Wie hast du dich eingelebt?"
Max Chilton: "Ich fühle mich wohl. Ich war bereit, als die Entscheidung fiel, dass ich das Cockpit bekomme. Ich glaube an mich und bin sicher, dass ich eine gute Chance habe. In diesem Jahr gibt es die Möglichkeit, dass sich Marussia mit dem neuen Auto in der Hackordnung nach oben schiebt. Ich bin schon heimisch geworden. Das Team ist klasse und ich habe nun einen Teamkollegen, von dem ich etwas lernen kann. Vielleicht kann er auch von mir lernen - so profitieren wir beide."
Frage: "Die Strecke in Malaysia kennst du. Du bist in der GP2 in Sepang sogar auf das Podest gefahren. Wie findest du den Kurs?"
Chilton: "Es ist eine schwierige Strecke. Es gibt langgezogene, schnelle Kurven und wirklich enge Bereiche, wo Beschleunigung und Traktion sehr wichtig sind, weil anschließend eine Gerade folgt. Die Hitze steht aber im Vordergrund. Im vergangenen Jahr war es hart. Jetzt fühlt es sich nicht ganz so heiß an, sodass ich mir keine Sorgen mache. Wir können uns voll darauf konzentrieren, das Beste aus dem Auto herauszuholen und unsere Gegner zu schlagen."
Caterham legt in Barcelona nach
Frage: "Giedo, du hast deinen Teamkollegen beim Debüt im Qualifying geschlagen und das Rennen auf Platz 18 beendet. Was nimmst du aus diesem ersten Einsatz mit?"
Giedo van der Garde: "Es war ein hartes Rennen. Im ersten Stint ist mir Max ins Auto gefahren, der Unterboden wurde dabei heftig beschädigt. Trotzdem konnte ich das Rennen beenden. Das war eine wichtige Erfahrung für mich. Ich habe bezüglich der Reifen viel gelernt. Jetzt kommt der nächste Schritt. Mal sehen, was wir hier erreichen können."
Frage: "Es sieht so aus, dass ihr hinter Marussia liegt. Siehst du Anzeichen, dass es bald vorangehen wird?"
van der Garde: "Erst einmal weiß man überhaupt nicht, wie sich das Wetter hier entwickeln wird. Im Regen sahen wir ganz gut aus. Ich hoffe also auf einige Schauer hier. Die zwei folgenden Rennen müssen wir mit unverändertem Auto bestreiten, aber für Barcelona ist ein großes Update geplant. Mal schauen, wie wir dann dastehen."
Frage: "Esteban, in Australien hast du mit den Medium-Reifen einen beeindruckenden Stint über 30 Runden hingelegt. Lag das an dir, oder an dem Sauber, der solch lange Fahrten mit einem Reifensatz zulässt?"
Gutierrez: "Es war klar, dass die Reifen im Rennen eine äußerst wichtige Rolle spielen würden. Ich habe mich daher die ganze Zeit darauf konzentriert, den besten Kompromiss aus Speed und Haltbarkeit auf die Distanz zu finden. Der Stint war wirklich lang. Am Ende war die Balance nicht mehr passend, weil wir einen schleichenden Plattfuß hatten. Es geht letztlich immer um die Suche nach dem optimalen Kompromiss. Wie wir gesehen haben, war Kimi auf ähnlicher Strategie, aber viel schneller. Nun müssen wir also schauen, warum das so war."
Wenn die blauen Flaggen kommen...
Frage: "Valtteri und Esteban, ihr beide habt in Pastor Maldonado und Nico Hülkenberg starke Teamkollegen an eurer Seite. Wäre euch ein etwas weniger starker Kollege im ersten Jahr lieber gewesen?"
Bottas: "Ich finde es so besser. Pastor ist eine gute Referenz. Er ist ein schneller Mann und schon im dritten Jahr bei Williams. Für mich ist es gut, wenn ich mich mit ihm messen kann. Daran kann ich besser ablesen, wo ich mich verbessern muss. Hoffentlich bleibt es eng beisammen. Ich will in der ersten Saisonphase dranbleiben, mich dann weiter verbessern. Ich finde es besser, wenn man eine solche Referenz hat."
