• 07. Oktober 2012 · 16:03 Uhr

Vettel: "Von solch einem Auto träumst du nachts"

Sebastian Vettel über seine Triumphfahrt von Suzuka, den Kampf um die Weltmeisterschaft und die Einstellung von Juan Manuel Fangio Sieges-Statistik

(Motorsport-Total.com) - Sebastian Vettel ließ beim Großen Preis von Japan in Suzuka keinen Zweifel daran, wer in Japan der schnellste Fahrer war. Von der Pole-Position aus fuhr der 25-Jährige unangefochten zum Sieg. Im Interview spricht Vettel über das Wochenende und erklärt, was es ihm bedeutet, nach bei der Anzahl der Siege mit dem fünffachen Weltmeister Juan Manuel Fangio gleichzuziehen. Außerdem spricht er über seine schnellste Rennrunde kurz vor dem Ende, die in der Red-Bull-Box für Kopfschütteln sorgte und analysiert die WM-Situation.

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Sebastian Vettel fuhr in Sukuka in einer eigenen Liga Zoom Download

Frage: "Sebastian, gestern die Pole-Position, heute der Sieg, aber du hast bist zur letzten Runde sehr viel Druck gemacht. Wusstest du, dass Fernando nicht mehr im Rennen ist?"

Sebastian Vettel: "Ich habe am Anfang das Safetycar gesehen. Zunächst einmal hatte ich einen sehr guten Start, was sehr wichtig war, denn hinter mir passierte ein Unfall und ich sah, dass ein Ferrari abflog. Ich war mir nicht sicher, wer das war, aber bei Rennhalbzeit habe ich auf der Anzeigetafel erkennt, dass Felipe noch im Rennen war. Daraus habe ich geschlossen, dass Alonso draußen ist. Zunächst einmal möchte ich allen danken. Die Atmosphäre am Wochenende ist hier immer unglaublich. Sobald wir das Hotel verlassen, bekommen wir eine Menge Unterstützung."

"Die Tribünen sind entlang der Start-Ziel-Gerade, aber auch in fast jeder anderen Kurve voll besetzt. Das macht unseren Job hier so besonders. Danke an alle, domo arigato, und... leider waren das schon meine Japanisch-Kenntnisse. Ich werde versuchen, bis zum kommenden Jahr ein paar Worte mehr zu lernen. Danke an mein Team, danke an Renault, all die Jungs haben in den vergangenen Monaten so hart gearbeitet. Wie ich schon am Funk sagte, wenn du nachts träumst, dann davon, ein solches Auto zu fahren. Die Balance war fantastisch, ich habe jede Runde genossen. Deshalb war die Lücke zu den Jungs hinter mir so groß. Ich bin sehr, sehr glücklich."

Frage: "Das sah nach einem perfekten Rennen und einem fast perfekten Wochenende aus."

Vettel: "Ja, wie gesagt, es ist unglaublich. Vor Singapur hatte ich lange kein Rennen gewonnen, und nun gleich zwei in Folge. Seit dem Qualifying gestern hätte es nicht besser laufen können. Solche Rennen oder Wochenenden erlebst du nur äußerste selten. Unglaublich. Ich hatte einen sehr guten Start, was offensichtlich wichtig war, denn Mark ist in den ersten beiden Kurven in Schwierigkeiten geraten. Ich sah, dass mein Start besser war als seiner, denn Kamui hatte ihn vor der ersten Kurve bereits überholt. Ich habe mich auf mein Auto konzentriert und wollte durch die ersten Kurven kommen. Dann sah ich recht bald die Safetycar-Zeichen."

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Streicheleinheiten für "Abbey": Vettel schwärmt von seinem Auto Zoom Download

"Ich war mir nicht sicher, was passiert war, und als wir zum ersten Mal dort vorbeikamen, war überraschenderweise nichts mehr zu sehen. Die Streckenposten haben bei der Reinigung der Strecke sehr gute Arbeit geleistet. Ich weiß nicht, wie viele Autos in den Zwischenfall verwickelt waren, es war entscheidend, nicht zu dieser Gruppe zu gehören. Das Auto hat sich sehr gut verhalten, und es ist schwer zu beschreiben, warum. Wir hatten keine großen Upgrades für dieses Rennen. Es lag wohl vor allem daran, dass unser Auto zu dieser Strecke passt und wir am Freitag und Samstag die richtige Abstimmung gefunden haben."

