• 15. März 2013 · 14:21 Uhr

Michael: "Wir sind nur noch nicht ganz dort, wo wir sein wollen"

McLaren-Sportdirektor Sam Michael im Interview über die Schwierigkeiten im Lager der Chrompfeile - Der Brite nimmt sich das Ferrari-Beispiel 2012 als Vorbild

(Motorsport-Total.com) - Nach den ersten beiden Freien Trainings zum Saisonauftakt in Australien scheint es, als hätten McLaren und Mercedes im Vergleich zum Vorjahr die Rollen getauscht. Sowohl Jenson Button als auch Sergio Perez konnten das Tempo der Spitze am Freitag zu keiner Zeit mitgehen, doch Sportdirektor Sam Michael gibt sich (noch) unbesorgt. Der Brite verweist auf die langfristige Strategie, die man mit dem MP4-28 eingeschlagen hat.

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Sam MIchael (Mitte) will von einer Krisenstimmung bei McLaren nichts wissen Zoom Download

Im Interview spricht Michael über seinen ersten Eindruck vom Kräfteverhältnis, über die gegenwärtigen Schwierigkeiten im McLaren-Lager, über die Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr und über die Aussicht auf die kommenden Rennen.

Frage: "Sam, welche Erkenntnisse über das Kräfteverhältnis hat man bei McLaren bisher gewonnen?"

Sam Michael: "Es ist noch zu früh am Wochenende, um darauf eine Antwort geben zu können. Wir müssen noch etwas abwarten, aber es sollte ein interessantes erstes Rennwochenende werden. Es ist ganz so aus, als wäre der Mercedes tatsächlich schnell. Die Testeindrücke scheinen sich zu bestätigen. Das ist gut für die Formel 1. Wo sich die anderen einsortieren, weiß ich aber noch nicht. Wir werden es erleben."


Fotos: McLaren, Großer Preis von Australien


Frage: "McLaren scheint ein wenig zurückzuliegen oder täuscht das?"

Michael: "Das ist ganz eindeutig so. Wir sind nicht da, wo wir zum aktuellen Zeitpunkt sein wollen. Wir haben das Auto über den Winter recht umfangreich verändert und glauben nach wie vor, dass sich die Änderungen im Verlauf der Saison auszahlen werden. Es ist eine lange Saison."

Frage: "War McLaren auf einen derart schwierigen Start vorbereitet?"

Michael: "Nun, es ist noch früh, aber unser Ziel ist es grundsätzlich, jedes Rennen zu gewinnen. Unser Ziel an diesem Wochenende ist es, ein Auto zu haben, das schnell genug ist, um das Rennen gewinnen zu können. Daran arbeiten wir fieberhaft. Es kann kein anderes Ziel geben, als von Beginn an Leistung zu bringen und sich darauf aufbauend weiter zu verbessern."

Ferrari-Beispiel 2012 als Vorbild

Frage: "Wie weit ist das Auto derzeit von der erhofften Performance entfernt?"

Michael: "Das ist schwer zu sagen, denn wir wissen nicht, wo das tatsächliche Potenzial dieses Autos angesiedelt ist. Wir haben uns das letztjährige Auto genau angesehen und versucht, hier und da noch etwas mehr herauszuquetschen, um bei den ersten Rennen des Jahres wettbewerbsfähig zu sein. Wir nahmen einige weitreichende Veränderungen am Auto vor und nahmen dafür auch in Kauf, zunächst einen Schritt zurückgehen zu müssen. Ziel war es, ein Auto zu haben, das sofort hier in Melbourne siegfähig ist. Wenn nicht, dann sollte sich das Potenzial im Verlauf der Saison zeigen. Daran glauben wir und sehen die Fortschritte auch in der Fabrik. Wir sind nur noch nicht ganz dort, wo wir sein wollen."

