• 04. September 2012 · 19:05 Uhr

Boullier: "Wie nach einer durchzechten Nacht...."

Lotus-Teamchef Eric Boullier erinnert sich mit Grausen an den Grand Prix von Belgien und die Strafe für Romain Grosjean - Kimi Räikkönen traut er den Titel zu

(Motorsport-Total.com) - Das Lotus-Team erlebte in dieser Saison schon erfreulichere Wochenenden als zuletzt in Spa-Francorchamps. Zwar fuhr Kimi Räikkönen beim Grand Prix von Belgien zum sechsten Mal in seiner Comeback-Saison auf das Podium, die Leistung des Finnen ging im Vergleich zur "Leistung" von Teamkollege Romain Grosjean aber unter. Der Franzose wurde für das Auslösen der prominent besetzten Startkollision mit einer Sperre für ein Rennen belegt und muss am kommenden Wochenende in Monza zusehen, wie Testfahrer Jerome D'Ambrosio seinen E20 bewegt.

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Lotus-Teamchef Eric Boullier würde Spa am liebsten sofort vergessen Zoom Download

Im Interview spricht Teamchef Eric Boullier über die Strafe für Grosjean, über die Erwartungen bezüglich des Auftritts von Ersatzfahrer D'Ambrosio und über die Titelchancen von Räikkönen.

Frage: "Eric, wie fühlst du dich nach dem schwierigen Belgien-Wochenende?"

Eric Boullier: "Es fühlt sich beinahe so an wie nach einer durchzechten Nacht. Du wachst mit Kopfschmerzen auf und versuchst dich zu erinnern, was am Tag zuvor passiert ist. Langsam, aber sicher realisierst du, dass es kein Albtraum war. Romain wurde tatsächlich für ein Rennen gesperrt. Das ist schwer zu begreifen. Es gibt aber nichts, was wir dagegen tun können. Wir haben die Entscheidung der Kommissare akzeptiert und sind nicht in Berufung gegangen. Zudem hat sich Romain bei den in den Unfall verwickelten Fahrern entschuldigt. Jetzt müssen wir nach vorn schauen. Kimis sechstes Podium der Saison ging durch die Strafe ein wenig unter. Er liegt jetzt nur noch einen Punkt hinter Platz drei in der Gesamtwertung, was in seiner Comeback-Saison eine beeindruckende Leistung ist."

Frage: "Wird Romain beim Grand Prix von Italien vor Ort sein, auch wenn er nicht fahren wird?"

Boullier: "Natürlich, er ist ein Mitglied des Teams."

Frage: "Jerome D'Ambrosio wird am kommenden Wochenende im Auto sitzen. War die Fahrerwahl eine logische?"

Boullier: "Ja. Er ist unser dritter Fahrer und in der Lage, sofort einzuspringen. Aus diesem Grund haben wir ihn im vergangenen Winter verpflichtet. Um ehrlich zu sein, hätte Jerome in diesem Jahr schon einige Freitagstrainings für uns bestreiten sollen. Vor dem Hintergrund unserer Performance seit Melbourne und dem Entwicklungstempo im Team war es aber sinnvoller, unsere Stammfahrer jeweils während des gesamten Wochenendes im Auto zu haben. Ich kann nicht sagen, dass ich über die Strafe für Romain glücklich bin, aber Jerome verdient diese Gelegenheit. Er hat jetzt die große Chance, zu beeindrucken."

Frage: "Warum wurde die Neuigkeit nicht schon am Sonntag verkündet?"

Boullier: "Ich wollte zuerst am Montagmorgen die Mitarbeiter in Enstone informieren."

Frage: "Wie reagierte Jerome, als er die Neuigkeit vernahm?"

Boullier: "Er ist Fahrer. Der Rennsport ist seine Leidenschaft. So gesehen war er einerseits sehr glücklich, diese Chance zu bekommen. Andererseits weiß er, dass die Erwartungshaltung sehr groß ist. Das Auto, in dem er sitzt, sollte für einen Podestplatz gut sein und er wird kaum Zeit haben, sich auf der Strecke einzuschießen. Das ist eine Herausforderung, aber ich bin mir sicher, dass Mister D'Ambrosio ein paar Leute überraschen wird. Eines ist auch klar: Er ist zur Hälfte Italiener. Es dürfte auf der Hand liegen, welchen Fahrer die Zuschauer abgesehen von Fernando (Ferrari-Pilot Alonso; Anm. d. Red.) am meisten anfeuern."

"Das Dümmste wäre es, wenn Jerome versucht, das Tempo von Kimi sofort im ersten Freien Training mitzugehen."Eric Boullier
Frage: "Welchen Rat gibst du Jerome mit auf den Weg?"
Boullier: "Ich werde ihm sagen, dass er am Wochenende einen Schritt nach dem anderen angehen soll. Das Dümmste wäre es, wenn er versucht, das Tempo von Kimi sofort im ersten Freien Training mitzugehen. Jerome wird am Freitag und Samstag zusammen mit den ihm vertrauten Ingenieuren seine Hausaufgaben machen. Das Programm wird auf ihn zugeschnitten sein, da bin ich unbesorgt. Er kennt unsere Prozesse und auch unsere Philosophie beim Setup. Zudem kennt er Monza wie seine Westentasche. Uns steht sicher kein einfaches Wochenende bevor, doch ich mache mir keine allzu großen Sorgen."

Frage: "In Spa wirkte der E20 nicht so wettbewerbsfähig wie noch in Budapest. Ist das für den weiteren Verlauf der Saison ein Alarmsignal?"

Boullier: "Das glaube ich nicht. Erstens ist Spa eine sehr spezielle Strecke. Keiner der noch anstehenden Kurse weist eine solche Charakteristik auf. Zweitens hatten wir nur eine Stunde Zeit, um ein Setup für unsere Autos zu finden. Mit mehr Streckenzeit wären wir sicherlich schneller gewesen, aber die Situation war natürlich für alle gleich. Darüber hinaus haben wir noch einige interessante Entwicklungen in der Hinterhand, die wir zu einem späteren Zeitpunkt des Jahres einsetzen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt des Jahres konzentriert sich das Team üblicherweise fast vollständig auf das nächstjährige Auto. In diesem Jahr ist das bei uns anders. Wir werden den E20 bis zum allerletzten Rennen weiterentwickeln. Das wird aber keinen Einfluss auf die Entwicklung des E21 haben."

Frage: "Wie beurteilst du die Chancen von Kimi, um den WM-Titel zu kämpfen?"

Boullier: "Wir wissen, dass wir nicht das schnellste, aber wahrscheinlich das konstanteste Auto haben. Wir haben bereits neun Podestplätze zu Buche stehen. Kimi liegt in der Gesamtwertung 33 Punkte hinter dem Führenden zurück und wir wissen genau, dass in dieser Saison noch alles offen ist. Bei noch acht ausstehenden Rennen werden wir kämpfen, solange wir eine Chance haben. Kimi war bereits in der Vergangenheit in dieser Situation und wir alle wissen, dass er schaffen kann, wenn wir ihm das richtige Auto dafür hinstellen. So gesehen lastet der Druck auf uns."

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