"Es war ein fantastisches Rennen, ich bin sehr sehr stolz auf das Team. Sie waren während des gesamten Rennens sehr groß. Bei den Boxenstopps hatten wir den Luxus, dass der Abstand nach hinten groß genug war und wir sogar etwas Zeit hätten verlieren können, aber sie schienen sehr konzentriert zu sein. Im Auto habe ich versucht, keine Zeit zu verlieren, denn die untergehende Sonne stand am Ende sehr tief, wodurch es in einigen Kurven sehr schwierig war. Vor allem in Kurve acht und 13 (Spoon-Kurve, Anm. d. Red.), wo sich an diesem Wochenende einige Autos gedreht haben."

"Wenn du schon über die nächste Kurve nachdenkst, ist es sehr einfach, unkonzentriert zu sein einen Fehler zu machen. Ich habe versucht, konzentriert zu bleiben, und am Ende war es fantastisch, denn ich hatte ein Auto, mit dem ich das Rennen kontrollieren konnte. Ich konnte Druck machen und gleichzeitig auf die Reifen achtgeben. Bevor ich jetzt noch mehr erzähle: Es war fantastisch."

WM-Duell wieder völlig offen

Frage: "Es erscheint ungewöhnlich, dass du nach deinem erst dritten Sieg nun fast die WM anführst."

Vettel: "Ich bin da sehr vorsichtig, aber mit Blick auf die Meisterschaft war dieses Rennen ein großer Schritt, der uns geholfen hat. Aber du siehst, wie schnell sich alles ändern kann. Wir sind seit der Sommerpause vier Rennen gefahren und hatten in Monza einen Ausfall. Im vergangenen Jahr gab es nur ein Rennen, in dem wir nicht ins Ziel gekommen sind, in diesem Jahr ist es für alle völlig anders. Es scheint, dass wir näher am Limit sind, daher kann jedes Rennen unterschiedlich aussehen."


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Japan


"Warst du früher an einem schlechten Wochenende immerhin noch Vierter oder Fünfter, bist du jetzt vielleicht Zehnter. Team wie Sauber mit Kamui und Sergio oder Lotus sind in dieser Saison sehr stark. Deshalb ist es wichtig, konstant Punkte zu sammeln, aber irgendeiner von uns muss jedes Mal das Auto abstellen und zuschauen, was ich aber niemandem wünsche. Deswegen bin ich sehr vorsichtig, denn es ist noch ein langer Weg, auf dem viele Dinge passieren können. Für uns war wichtig, dass wir an diesem Wochenende eine gute Pace hatten und das ausgenutzt haben."

Frage: "Bei deinem ersten WM-Titel warst du der Jäger, beim zweiten der Gejagte. Wie könnte es beim möglicherweise dritten Titel aussehen?"

Vettel: "Das weiß ich nicht. Diese Frage könnte ich beantworten, wenn ich das Glück haben sollte, einen dritten Titel zu gewinnen, ob in diesem Jahr oder wann auch immer. Wie schon gesagt: Ich bleibe vorsichtig. Es war eine lange Reise und ein hartes Jahr. Es folgen noch viele Rennen, daher will ich heute nicht über die Meisterschaft sprechen. Heute lag ich vor allen anderen, habe das Rennen gewonnen und die meisten Punkte kassiert, aber niemand weiß, was am nächsten Wochenende passieren wird."

"Der Rest der Saison wird sehr anstrengend, mit einem neuen Kalender und vielen aufeinanderfolgenden Rennen. Am kommenden Wochenende Südkorea, dann die beiden Rennen in Indien und Abu Dhabi und dann Amerika und Sao Paulo. Das ist noch ein langer Weg. Wir müssen uns auf jedes einzelne Rennen konzentrieren, unser Bestes geben und dann schauen, ob es genug war. Unser Ziel ist, möglichst viel aus den letzten fünf Rennen herauszuholen, dann rechnen wir zusammen. Wenn er reicht, wäre es fantastisch. Wenn nicht, dann wird es sicherlich nicht an den letzten fünf oder sechs Rennen liegen."

Zweikampf Alonso-Vettel?

Frage: "Fernando hat gesagt, dass es eine Mini-WM zwischen ihm werden wird. Bist du der gleichen Meinung?"

