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Vettel 2012: "Es hat eine Weile gedauert"
Jahresrückblick mit Sebastian Vettel: Wie er den dritten Titel langsam sacken lässt und warum er trotz der Flaggen-Diskussionen nie Zweifel hatte
(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel ist seit dem Grand Prix von Brasilien dreimaliger Formel-1-Weltmeister, und er ist heute immer noch jünger, als es Michael Schumacher bei seinem ersten Titelgewinn in Australien 1994 war. In unserem Jahresrückblick lassen wir unter anderem Peter Mücke zu Wort kommen, der ihn während der Rekord-Formel-BMW-Saison 2004 begleitet hat, aber natürlich spricht auch der Champion selbst.
Nach dem Race of Champions am vergangenen Wochenende hat Vettel nun endlich einmal ein wenig Zeit, die Füße hochzulegen und in der Schweiz Qualitätszeit mit seiner Langzeit-Freundin Hanna Sprater zu verbringen. Das gibt ihm auch Gelegenheit, über den Aufstieg in die Eliteliga der Dreifach-Weltmeister zu reflektieren - denn wer den 25-Jährigen kennt, der weiß, dass ihm Statistiken und Formel-1-Geschichte enorm wichtig sind.
Frage: "Sebastian, mit welchen Emotionen betrachtest du rückblickend den Tag, an dem du deinen dritten WM-Titel sichergestellt hast?"
Sebastian Vettel: "Nach dem Rennen war es zunächst einmal sehr schwierig, die richtigen Worte zu finden und das Erlebte wirklich zu verarbeiten. Es hat eine Weile gedauert, aber es ist immer noch unglaublich."
Chaotischer Rennsonntag in Brasilien
"Gerade das Rennen war etwas ganz Besonderes - es ist so viel passiert und es gab so viele verrückte Situationen. Man hat viele Rennen im Jahr, wo es vielleicht ein bisschen ruhiger zugeht und eine gewisse Routine herrscht, aber an diesem Sonntag ging es wirklich drunter und drüber. Wichtig war einfach, dass wir zu jeder Zeit den Überblick gewahrt haben, und auch wenn beim Boxenstopp gerade keine Reifen dalagen, die richtigen Reifen aufzutreiben."
"Es ist einfach unglaublich. Man realisiert nach und nach, wie viele kleine Schritte nötig waren, um wirklich das große Ziel zu erreichen. Darauf können wir glaube ich sehr stolz sein, und das ist etwas, was wir immer in Erinnerung halten werden. Auch wegen des verrückten Rennens in Brasilien."
Frage: "Wie war das Gefühl, als du gewusst hast, du hast es geschafft?"
Vettel: "Zunächst war ich sehr ruhig. Man ist in diesem Moment einmal sehr leer, alles ist ruhig, alles fällt von einem ab. Die ganze Zeit ist man so fokussiert auf den einzelnen Moment - man geht von Runde zu Runde. Gerade bei so einem Rennen, mit diesen Bedingungen, kann man es sich nicht erlauben, über etwas anderes nachzudenken."
Eine ganze Saison unter Strom
"Das ganze Jahr kann man sich nie die Zeit nehmen, wirklich einmal durchzuatmen. In dem Moment zu begreifen, dass jetzt die Saison vorbei ist, dass das Ziel erreicht ist... Deswegen herrscht im ersten Moment eine Leere, und man weiß gar nicht so richtig, wie man das jetzt einsortieren soll, weil man bis zur letzten Runde noch voll unter Strom steht."
Frage: "Hattest du noch die Kraft zum Feiern?"
Vettel: "Die Frage ist, wie man feiert und wie viel Energie man dafür braucht! Der rechte Arm, der geht immer hoch, das ist kein Problem, zur Not hat man den linken ja auch noch. Mit dem Tanzen halte ich mich eh ein bisschen zurück. Klar, man genießt das und es gehört dazu. Dafür muss man noch einmal die letzten Kräfte zusammenkratzen und versuchen, auch das zu genießen."
"Wenn man das nicht machen würde, dann würde man sich letzten Endes fragen, wozu man das Ganze eigentlich macht, wenn man nicht nachher einfach dastehen kann, zufrieden sein kann und sagt: Jetzt wird gefeiert! Ich freue mich aber auch drauf, wenn es ruhiger wird, gerade um die Weihnachtszeit, wenn man dann wirklich Zeit hat für sich selbst."
Vettel und der WM-Pokal
Frage: "Jetzt kommt dann der wunderbare Moment, wenn der Pokal, der eh in deiner Küche steht..."
Vettel: "Nicht mehr, den Pokal musste ich im Oktober abgeben, da wurde er dann aufbereitet. Man wünscht sich dann natürlich, dass man ihn wieder bekommt (das Interview wurde vor der FIA-Siegerehrung in Istanbul geführt; Anm. d. Red.). Es war kein einfacher Abschied, aber jetzt weiß ich ja, dass ich ihn wieder bekomme. Ich glaube, der Küchentisch freut sich auch, denn da hat er die letzten Jahre gestanden und immer Glück gebracht. Dort wird er auch jetzt stehen."
Frage: "Jetzt steht dann Vettel - Vettel - Vettel auf dem Pokal. Drehst du ihn so, dass das immer lesbar ist?"
Vettel: "Da müssen wir uns in Zukunft noch ein bisschen anstrengen, damit ich mir keine Gedanken mehr machen muss, wie ich ihn drehe, um den Namen lesen zu können. Nein, es ist etwas unheimlich Besonderes, den Pokal entgegenzunehmen und jedes Mal wieder zu schauen, welche Namen draufstehen. Dass man dann ganz am Ende dreimal selbst draufsteht, kann man nicht beschreiben."
