Vettel: "Waren auf den Punkt genau da"
Eben noch auf der Weltmeister-Party, nun schon in der ersten Startreihe in Südkorea: Sebastian Vettel spricht über seinen zweiten Platz im Qualifying
(Motorsport-Total.com) - 0,222 Sekunden fehlten Sebastian Vettel heute in Yeongam auf Polesetter Lewis Hamilton, was unterm Strich den zweiten Startplatz bedeutete - und das Ende einer Red-Bull-Serie, denn seit Sao Paulo 2010 (Nico Hülkenberg) war kein anderes Team mehr auf Pole-Position gestanden. Der amtierende Weltmeister ist mit dem Ergebnis dennoch zufrieden, schließlich hatte es am Freitag noch schlechter ausgesehen. Außerdem hat er harte Reifen gespart, was sich im Rennen bezahlt machen könnte.
Frage: "Sebastian, muss komisch für dich sein, neben Lewis Hamilton zu sitzen, aber nicht in der Mitte. Hast du damit gerechnet, dass McLaren heute so stark sein würde?"
Sebastian Vettel: "Ehrlich gesagt hat McLaren gestern sehr konkurrenzfähig ausgesehen. Ich weiß, die Bedingungen waren da ganz anders, aber man konnte sehen, dass sie ein ordentliches Stück vor allen anderen lagen, uns eingeschlossen."
"So auch heute Vormittag im Trockenen. Sie sahen extrem schnell aus. Ich denke aber, dass wir sie im Qualifying einmal mehr gefordert haben und sehr nahe herangekommen sind - wahrscheinlich näher, als sie oder auch wir erwartet hätten. So gesehen haben wir im Qualifying sehr gute Arbeit geleistet. Außerdem haben wir all unsere harten Prime-Reifen gespart, was für morgen entscheidend sein könnte. Wir hatten heute Morgen ja nur eine vage Idee, wie sich das Auto mit etwas mehr Benzin an Bord anfühlt. Ich denke, wir sind in einer guten Position."
Sticht wieder "Reifenflüsterer" Button?
"Der Weg runter zur ersten Kurve ist nicht sehr lang und Kurve drei ist ein bisschen exponiert. Wir werden sehen. Es ist ein langes Rennen, in dem viel passieren kann. Der Reifenverschleiß wird entscheidend sein. Jenson hat da besonders im letzten Rennen einen sehr guten Job gemacht. Das wird morgen wieder sehr wichtig sein."
Frage: "Kannst du damit leben, als Weltmeister nur Zweiter zu sein?"
Vettel: "Ich bin sehr glücklich, gerade weil es Anfang des Wochenendes ehrlich gesagt nicht so gut ausgeschaut hat. Auch wenn es gestern viel geregnet hat, hat sich schon abgezeichnet, dass McLaren unheimlich stark ist. Aber was zählt, ist, dass wir zurückgekommen sind und auch nach der anstrengenden Woche nach Suzuka wieder zusammengerappelt haben."
"Im Qualifying waren wir auf den Punkt genau da. Es hat leider nicht ganz gereicht, aber wir waren sehr, sehr nahe dran - näher als viele erwartet hätten, auch wir. Morgen wird ein interessantes Rennen. Ich denke, es wird sehr lang, die Reifen werden eine große Rolle spielen. Wir haben uns all unsere harten Reifen aufgespart. Ob das dann morgen aufgeht, wird sich zeigen, aber für heute bin ich glücklich, denn die beiden Runden im letzten Abschnitt waren sehr gut. Heute Abend kann ich wahrscheinlich gut einschlafen."
Frage: "Das war ein harter Tag heute, nachdem man gestern und heute Morgen noch nicht so richtig einschätzen konnte, wer hier wie stark sein würde, nicht wahr?"
Vettel: "Gestern war ein anderer Tag bei anderen Bedingungen. Wir haben da schon geahnt, dass McLaren dieses Wochenende sehr, sehr konkurrenzfähig sein würde. Letzten Endes sind die Bedingungen dafür nur zweitrangig, denn wenn dein Auto schnell ist, dann ist es unter allen Bedingungen schnell."
Nur kurzes Hoffen auf Pole-Position
"Wir waren ziemlich weit hinten, auch heute Morgen, aber wir haben uns zusammengerissen und waren da, als es drauf ankam, nämlich in Q3. Im ersten Run waren wir sehr nahe dran - da dachte ich schon, dass es vielleicht klappen könnte. Die zweite Runde war wieder sehr gut, da lag nicht mehr viel drin. Aber Lewis hat wohl eine sehr gute Runde erwischt und steht verdient auf Pole. Es war eng - enger als erwartet, weil McLaren heute Morgen so schnell war und sie ihr Tempo so einfach aus dem Ärmel schütteln konnten. Gut, dass wir einen Schritt in die richtige Richtung gemacht haben."
