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Vettel: "Man fühlt sich wieder zu Hause!"
Das Interview nach dem Testauftakt: Sebastian Vettel über seine ersten Eindrücke vom RB8, die spanische Kälte und die Veränderungen zum Vorjahr
(Motorsport-Total.com) - Ganz reibungslos lief die "Rückkehr des Königs" (frei nach J. R. R. Tolkien) nicht ab, aber für einen ersten Testtag kann Sebastian Vettel zufrieden sein: Der Weltmeister drehte mit seinem neuen Red-Bull-Renault RB8 96 Runden in Jerez de la Frontera und landete auf Platz drei, knapp neun Zehntelsekunden hinter dem schnellsten 2012er-Modell (Lotus-Renault E20). Zwar wäre es ein fataler Anfängerfehler, auch nur das Geringste in die Rundenzeiten der ersten Woche hineinzulesen, doch Vettel scheint mit dem Auftakt zumindest nicht unzufrieden zu sein.
Frage: "Sebastian, ziemlich kalt für den ersten Testtag. Wie war es?"
Sebastian Vettel: "Ich bin ganz zufrieden. Nach so einer langen Pause macht es richtig Laune und Spaß, wieder im Auto zu sitzen. Man fühlt sich direkt wieder zu Hause! Es wurde jetzt langsam wieder Zeit..."
Weniger Grip als mit dem alten Auspuff
Frage: "Wie lautet dein Urteil über das neue Auto?"
Vettel: "Am ersten Tag ist es immer schwer zu sagen, wie gut man letzten Endes ist, aber das erste Gefühl passt. Alle haben über den Winter viel Grip verloren, weil sich die Regeln ein bisschen geändert haben. Ich glaube, das kriegt jeder zu spüren, spätestens am ersten Tag. Aber das war zu erwarten. Von der Balance her passt es, das Auto macht einen ganz guten Eindruck."
"Wichtig ist aber, dass wir viel fahren - das hat heute nicht immer ganz geklappt. Wir hatten zwei, drei Kleinigkeiten - nichts Weltbewegendes, aber gerade am Anfang nimmt man sich die Zeit und schaut genauer hin, bevor man das Risiko eingeht weiterzufahren. Wäre man beim Rennen, würde man sagen: 'Drauflos bis es auseinanderfällt!' Aber beim Test geht es darum, das Auto kennenzulernen. Noch gibt es nicht viele Ersatzteile, deswegen schaut man lieber zweimal hin."
Frage: "Ist der Gripverlust so groß, dass du sagst, es ist eigentlich zu langsam geworden?"
Vettel: "Nein, nicht zu langsam, aber es rutscht halt mehr. Heute Morgen, als die Strecke noch kalt war, da braucht man halt noch ein bisschen, vor allem wenn man selbst vor zwei Monaten das letzte Mal im Auto gesessen ist. Aber es war kein Schreck, sondern das, was zu erwarten war, und letzten Endes findet man dann doch relativ schnell wieder in den Rhythmus hinein."
Frage: "Was ist für dich am Anfang wichtiger: schnell zu sein oder zuverlässig?"
Vettel: "Dass das Auto schnell ist, ist das Wichtigste, denn an der Zuverlässigkeit lässt sich arbeiten. Man kann ein schnelles Auto zuverlässig machen, aber ein zuverlässiges Auto schnell zu machen, ist nicht so einfach."
Erste Tendenzen erst ab Barcelona
Frage: "Gibt es für dich ein Überraschungsteam? Vielleicht Lotus oder - in negativer Hinsicht - Ferrari?"
Vettel: "Es ist noch extrem schwierig einzuschätzen. Die Zeiten können ganz schnell täuschen. Wenn man zur richtigen Tageszeit rausfährt und ein bisschen abtankt, geht es richtig vorwärts. Im Moment ist das noch sehr schwierig einzuschätzen. Ich glaube, das wird sich erst in Barcelona ein bisschen einrenken, denn wir wissen, dass in Jerez die Reifen sehr stark abbauen. Es kommt also drauf an, mit welchen Reifen man unterwegs ist, wann, mit wie viel Benzin."
