Vettel: Wie konkurrenzfähig ist Red Bull in Monza?
Vor dem Rennwochenende in Monza spricht der Deutsche über die Strafen in der Formel 1, die Sicherheit und die momentanen Kräfteverhältnisse
(Motorsport-Total.com) - Monza ist für Sebastian Vettel ein besonderer Kurs. Im Toro Rosso fuhr der Deutsche hier zu seinem ersten Sieg. Im Vorjahr demütigte er Fernando Alonso vor den Tifosi mit einem spektakulären Überholmanöver. Was ist 2012 drin, nachdem er in Spa-Francorchamps den Rückstand zum WM-Leader verkleinern konnte? Im Interview spricht Vettel über das anstehende Rennen, die Strafen in der Formel 1 und erklärt, wie er zu den Kuppeln steht.
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Red-Bull-Pilot Sebastian Vettel wirkt vor dem Rennen in Monza sehr gelassen Zoom Download
Frage: "Wie beurteilst du die Chance auf einen Sieg?"
Sebastian Vettel: "Wie bei allen anderen Wochenenden ist es zum jetzigen Zeitpunkt schwierig abzuschätzen. Wie ich bereits vergangene Woche sagte, war es bisher recht unvorhersehbar. Ich sehe keinen Grund, warum sich das mit Blick auf dieses Wochenende geändert haben sollte. Wir waren im vergangenen Jahr hier sehr schnell. Vor zwei Jahren waren wir hier nicht so schnell. Es ist schwierig, heute eine Prognose abzugeben."
Frage: "Fernando Alonso hat gesagt, dass er mehr auf McLaren schaut als auf Red Bull. Beeinflusst das euer Team?"
Vettel: "Das hat er gesagt? Ich habe kein Problem damit, wenn er so denkt. Wir schauen in erster Linie auf uns selbst - was hat sich für uns bezahlt gemacht und was wird sich bezahlt machen. Im Moment führt Fernando die Meisterschaft an."
Frage: "Würdest du auch sagen, dass McLaren das beste Paket hat?"
Vettel: "In diesem Jahr ist es schwierig, das beste Auto zu nennen. Das hängt von dem jeweiligen Rennen ab. Ich denke, dass sich die Autos sehr ähnlich sind. Es ist vor dem Wochenende schwierig vorherzusagen, welches Auto gewinnen wird. Es sind nicht nur ein oder zwei Autos oder Teams. Vergangene Woche hatten wir beide Sauber in den ersten beiden Startreihen. Leider haben sie es nicht weiter als bis zur ersten Kurve geschafft. Ich denke, dass sie schnell gewesen wären. Das könnte hier ähnlich sein. Es gibt in diesem Jahr keine Mistkarre. Es sticht aber auch kein Auto besonders hervor."
Probleme mit der mittleren Mischung
Frage: "Du wurdest durch die Übersetzung in Spa etwas limitiert."
Vettel: "Wir müssen uns bei jedem Rennen damit auseinandersetzen. Man wählt die Getriebeabstufung so, dass man damit zurechtkommt. Seitdem es DRS gibt, muss man immer einen Kompromiss zwischen dem Tempo im Qualifying und dem im Rennen eingehen. Das trifft nicht nur uns. Ich denke, dass auch andere Teams beim vergangenen Rennen in den Begrenzer gekommen sind. Es wird hier sicher ähnlich."
Frage: "Hier wird mit den gleichen Reifenvarianten wie in Spa gefahren. Was denkst du darüber?"
Vettel: "Solange sie funktionieren, ist mir das egal. Es war in Spa etwas schwierig. In Malaysia sind wir vor Spa das letzte Mal im Qualifying mit den mittleren und den harten Reifen gefahren und hatten auch Probleme. Bei meinem letzten Versuch bin ich damals mit dem harten Reifen gefahren, weil ich mit der mittleren Mischung nicht schnell genug war. Aus unserer Sicht ist es nicht gerade konstant. Es gab viele Rennen, bei denen wir mit den mittleren Reifen keine Probleme hatten. Der Asphalt ist an diesem Wochenende anders. Er ist rauer als der in Spa."
Das Gespräch mit Schumacher
Frage: "Du meintest nach dem Rennen in Spa, dass du mit Michael Schumacher über die Szene in der Schikane reden wirst. Sollten Zwischenfälle in Zukunft nicht lieber unter den Fahrern geregelt und nicht durch Kommentare von außen beeinflusst werden?"
Vettel: "Ich denke, dass das ein schwieriges Thema ist. Es ist für die Stewards nicht einfach, die richtige Strafe festzulegen. Es ist sehr wichtig, dass wir miteinander reden. Das können wir bei den Fahrerbesprechungen machen, wenn wir das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt. Ich denke, dass die Fahrerbesprechungen recht nützlich sein können."
"Wie ich bereits sagte, ist es nicht einfach, die richtige Strafe festzulegen. Ich denke, dass die Strafe für Romain hart ist. Er wird immer einen Vergleich suchen und jetzt sagen: 'Er hat das gemacht und sollte nun für ein Rennen gesperrt werden. Jemand anderes hat das gemacht und sollte nun eine Durchfahrtsstrafe erhalten. Jemand anderes hat das gemacht und sollte nun 10.000 Euro Strafe zahlen.' Ich denke, das sind die Schwierigkeiten, mit denen sich die Stewards auseinandersetzen müssen. Nicht jede Strafe ist zum Zeitpunkt ihrer Verkündung auch richtig."
Frage: "Hast du noch einmal mit Schumacher geredet?"