"Morgen sollte ein interessanter Tag mit einem langen Rennen werden. Wir haben die ganzen Prime-Reifen gespart. Das ist ein kleiner Unterschied. Ob wir den zu unserem Vorteil nutzen können oder nicht, bleibt abzuwarten, aber ich denke, wir sind gut in Form für das Rennen. Alle Reifenmischungen hier sind verhältnismäßig weich. Wir werden sehen."
Frage: "Von Q1 auf Q3 hat man heute eine enorme Steigerung gesehen. Wie erklärst du dir das?"
Vettel: "Die Strategie war anders als in den sonstigen Qualifying-Sessions. Wir sind im ersten Abschnitt schon mit den weichen Reifen gefahren, haben die dann nochmal gebraucht im zweiten Anlauf. Dann lässt man natürlich im ersten nicht so brennen, damit die Reifen noch ein bisschen was drauf haben, und im zweiten Qualifying muss man es schaffen, ins dritte zu kommen. Das hat gut geklappt, muss ich sagen."
Zittern schon im ersten Qualifying
"Im ersten habe ich mal gedacht, das wird vielleicht ein bisschen eng, aber es war genug Luft. So haben wir uns alle harten Reifen für morgen aufsparen können. Das Rennen wird sehr lang und wir glauben, dass die härtere Mischung die bessere ist, ganz einfach. Wir haben morgen also keine neuen weichen Reifen, aber drei frische Sätze von den harten. Das gibt uns im Vergleich zu einem gebrauchten Satz drei, vier Runden extra. Ob die dann entscheidend sind oder nicht, wird sich zeigen, aber wir hoffen natürlich, dass das, was wir heute probieren, etwas gebracht hat."
Frage: "Du hast gestern viele Boxenstopps vorhergesagt. Steht diese Prognose noch?"
Vettel: "Ich denke schon. Es sah heute Morgen etwas besser aus, als einige geglaubt haben, aber zwei Stopps sind trotzdem unmöglich. Es ist kein Geheimnis, dass man mindestens drei oder vier Stopps brauchen wird, weil der Verschleiß so hoch ist. Wir sollten gut in Form sein und ich freue mich auf morgen, vor allem auch, weil die letzte Woche nicht die einfachste war, um sich auf ein Rennen vorzubereiten."
Frage: "Du bist auch in Q1 mit superweichen Reifen gefahren. War der Satz in Q3 überhaupt neu?"
Vettel: "Ja, wir haben neue Reifen verwendet."
Frage: "Habt ihr die Pole-Position heute bewusst geopfert, um morgen die besseren Reifen zu haben?"
Vettel: "Das lag nicht an den Reifen, denn wir hatten in Q3 zwei Supersoft-Reifensätze, genau wie McLaren und Ferrari. Ich glaube nicht, dass wir es wegen der falschen Reifenwahl nicht geschafft haben. Wir sind auf einer anderen Strategie, wenn ich die Reifen sehe, die hinten in der Garage für das Rennen bereitliegen, aber ob das ein Vorteil ist oder nicht, muss man abwarten. Es hat schon oft jemand einen Satz gespart, aber dann war es kein wirklich großer Vorteil. Warten wir ab."
Gelbe Prime-Reifen im Rennen haltbarer?
Frage: "Was erwartest du dir von der härteren Mischung?"
Vettel: "Dass sie länger hält und schneller ist! Das kann man schwierig vorhersagen. Ich denke, der Supersoft ist für diese Strecke sehr marginal. Im Qualifying war er okay, aber auf einen längeren Stint glauben wir, dass der Prime schneller sein sollte. Wir werden sehen."
Frage: "Im dritten Training habt ihr fast nicht mit DRS trainiert. Im Qualifying hat dann der Wind gedreht und ihr musstet DRS wieder verwenden. Wie schwierig war das?"
Vettel: "Stimmt, das ist gar nicht so leicht. Je mehr Zeit du hast, um dich Schritt für Schritt ans Limit heranzutasten, desto besser. Dieses Wochenende war etwas schwieriger, denn gestern hatten wir im Regen kein DRS und heute Morgen haben wir versucht, einen Longrun unterzubringen. Daher war die DRS-Zeit limitiert, aber wir hatten im Qualifying ein halbwegs brauchbares Gefühl."