Gutierrez: "Ich denke genauso wie Valtteri. Es ist gut, wenn dieser Vergleich vorhanden ist. Alle wissen, dass Nico ein schneller Pilot ist. Daher ist es gut, wenn er die Messlatte darstellt. Leider konnte er mir die nötige Referenz im Rennen von Australien nicht bieten. Lasst uns hoffen, dass es hier der Fall sein wird."
Frage: "Max, wie schwierig waren es für dich, wenn du von den Führenden überrundet wurdest?"
Chilton: "Das Team hatte mir bei den Wintertests ein paar Hinweise gegeben, wie man so etwas am besten macht. Sie sagten, es sei eine Kunst und man brauche ein paar Rennen, um es zu beherrschen. Ich habe die blauen Flaggen in Australien früher als gedacht gezeigt bekommen, weil wir zu Beginn einen Wechsel der Nase hatten. Unser Rennen war auf Vollgas ausgelegt bis zu den ersten blauen Flaggen. Dann wird man sowieso langsamer. Leider kamen die Flaggen dann schon so früh."
"Nach 20 Runden wusste ich, wie ich mit den Überrundungen am besten umgehe. Man kann viel Zeit sparen, wenn man es richtig und an der passenden Stelle macht. Man will die Führenden natürlich nicht aufhalten oder behindern, denn deren Rennen ist wichtiger als unseres. Aber auch für uns hat dieses Rennen einen Wert. Daher muss man im Sinne des Teams handeln und versuchen, möglichst wenig Zeit zu verlieren. Ich denke, nach einigen Rennen wird es ein natürlicher Ablauf für mich sein, sodass ich möglichst wenig Zeit dabei verliere."
Simulator hilft den Rookies
Frage: "Valtteri, könnten euch die höheren Temperaturen helfen, um mit eurem Auto schneller zu sein?"
Bottas: "Ich hoffe es. Eines unserer Probleme war aus meiner Sicht, dass die Reifen nicht wirklich auf Temperatur kamen. Wir müssen die Pneus besser zum arbeiten bringen. Ob es hier klappt, wissen wir nicht. Das ist für alle noch ungewiss. Niemand hat die Reifen jemals bei solchen Bedingungen verwendet. Wir werden es morgen sehen, werden die Reifen dann neu kennenlernen. Ich hoffe, die Hitze hilft uns."
Frage: "Sollte es überhaupt blaue Flaggen geben in der Formel 1?"
Bianchi: "Ich finde es ganz normal, dass man zur Seite fährt, wenn andere um den Sieg kämpfen. Wenn unsereins überrundet wird, dann ist es selbstverständlich, dass für den Führenden Platz gemacht wird. Ich finde die Regelung mit den blauen Flaggen ganz normal."
van der Garde: "Ich stimme zu. Man sollte die Führenden vorbei lassen. Die kämpfen immerhin um den Sieg."
Gutierrez: "Ich hoffe, dass ich in diesem Jahr nicht allzu oft die blauen Flaggen sehen werde. Grundsätzlich bin ich der gleichen Meinung wie Jules und Giedo."
Frage: "Jules, du warst ohne viele Testkilometer im Rennen in Australien schnell. Denkst du, da kommen noch große Fortschritte, wenn du erst einmal mehr im Auto gefahren bist?"
Bianchi: "Natürlich wären mehr Tests gut gewesen, aber mein Rennen war trotzdem gut. Es kommt noch mehr von meiner Seite, vor allem wenn es ums Setup geht, weil ich das Auto bisher kaum kenne. Ich habe nur eineinhalb Tage getestet. Ich muss mich also noch mehr einarbeiten. Wenn das vollbracht ist, dass wird die Performance sicherlich besser. Ich bin aber schon auf einem ganz guten Level. Ich habe in den vergangenen Jahren mit Force India und Ferrari viel üben können. Ich bin bereit für die Formel 1. Deswegen bin ich nun hier. Ich muss noch zulegen, bin bislang aber zufrieden."