Frage: "Du bist jetzt 25, hast drei WM-Titel. Jetzt hast du schon so viel erreicht, gehst du jetzt an das nächste Jahr noch relaxter heran, oder hast du immer noch den gleichen Killerinstinkt?"
Vettel: "Killerinstinkt? Nein. Ich weiß zwar, dass ich vielleicht eine besondere Position im Team habe, aber ich fühle mich als einer, der ein Teil des Ganzen ist, als Teammitglied so wie jeder andere auch."
Der Weg ist das Ziel
"Ich habe zumindest noch nie Probleme gehabt, mich zu motivieren, weil es am Ende die einzelnen Rennen sind, an die man sich zurückerinnert. Klar, jetzt hier zu stehen und den Erfolg genießen zu dürfen, ist etwas ganz Besonderes, aber es ist der Weg, den man für immer in Erinnerung haben wird und was einen wirklich freut, wenn man zurückblickt."
"Das richtige Ende zum Schluss rundet das Ganze ab, aber die einzelnen Schritte haben so viel Spaß gemacht, die Herausforderungen zu jeder Zeit - vor dem ersten Rennen nervös und angespannt in der Startaufstellung zu stehen, beim letzten Rennen nicht gerade die beste Ausgangsposition zu haben. Dieses Kribbeln macht es aus, und wenn man sich das jetzt vorstellen würde, dass das auf einmal nicht mehr da wäre - ich glaube, da würde einem etwas fehlen. Ein Großteil meines Lebens würde mir abgehen."
"Deswegen bin ich zwar jetzt froh, dass ein bisschen Pause ist, aber irgendwann freut man sich dann auch wieder, dass es weitergeht. Da es von null wieder anfängt, weiß man auch, dass jeder die gleiche Chance hat und man sich erneut beweisen muss, aber auch will."
Jeder einzelne Punkt zählt
Frage: "Was war diese Saison die größte Herausforderung oder der größte Test?"
Vettel: "Das Wichtigste war, dass wir immer an uns geglaubt haben. Die Leute sind mit ihren Urteilen sehr schnell, wer der Favorit auf den Titel ist, wer aus dem Rennen ist. Aus mathematischer Sicht ist es sehr einfach, herauszufinden, wer es noch schaffen kann und wer nicht. Solange man noch im Rennen ist und eine Chance hat, ist es unsere Aufgabe - man muss dann an sich glauben. Das haben wir getan."
"Die größte Lektion, die wir gelernt haben, ist, dass jeder einzelne Punkt am Ende den Unterschied macht. Am Ende waren es nur drei Punkte, beinahe noch weniger. Und es hätte fast nicht gereicht. Da realisiert man, dass jeder einzelne Schritt wichtig ist, dass gewisse Dinge passieren werden, man bei einigen Rennen in Problemen ist und man die Zielflagge vielleicht nicht sieht. Gleichzeitig erkennt man, dass das über eine Saison mit 20 Rennen normal ist und diese Dinge auch anderen passieren werden. Einmal öfter, einmal weniger oft - das liegt nicht in deiner Hand."
"Man muss sich aber darauf konzentrieren, was in deiner Hand liegt, und die Energie in so einer langen Saison nicht mit Gedanken darüber verschwenden, was die anderen machen, um zu gewinnen. Es geht vor allem um dich und das Auto. Was dann rund um einen passiert, hat man nicht in der Hand."
Immer auf sich selbst geschaut
Frage: "Vor allem von Ferrari und Fernando Alonso kam heftige Gegenwehr, auf und abseits der Strecke."
Vettel: "Wir haben uns immer auf uns konzentriert und alles auf unsere Art gemacht. Das hat glaube ich am Ende den Unterschied gemacht. Für mich und für uns ist es immer am wichtigsten, dass man am Ende in den Spiegel schauen kann und ehrlich zu sich selbst ist, denn es bringt nichts, wenn man vorgibt, etwas anderes oder jemand anderer zu sein. Man ist immer der Erste, der bemerkt, dass man sich selbst betrügt."
Frage: "Nach dem Triumph gab es noch etwas Unruhe, weil Ferrari die FIA um eine Klarstellung bat und du bezichtigt wurdest, Jean-Eric Vergne bei gelber Flagge überholt zu haben. Hast du dir Sorgen gemacht, dass du den Titel noch verlieren könntest?"
Vettel: "Ehrlich gesagt habe ich nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass ich etwas Illegales gemacht haben könnte. Obwohl es ein ereignisreiches Rennen war, sah ich alle Flaggen - und ihre Farben."
Keine Zweifel trotz Diskussionen
"Ich bekam nur die Information, dass Ferrari etwas vorhatte, nachdem Christian (Horner; Anm. d. Red.) mich angerufen hatte und mir sagte, dass Ferrari wohl mit dem Ausgang des Rennens nicht ganz zufrieden wäre. Erst nachdem die FIA jeden Meter der betreffenden Situation genau untersucht und bestätigt hat, dass alles innerhalb des Reglements war, hat Ferrari auf den Protest verzichtet. Ob ihr es glaubt oder nicht: Ich wusste seit der Zielflagge, dass jedes einzelne Manöver gepasst hat."
Vettel: "Ha, Bangkok hat Spaß gemacht! Das war perfekt, um etwas herunterzukommen. In den nächsten Wochen werde ich mich auf den Menschen Sebastian Vettel konzentrieren, bevor ich Anfang Februar wieder auftauche, um mich mit dem RB9 vertraut zu machen."
"Ich möchte mich bei allen Formel-1-Fans bedanken, die uns in dieser langen Saison gefolgt sind, obwohl ich sagen muss, dass wir für fantastische Unterhaltung gesorgt haben. Manchmal sogar etwas zu viel für meinen Geschmack, aber wir schauen eben auf die Fans..."