Vettel: "Noch nicht. Es ist nicht so, dass ich ihm eine Lehrstunde erteilen will oder umgekehrt. Ich denke, wir werden ganz normal über die Situation reden, so wie sie jeder aus seiner Sicher gesehen hat. Ich werde meine Sicht erzählen und dann höre ich mir seine an. Ich denke, es ist sinnvoller, gewisse Dinge so aus der Welt zu schaffen, anstatt einen großen Aufruf zu machen."
Die richtige Bestrafung
Frage: "Würde es euch nicht helfen, wenn es wie im Fußball eine gelbe Karte gäbe und danach die rote?"
Vettel: "Das haben wir ja mit den Verwarnungen. Bei uns steht ja auch kein Schiri am Rand, der pfeift (lacht; Anm. d. Red.). Ich denke, dass es etwas anders als im Fußball ist, das richtige Strafmaß zu finden und die Regel richtig festzulegen. Ich denke, dass jeder weiß, was er darf und was nicht."
Frage: "Hast du das Manöver von Räikkönen gegen Schumacher gesehen? War das vor Eau Rouge nicht viel gefährlicher als Grosjeans Aktion?"
Vettel: "Bei Grosjean war es eine Kettenreaktion. In Eau Rouge haben sich die zwei zum Glück geeinigt. Es ist immer haarig. Es gibt in der Formel 1 genug schnelle Kurven. Eau Rouge sticht das etwas heraus, weil sie eine gewisse Brisanz mitbringt. Es gab schon schlimmere Manöver. Kimi kam mit Überschuss rein, sodass Michael gemerkt hat, dass er zurückziehen muss."
Frage: "Wird an solchen Stellen eher der Kopf eingeschaltet?"
Vettel: "In einer schnellen Kurve ist das eher im Hinterkopf als beim Start, wo man nicht wirklich voraussehen kann, was passiert. Da müssen sich nur zwei drei Autos etwas anders verhalten beim Anbremsen. Bei diesem Beispiel fahren nur zwei Autos ineinander anstatt fünf."
Droht erneut ein Startunfall?
Frage: "Ist diese Strecke auch so kritisch, was den Start angeht?"
Vettel: "Der Weg zur ersten Kurve ist ziemlich lang. Die Geschwindigkeit ist ziemlich hoch, bevor man den Anker wirft. Dann wird es recht eng. Vorne ist das kein so großes Problem - eher, wenn man mittendrin steckt."
Frage: "Was denkst du über die Kuppeln?"
Vettel: "Ich denke, man hat gesehen, wie unvorhersehbar etwas Schlimmes passieren kann und wie wenig in diesem Fall gefehlt hat, dass dem Fernando etwas Schlimmes zugestoßen wäre. Gott sei dank ist nichts passiert. Ich bin kein Fan von den Kuppeln. Ich denke, dass es in der Zukunft aber unvermeidbar sein wird. Wenn man die Chance hat, es sich in dem Moment auszusuchen, ob das Cockpit zu oder offen ist, dann würde sich jeder sicher für die geschlossene Variante entscheiden. Es wird sicher nicht mehr lange dauern, bis wir so etwas haben werden."
Frage: "Warum bist du kein Fan von dem geschlossenen Auto?"
Vettel: "Weil ich der Meinung bin, dass es nicht schön aussieht und weil es nicht zur Formel 1 passt. Mit dieser generellen Einstellung wären die Autos andererseits auch nicht das, was sie jetzt sind, was den Sicherheitsstandard angeht."
Frage: "Kannst du dir vorstellen, dass die kleineren Klassen dem Formel-1-Vorbild folgen würden?"
Vettel: "Die Formel 1 sollte in jeder Hinsicht ein Vorbild sein. Wenn man da eine vernünftige Lösung findet, die uns nicht einschränkt, was vor allem die Sicht angeht, dann sehe ich keinen Grund, warum das in den kleineren Serien nicht eingeführt werden sollte."
Kaum Verschnaufpausen
Frage: "Es stehen sehr viele Back-to-back-Rennen an. Setzt das eine besondere Vorbereitung voraus?"
Vettel: "Zwischen den kommenden Rennen haben wir kaum Pausen. Von Singapur an geht es meist direkt weiter. Es wird hart für uns. Wir müssen die drei Tage Zwischenzeit immer perfekt nutzen. Die eine Woche fahren wir in Indien, die Woche drauf in Abu Dhabi, eine Woche in Amerika, die nächste in Brasilien - auch die Logistik stellt eine Herausforderung dar. Die Stimmung im Team muss stimmen. In wenigen Stunden muss man soviel Schlaf wie möglich finden. Das ist der Schlüssel. In der wenigen Zeit ist es unmöglich, die Fitness zu verbessern. Man hat durch die Reiserei gar keine Zeit dafür."
Frage: "Welchen Anteil würdest du deinem Renningenieur Guillaume "Rocky" Rocquelin zuschreiben und wie würdest du die ideale Beziehung zwischen einem Rennfahrer und seinem Renningenieur beschreiben?"
Vettel: "Einen sehr großen Anteil. Er ist die Stimme, mit der man immer verbunden ist. Klar ist man auf der Strecke alleine. Aber das Team steht natürlich hinter einem, der Renningenieur zu allererst. Nicht nur der eigentliche Renningenieur, auch der zweite Renningenieur sind die Personen, mit denen man am meisten zu tun hat, wenn es ums Auto und die Strategie geht. Das was ich im Auto höre, kommt meist von den zwei Jungs."