"Das sind viele Unbekannte. Deswegen wird es noch ein bisschen dauern, glaube ich, aber die Teams, die hier viele Runden fahren und gut dastehen, haben gute Voraussetzungen, auch am Anfang der Saison vorne dabei zu sein. Bis jetzt ist es richtig, dass die schwarzen Lotus ganz gut dabei sind - das kann man so sagen, denn sie waren oft schnell und auch konstant. Bei Ferrari weiß man noch nicht, aber genauso wenig bei McLaren und bei uns. Da gibt es noch ein paar Fragezeichen."
Frage: "Wie wichtig ist der erste Eindruck von einem neuen Auto nach der ersten Runde, nach den ersten Runden?"
Vettel: "Schon wichtig. Es prägt einen für das ganze Jahr, würde ich sagen, aber man darf es auch nicht überbewerten. Gerade heute Morgen war es doch noch ziemlich rutschig und recht frisch - nicht so kalt wie in Deutschland, aber für Spanien doch ziemlich kalt. Da braucht es einfach eine Weile, aber man hat das eigentlich relativ schnell wieder raus. Um aber genau zu verstehen, was das Auto macht und wie es reagiert, muss man sich Zeit nehmen."
Frage: "Hast du im Vergleich zum Vorgängermodell einen großen Unterschied festgestellt? Bremse, Traktion?"
Vettel: "Überall - es hat einfach weniger Grip. Vergangenes Jahr waren die Autos, war das Heck rund um den Auspuff konzipiert. Das fällt komplett weg. Wir haben noch einen Auspuff, so ist es nicht, aber er hat wirklich fast gar keine Funktion mehr. Man sieht, dass sich verschiedene Teams was überlegt haben, aber das ist weit, weit weg von dem, wo es war, und da merkt man einfach, dass man weniger Grip hat - auf der Bremse, beim Einlenken, beim Gas geben, Traktion. Von Eingang bis Ausgang auf der Geraden ist kein Unterschied, aber da braucht auch niemand Abtrieb."
Dieses Jahr kein zentrales Entwicklungselement?
Frage: "Kannst du die Entwicklungsarbeit an diesem Auto mit der Entwicklungsarbeit der vergangenen Jahre zu diesem Zeitpunkt vergleichen?"
Vettel: "Vor zwei Jahren hatten wir den Doppeldiffusor, vergangenes Jahr den angeströmten Auspuff. Die Autos wurden drumherum entwickelt, aber wir befanden uns bei den ersten Tests noch in der Frühphase - da war klar, dass noch viel kommen würde. Dieses Jahr ist das ein bisschen anders. Der Spielraum für Kreativität wird immer weiter eingeschränkt, aber irgendwann hat jeder seinen Weg gefunden."
"Man probiert Dinge aus, die man davor noch nicht ausprobiert hat, und man konzentriert sich auf die Details. Ich glaube nicht, dass es dieses Jahr irgendwelche großen Geheimnisse geben wird. Wenn man sich die Autos anschaut, sind sie zwar ein bisschen unterschiedlich, ja, aber es gibt nichts Revolutionäres. Jetzt warten wir auf den Mercedes, dann wissen wir ein bisschen mehr. Klar ist, dass es wieder sehr eng wird, wenn nicht sogar noch enger als vergangenes Jahr."
Frage: "Dein Chef Dietrich Mateschitz war heute draußen an der Strecke und meinte, es sieht gut aus..."
Vettel: "Dann sind wir doch zufrieden! Müssen wir so weitermachen."
Frage: "Findest du es schön, dass er da war?"
Vettel: "Ich habe ihn nicht viel gesehen, denn ich war mehr im Auto, gerade am Nachmittag. Aber schön, wenn man einen Chef hat, der Interesse daran hat und mit Leidenschaft dabei ist. Das sieht man, wenn er hier ist, dass er Spaß dran hat, dabei zu sein und die Autos fahren zu sehen - unsere Autos, seine Autos."
Nach 50 Runden voll im Rhythmus
Frage: "Du hast gesagt, du brauchst auch ein bisschen, wenn du zwei Monate nicht gefahren bist. Wie lange und ist es schwieriger, wenn es dann so kalt ist?"