"Man hat es in gewisser Weise bei Ferrari im vergangenen Jahr gesehen. Im Winter taten sie sich schwer, doch ab dem vierten, fünften Rennen waren sie bei der Musik."Sam Michael
Frage: "Liegt es am Wechsel von Schubstangen auf Zugstreben?"
Michael: "Alle Design-Veränderungen spielen eine Rolle. Wir haben im Grunde drei größere Veränderungen vorgenommen, der Wechsel auf Zugstreben an der Vorderachse ist eine davon. Der Kern der Sache ist der: Wenn man versucht, etwas gut Funktionierendes zu optimieren, ist es umso schwieriger, das von Beginn an richtig hinzukriegen. Man hat es in gewisser Weise bei Ferrari im vergangenen Jahr gesehen. Im Winter taten sie sich schwer, doch ab dem vierten, fünften Rennen waren sie bei der Musik."

Frage: "Ist es tatsächlich so, dass Setup-Änderungen am MP4-28 schwieriger umzusetzen sind als beim Vorgängermodell?"

Michael: "Ja. Heutzutage sind die Autos derart komplex, dass es schwer fällt, an ihnen zu arbeiten. Wir versuchen, die elementaren Dinge wie Stabilisatoren oder Bodenfreiheit einfach verstellen zu können. Wenn es dann in den tieferen Bereich der Radaufhängung geht, braucht es sehr viel Zeit, um Einstellungen vorzunehmen. Wir hoffen, dass letztere nicht die Dinge sind, die während einer Session verstellt werden müssen, sondern vielmehr zwischen den einzelnen Sessions."

Frage: "Welche Teile am Auto sind für Melbourne neu?"

Michael: "Wir haben zwei, drei neue Dinge am Bodywork dabei und ein paar weitere Kleinigkeiten."

Langfristige Strategie mit dem MP4-28

Frage: "Was glaubst du, wann McLaren vom eingeschlagenen Weg profitieren wird?"

Michael: "Bevor wir nicht drei oder vier Rennwochenenden hinter uns gebracht haben, werden wir nicht wissen, wo wir stehen. Wir wissen nach wie vor nicht, welche Programme die anderen Teams in den Trainingssitzungen fahren. Wir müssen erst einmal abwarten, wo wir morgen zu finden sein werden."

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Der McLaren-Mercedes MP4-28 ist bisher keine Offenbarung Zoom Download

Frage: "Hat man bei McLaren im Vorfeld erwartet, hinter Red Bull zurückzuliegen?"

Michael: "Wie gesagt, bevor wir nicht wenigstens ein Rennwochenende hinter uns gebracht haben, wissen wir nicht, wo wir stehen. Im Freien Training haben wir im Grunde nichts anderes gemacht, als die Testfahrten fortzusetzen. Erst in der ersten offiziellen Sitzung werden die Karten aufgedeckt. Vorher weiß keiner, wo er wirklich steht. Derzeit besitzen wir einfach noch nicht genügend Informationen. Diese werden wir erst nach dem Qualifying und dem Rennen haben."

Frage: "Wo steht man bei McLaren hinsichtlich der Zuverlässigkeit?

Michael: "Zuverlässigkeit ist einer der Bereiche, der als Kompromiss zur Performance zu berücksichtigen ist. Sobald man soweit ist, dass von der mechanischen Seite her keine Probleme mehr zu erwarten sind, kann man sich darauf konzentrieren, über aerodynamische Veränderungen Fortschritte zu machen."

Frage: "Wie sieht es in puncto Reifenverschleiß aus?"

Michael: "Graining gibt es nach wie vor, aber es sieht nicht ganz so schlimm aus wie in Barcelona. Das haben wir hier aber auch nicht erwartet. Es gibt zwar ein paar Hochgeschwindigkeitspassagen wie etwa die Schikane, aber die Last auf den Reifen ist hier insgesamt eine ganz andere als in Spanien. Die Gripverhältnisse sind zwar niedrig und die Autos rutschen herum, aber der Verschleiß ist an keinem der Autos so hoch in wie in Barcelona."

Frage: "Gehst du daher von einer Zwei-Stopp-Strategie aus?

Michael: "Dazu müssen wir noch ein paar Longruns (im dritten Freien Training am Samstagvormittag; Anm. d. Red.) abwarten. Erst wenn die Strecke nicht mehr ganz so 'grün' ist, bekommt man ein realistisches Bild davon, wie hoch der Reifenverschleiß tatsächlich ist."

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