Frage: "Wie sehr hilft in einer solchen Situation ein Simulator?"
Bianchi: "Ich habe vor dem Grand Prix in Australien einige Zeit im Simulator gesessen. Das hat ganz sicher geholfen, weil ich die Strecke nicht kannte. Auch diesen Kurs in Malaysia kenne ich noch nicht, daher ist ein Simulator nützlich."
Hitze: Trinken, Salzen, Saunieren
Frage: "Habt ihr euch für die Anstrengungen beim Hitzerennen in Sepang speziell vorbereitet?"
Chilton: "Wenn man aus unteren Kategorien kommt, ist schon mal die Rennlänge in der Formel 1 anstrengender, denn zuvor war man an höchstens einstündige Rennen gewöhnt. Nun sind die Rennen rund 40 Minuten länger. Das allein ist schon ein Unterschied. Dann kommen die höheren Fliehkräfte hinzu. Allerdings macht es uns die Servolenkung wiederum etwas einfacher. Bezüglich der Physis muss man sich zielgerichtet vorbereiten."
"Es ist insgesamt kein allzu großer Schritt, aber man muss spezifischer an gewissen Dingen arbeiten. Man muss sich auf die Bereiche konzentrieren, auf die es ankommt. Allerdings gibt es kein spezielles Training für solche Hitzerennen wie hier. Man kann vielleicht in der Hitzekammer arbeiten. Das hilft vielleicht etwas. Am wichtigsten ist, dass man mit allen Mitteln verhindert, dass man dehydriert. Man muss maximale Flüssigkeitszufuhr gewährleisten, das ist der Schlüssel. Wenn man das nicht macht, dann leidet man ganz schnell."
van der Garde: "Man sollte hier möglichst früh anreisen, um sich gut an diese Hitze zu gewöhnen. Man ernährt sich anders, isst viel Salz und trinkt den ganzen Tag über sehr viel. Ich trinke schätzungsweise fünf bis sechs Liter, muss entsprechend häufig pinkeln. Ich mag Hitze eigentlich, Mal sehen, wie ich nach dem Rennen darüber denke."
Bottas: "Bei uns in Finnland geht man oft in die Sauna. Vielleicht hilft das etwas. Es ist eben ein heißes Rennen - nicht mehr und nicht weniger. Für mich gab es keine spezielle Vorbereitung. Natürlich halte ich mich oft draußen auf, um mich an die Hitze gewöhnen. Letztlich ist es aber so: Je fitter du bist, desto weniger Probleme wirst du im Auto haben."
Gibt es Geheimnisse in der Formel 1?
Frage: "Ihr habt es in die Formel 1 geschafft. Habt ihr die Geheimnisse der Königsklasse schon entdeckt und könnt sie verraten?"
Bianchi: "Es gibt in der Formel 1 nicht viele wirkliche Geheimnisse. Man muss hart arbeiten und bereit sein. Ein Geheimnis liegt darin nicht."
van der Garde: "Ein Traum wird für uns wahr. Man hat hart dafür gearbeitet, es bis hierher zu schaffen. Wenn man dann aber hinten herumfährt, dann ist einiges ganz anders: blaue Flaggen, der Start ist anders, die Abläufe am Lenkrad. Es gibt viele Sachen, die anders sind als in der GP2 - aber ich genieße es. Das Team gibt mir die Zeit, alles Schritt für Schritt zu lernen."
Gutierrez: "Ich finde es ganz normal, wenn man jedes Rennen wie einfach nur ein weiteres Rennen ansieht - genauso wie für mich 2007 in der Formel BMW. Es ist letztlich kein Unterschied in der Herangehensweise. Das hilft mir, den Fokus auf die wichtigsten Dinge zu legen. Mein Traum ist es nicht, in der Formel 1 zu sein. Mein Traum ist es, in der Formel 1 erfolgreich zu sein. Ich will mich Schritt für Schritt entwickeln, um dies zu erreichen."