Vettel: "Ja, natürlich. Das Auto, das man kennt, ist das, das man zuletzt gefahren ist, auch unter anderen Bedingungen, denn in der Regel war es immer sehr warm. Man weiß das Auto genau einzuschätzen. Heute Morgen war es teilweise ziemlich kalt und die Strecke teilweise noch sehr rutschig. Gerade am Anfang, mit einem neuen Auto, wenn es noch keine Ersatzteile gibt, gibt es keinen Grund, loszulegen wie ein Stier. Das heben wir uns für später auf."
Frage: "Nach wie vielen Runden passt alles wieder genau wie vorher?"
Vettel: "Man braucht einfach ein bisschen Zeit, um wieder reinzukommen. Eine Rundenzahl? Wenn man 20 Runden am Stück draußen ist, sitzt das alles wieder, aber wenn man immer nur zwei, drei Runden fährt, dauert es ein bisschen länger. Ich glaube, nach 40, 50 Runden ist das Thema abgehakt."
Frage: "Ihr habt gewisse Erfahrungen am Simulator, wisst, wie es ungefähr laufen wird. Würdest du sagen, ihr seid genau da, wo ihr hättet sein sollen?"
Vettel: "Ja, ich glaube schon. Damit können wir sehr zufrieden sein. Ich denke, wir sind da, wo wir es erwartet haben. Aufgrund der Regeländerungen hat jeder ein paar Schritte zurück gemacht, aber ich denke, wir sind ganz gut im Fahrplan."
Frage: "Was macht die Namensfindung für dein Auto? Wir haben schon die wildesten Vorschläge gehört: Horny Heather, Sexy Cindy und so weiter. Hast du einen Favoriten?"
Vettel: "Wir haben noch keinen Namen und wir haben auch keine Eile. Vergangenes Jahr war es der Mittwoch vor dem ersten Rennen. Bis dahin haben wir noch ein bisschen, aber ich glaube, es klappt dieses Jahr ein bisschen früher."
Nicht entspannter geworden
Frage: "Würdest du sagen, du gehst in diese Saison noch entspannter als in die letzte?"
Vettel: "Nein. Niemand hat das Ziel, sich zu verschlechtern, deswegen wissen wir, was Programm ist."
Frage: "Aber persönlich, mental?"
Vettel: "Ich denke, die Pause hat mir gut getan. Das braucht man auch, denn jetzt wartet wieder eine lange und anstrengende Saison auf uns. Lassen wir uns überraschen. Das erste Rennen ist im Moment noch weit weg. Jetzt konzentrieren wir uns auf die Hausaufgaben, die wir zu machen haben, das Auto schnell zu machen, standfest zu machen, kennenzulernen. Der Rest wird sich dann zeigen."
Frage: "Glaubst du, dass der RB8 ein Auto ist, mit dem du wieder Weltmeister werden kannst?"
Vettel: "Dafür ist es noch zu früh. Momentan müssen wir auf uns selbst schauen und uns mit unserem eigenen Auto beschäftigen. Es bleibt kaum Zeit, um die anderen zu beobachten. Natürlich hat man durch die Länge der Runs und die Rundenzeiten einige Anhaltspunkte, aber das ist so eine Sache. In den vergangenen Jahren hat man gesehen, dass es in dieser Phase auf und ab gehen kann. Das sagt noch nichts aus."
Frage: "Du hast heute gemeinsam mit Lewis Hamilton und Fernando Alonso ins Testgeschehen eingegriffen. Glaubst du, dass dieses Jahr die gleichen Protagonisten um den Titel kämpfen werden wie vergangenes Jahr?"
Vettel: "Schwer zu sagen, denn von außen ist nicht klar, was wir machen, und es ist auch nicht klar, was Ferrari macht, was McLaren macht. Das große Fragezeichen ist Mercedes, denn sie sind noch nicht mit dem neuen Auto gefahren. Ich denke, in Barcelona wissen wir schon ein bisschen mehr, vor allem beim letzten Test. Dort fahren die meisten Teams nämlich mehr oder weniger mit dem Auto, mit dem sie auch das erste Rennen bestreiten."