Vettel: "Wir haben gesehen, wie schnell sich die Dinge ändern können. Heute hatte er Pech. Ich weiß nicht, was mit Fernando passiert ist, ob er getroffen wurde oder ob es sein Fehler war. Ich glaube aber nicht, dass es sein Fehler war, dafür ist er zu gut. Das kann auch mir schnell passieren. Sicherlich sieht es heute für uns besser aus als noch gestern. Aber die anderen Jungs sind auch noch im Rennen, momentan jagen alle Fernando. Diese Saison war in vielerlei Hinsicht verrückt, und es sieht nicht danach aus, dass sich daran etwas ändern würde."

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In der WM läuft es wie 2010 auf ein Duell Vettel gegen Alonso hinaus Zoom Download

Frage: "Wie wichtig ist es, auch aus psychologischer Sicht, zu wissen, dass du im nächsten Rennen die WM-Führung übernehmen kannst?"

Vettel: "Dieses Wissen hatten wir vorher vielleicht nicht, aber die Meisterschaft war trotzdem auch vor dem Rennen unser Ziel und absolut machbar. Es war nicht so, als hätten wir vorher nicht daran geglaubt und jetzt ist man auf einmal wieder aufgewacht. Es war vorher unser Ziel, den Glauben haben wir nie verloren. Für die nächsten Rennen gilt aber das gleiche wie hier: nicht soviel über die Meisterschaft quatschen, sondern auf das konzentrieren, was direkt vor einem liegt."

Frage: "Seit du in die Formel 1 gekommen bist, hast du Rekord nach Rekord bebrochen. Heute hast du Fangio bei der Anzahl der Siege eingeholt und bis jetzt jedes vierte Rennen gewonnen. Sind diese Statistiken und die Tatsache, dass die Medien dich immer wieder daran erinnern, zusätzlicher Druck oder blendest du das aus und konzentrierst dich aufs Rennen?"

Vettel: "Nein, das ist schon etwas Besonderes. Ich schaue mir gerne Statistiken an, aber vor allem um zu sehen, was andere erreicht habe und nicht in erster Linie, um mich mit ihnen zu vergleichen. Ich war mir dieser Zahlen jedoch nicht bewusst, aber die Formel 1 ist irgendwie speziell."

"Als ich zum letzten Mal gemeinsam mit Kamui auf dem Podium stand, sind wir in der Formel 3 gefahren und haben beide von der Formel 1 geträumt. Als junger Formel-3-Fahrer weißt du zwar, dass die Formel 1 nur ein oder zwei Schritte entfernt ist, aber gleichzeitig ist sie doch noch sehr weit weg. Es gibt nur 24 Fahrer in der Formel 1, daher solltest du dich zunächst einmal extrem glücklich schätzen und stolz sein, wenn du zu ihnen gehörst und ein Formel-1-Auto fahren, siegen und um die Meisterschaft fahren darfst. Als ich jung war, habe ich ständig die Formel 1 und Michael angeschaut."

"Damals hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal dazugehören und irgendwelche Rekorde brechen würde. Deswegen macht mich schon der beste Start oder irgendwas in dieser Richtung extrem stolz. Es ist eine Ehre, und wie ich schon gestern sagte, auf solch einer Strecke spürst du, wozu die Autos in der Lage sind. Leider ist es unmöglich, diese Gefühle zu beschreiben, daher ist es etwas, dass nur wir Fahrer untereinander teilen können. Das sollten wir zu keinem Zeitpunkt vergessen, das ist etwas ganz besonders."

"Meiner Meinung nach ist das der beste Job der Welt, denn wenn du erfolgreich bist, macht es sehr, sehr viel Spaß und verschafft dir große Befriedigung. Es gibt nichts, was mich glücklicher macht, als im Qualifying rauszufahren in dem Wissen, dass das die entscheidende Runde ist und du nur eine Chance hat. Oder am Rennstart, wenn du dich voll auf die Ampeln konzentrieren musst. Du weißt, dass du nicht einfach auf Pause drücken, zurückspulen und es noch einmal versuchen kannst. Du hast nur eine Chance, jetzt oder nie."

Steigerung im Qualifying wichtig

Frage: "Wie wichtig war das Qualifying für dich. Führer in der Saison, während der Rennen in Europa, hattest du manchmal Probleme, in die Nähe der ersten Startreihe zu kommen. Jetzt schlägst du dich im Qualifying deutlich besser. Wie wichtig ist das beim Kampf um die Meisterschaft?

