Boullier: "Romain muss die Balance finden"
Eric Boullier nimmt Romain Grosjean nach dem erneuten Startunfall in die Pflicht: "Er ist der Einzige, der das Problem lösen kann"
(Motorsport-Total.com) - Beim Großen Preis von Japan in Suzuka war Romain Grosjean bereits zum siebten Mal in dieser Saison in einen Zwischenfall in der Startrunde verwickelt. Dieses Mal war Mark Webber das Opfer und wurde vom Lotus-Piloten in Kurve zwei "auf die Hörner" genommen. Im Interview spricht Teamchef Eric Boullier über den Zwischenfall und berichtet, wie er und das Team versuchen, ihrem Piloten zu helfen. Gleichzeitig erhöht er jedoch auch den Druck auf Grosjean. Nur er alleine sei der Schlüssel zur Lösung des Problems.
Frage: "Eric, fangen wir mit dem Offensichtlichen an: Romain war wieder einmal in einen Zwischenfall verwickelt. Wie hast du die Situation gesehen?"
Eric Boullier: "Das war natürlich ein schlechter Zeitpunkt. Romain hat das Privileg, talentiert zu sein, und er hat ein Auto, das schnell genug ist, um sich weit vorne zu qualifizieren. Wenn man sich seine Karriere betrachtet, dann war er immer ein etwa heißblütiger Fahrer, bis er das nötige Selbstvertrauen gefunden hat. Aber die Formel 1 ist nicht so geduldig wie Nachwuchsformeln."
"In Spa-Francorchamps haben wir einen spektakulären Unfall gesehen, der dramatisch hätte enden können. Glücklicherweise war das nicht der Fall. So etwas kann man nicht akzeptieren. Hier in Japan ging es nicht darum, an der Abstimmung des Autos zu arbeiten. Es ging darum, diesen jungen Burschen Selbstvertrauen zu geben, damit er ruhiger wird und einen kontrollierten Start fährt. Das versuchen wir seit Jahresbeginn. Seit Spa-Francorchamps haben wir dieses Programm angezogen. Es ist vom Zeitpunkt her natürlich unglücklich, dass nun wieder solch ein Zwischenfall geschehen ist."
Frage: "Er hat dafür keine Durchfahrtstrafe, sondern sogar eine Zehn-Sekunden-stop-and-go-Strafe erhalten. Die Rennleitung schaut bei ihm nun genauer hin, nachdem es mehrere Zwischenfälle dieser Art gab. Könnte das dazu führen, dass er im Zweikampf immer vorsichtiger werden muss?"
Boullier: "Sicherlich, aber wenn man sich den Start in Japan anschaut, sieht man, dass er nicht die Line wechselt. Das ist eine Entscheidung, die wir so getroffen haben. Wenn er am Start rechts fährt, soll er dort bleiben."
"In Singapur hat er auch einen recht heißen Start erlebt. Das lag aber nicht an ihm, sondern an anderen Fahrern, die wussten, dass er unter Druck steht und die daher erwarteten, er würde zurückziehen. Hier habe ich ihm gesagt: 'Mach das nicht. Bleib auf deiner Linie und vermeide, anderen Autos zu nahe zu kommen'. Und das hat er gemacht. Er sah Perez neben sich und wollte weit genug von ihm entfernt bleiben. Leider hat er den Abstand zu Webber falsch eingeschätzt, vielleicht wegen des Geschwindigkeitsunterschieds. Ich glaube, beide waren schneller als Webber."
Frage: "Wie wirst du jetzt damit umgehen? Wirst du mit ihm sprechen?"
Boullier: "Ich habe schon viel mit ihm gesprochen, vor allem nach dem Vorfall in Spa-Francorchamps."
Frage: "Bist du zuversichtlich, dass er daraus lernen wird?"
Boullier: "Er fährt ja nicht erst seit gestern Rennen. Er hat jede Meisterschaft gewonnen, an der er teilnahm. Er ist sehr schnell."
Frage: "Mark war nach dem Zwischenfall alles andere als glücklich. Macht das seine Situation noch schwieriger, das er nun fast das halbe Fahrerfeld gegen sich aufgebracht hat und seine Kollegen ihn möglicherweise in der Fahrerbesprechung darauf ansprechen? Könnte das eine weitere Ablenkung sein, die euch Sorgen macht?"
Boullier: "Ich sehe das nicht als zusätzliche Ablenkung. Wenn du solche Probleme nicht rechtzeitig in den Griff bekommst, wird es natürlich immer schwieriger. Wir haben die Abläufe geändert, aber nicht um es ihm gemütlicher zu machen. Ich wollte ein härteres Umfeld für ihn, denn ich muss ihn pushen, aber letztlich ist er der Einzige, der das Problem lösen kann. Niemand sonst kann das. Er muss herausfinden, was er braucht, um entspannt und konzentriert zu sein. Er muss die Balance finden, das kann ihm niemand abnehmen."
Frage: "Hat die Situation Einfluss auf seine Zukunft im kommenden Jahr?"
Boullier: "Bis jetzt noch nicht."