Vettel: "Das ist sehr wichtig. Am Beginn der Saison ging der Trend dahin, dem Qualifying nicht so viel Bedeutung zuzumessen, weil die Rennen sehr turbulent waren. Manche Rennen wurden in den letzten zehn Runden auf den Kopf gestellt, aber es ist immer noch sehr wichtig, nach dem Qualifying in einer guten Position zu sein."

"Wenn du den Durchschnitt der bisherigen 15 Rennen betrachtest, siehst du, wie wichtig das Qualifying immer noch ist. Daher war es entscheidend, dass wir uns am Samstag gesteigert haben. Es ist jedoch immer noch sehr einfach, keinen perfekten Samstagnachmittag zu haben. Ich habe vor zwei Wochen in Singapur erlebt, wie schnell sich das Blatt wenden kann. Ich hatte ein gutes Auto, war zufrieden und in Q1 und Q2 lief alles nach Plan. Dann kommt Q3 und du verstehst nicht, warum du nicht mehr schneller wirst. Ich habe heute Morgen einen Artikel über Felipe gelesen, in dem er sagte, dass er gestern die gleiche Erfahrung gemacht hat."

"Wir verwenden so viel neue Reifensätze, fahren so viele Qualifyings, und dann ist es schwierig zu sagen 'Ich hatte auf diesem Run keinen Grip, es hat nicht gepasst, und deshalb war ich zu langsam', weil du immer eine Erklärung haben möchtest. In diesem Jahr scheinen die Autos dichter beieinanderzuliegen, und das Arbeitsfenster, in dem die Reifen richtig funktionieren, ist wesentlich schmaler. Daher können sich vor allem im Qualifying die Dinge schnell ändern. Selbst nach einem guten Beginn kann das Qualifying noch eine schlechte Wendung nehmen und dein Wochenende beeinträchtigen."

Doppel-DRS kein Thema

Frage: "Gegen Rennende wurde dir von der Box gesagt, du solltest vorsichtig sein, aber stattdessen bist du die schnellste Rennrunde gefahren. Warst du die sicher, dass nichts passieren kann. Und die zweite Frage: Seid ihr heute mit dem Doppel-DRS gefahren?"

Vettel: "Glücklicherweise musste ich das DRS heute nicht einsetzen, daher spielte das keine Rolle. Wir haben uns in den vergangenen Rennen gesteigert. Vor allem das Qualifying war unsere Schwachstelle, dort sind wir seit einigen Rennen besser."

"Am Ende wollte ich kein unnötiges Risiko eingehen. Ich habe versucht, den Abstand zu Felipe zu kontrollieren. Im vergangenen Jahr war ich in einer ähnlichen Situation. Dort hatte ich auch einen Vorsprung von fünf oder sechs Sekunden, wollte dann das Rennen zu sehr kontrollieren, und dadurch wurde es am Ende sehr eng. Deshalb wollte ich heute nicht nachlassen und oder nachlässig werden. Am Ende war es vielleicht nicht das Allerklügste, aber ich wollte keine Dummheiten machen. Du hast nicht oft im Leben ein Auto, mit dem du das Rennen derart unter Kontrolle hast."

"Die Balance und das Fahrverhalten waren sehr gut, und deshalb konnte ich am Ende noch schnelle Rundenzeiten fahren. Es war keine Qualifying-Runde, aber dennoch eine sehr gute. Ich glaube aber, dass ich einen auf den Deckel bekomme, wenn ich in die Box zurückkomme. Die Regeln sind heute etwas anders. Wer gegen Ende einen frischen Reifensatz aufschnallt, hat sie schnellste Runde gepachtet. Ich dachte es passt einfach zum Wochenende."

Frage: "Eine Frage zu deinem Helm-Design. Gibt es dazu eine Geschichte?"

Vettel: "Die gibt es immer, das ist immer etwas Besonderes. Ich habe diesen 'Helm-Tick' und wechsle das Design mehrmals im Jahr. Es macht mir Spaß, zusammen mit meinem Designer nach neuen Ideen zu suchen, und für Japan wollen wir immer ein spezielles Design entwerfen. Die Helme, mit denen ich in den Vorjahren hier gefahren bin, waren immer sehr schön, haben aber auch eine Nachricht vermittelt. In diesem Jahr ging es um das 50-jährige Jubiläum von Suzuka. Wir haben die Kurvennamen und den Architekten, der übrigens Niederländer war, auf dem Helm verewigt. Diese Strecke macht sehr viel Spaß, ein Sieg hier bedeutet allen Fahrern sehr viel."

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