"Ja, es ist windig, aber du versuchst immer, ans Limit zu gehen. Ein bisschen DRS hier und da, selbst auf sehr kurzen Geraden - da kann man es manchmal übertreiben. Aber was wir heute Morgen gemacht haben, war für das Rennen wichtig. Da ging es um mehr als nur Übung für den Fahrer."
Frage: "Herrscht ein bisschen Enttäuschung im Team, dass ihr nun nicht alle Pole-Positions in dieser Saison erobern könnt?"
Vettel: "Das war ehrlich gesagt nie wirklich das Ziel - es sind ja auch noch so viele Rennen zu fahren. Aber schon beeindruckend, welche Serie wir bisher hingelegt haben, und selbst heute stehen wir ja in der ersten Reihe und sind nicht weit hinten. Damit bin ich sehr zufrieden. Alle Pole-Positions zu holen, wäre nett gewesen, aber es war nicht wirklich unser Ziel. Morgen ist wichtiger für uns."
Erstmals in dieser Saison geschlagen
Frage: "Kannst du dich überhaupt noch an das letzte Mal erinnern, dass ihr nicht auf Pole-Position gestanden seid?"
Vettel: "Nein."
Frage: "Das war Nico Hülkenberg in Brasilien. Egal. Du bist Zweiter, Mark Webber Vierter, ihr steht damit auf der rechten Seite der Startaufstellung. Ist das ein Nachteil?"
Vettel: "Nicht wirklich, aber Vorteil ist es keiner. Unsere Seite ist vielleicht nicht die saubere Seite, aber wir haben dieses Jahr schon ein paar Mal gesehen, dass das nicht immer einen großen Unterschied macht."
Frage: "Macht dir die McLaren-Dominanz ein bisschen Sorge?"
Vettel: "Absolut. Im Freien Training waren sie sehr dominant, da hatte keiner eine echte Chance. Sorge würde ich aber nicht sagen. Ich freue mich auf das Rennen, denn wenn man dieses Jahr etwas gelernt hat, dann dass die Rennen sehr lang sind und dass sehr viel passieren kann. Der Kuchen ist noch nicht gegessen. Der Rest zeigt sich dann morgen."
2011 noch Tests für 2012
Frage: "Kann es sein, dass bei Red Bull jetzt schon mehr Wert darauf gelegt wird, das neue Auto zu entwickeln statt das alte zu verbessern?"
Vettel: "Das Reglement ändert sich ein bisschen. Natürlich schaut man, dass man nächstes Jahr gleich wieder auf einem sehr hohen Niveau anfängt, aber ich glaube, man muss dieses Jahr dennoch nutzen, um vielleicht einige Dinge zu probieren und weiter im Rhythmus zu bleiben."
"Jetzt die Zügel loszulassen, wäre falsch, weil dann die Spannung abfällt. Auch wenn die Meisterschaft für uns geschafft ist, ist die Konstrukteurs-WM nach wie vor offen. Da sieht es zwar gut aus, aber trotzdem müssen wir das erstmal schaffen. Generell glaube ich, dass es ein schlechtes Zeichen wäre, wenn wir diese Spannung nicht aufrechterhalten können, denn die Saison hat 19 Rennen und nicht weniger."
Vettel: "Na, ich glaube, man darf so etwas sowieso nicht zu nahe an sich heranlassen. Wir wissen, dass heute der zweite Platz unser Maximum war. Damit bin ich sehr zufrieden. Ich kann heute Nacht gut einschlafen."
"Natürlich wäre ich gerne ganz vorne, aber heute war glaube ich nicht mehr drin. Wenn man die Steigerung sieht vom gestrigen Tag und heute Morgen zum Qualifying hin, und vor allem es dann im letzten Qualifying-Abschnitt so auf den Punkt zu bringen, dann sind wir als Team nach wie vor noch auf dem richtigen Weg."
Lob für die McLaren-Fahrer
Frage: "Du bist Weltmeister, aber Jenson Button hat in Suzuka gewonnen und Lewis Hamilton steht hier auf Pole-Position. Hat McLaren im Moment das schnellere Auto?"
Vettel: "Schwer zu sagen. Letzten Endes ist es nicht nur das Auto, sondern auch das Teil zwischen Vorderachse und Motor, das man Fahrer nennt. Jenson und Lewis haben ohne Zweifel sehr gute Arbeit geleistet. Jenson hatte vergangenes Wochenende ein sehr gutes Rennen und hier sind sie wieder sehr konkurrenzfähig."
"Wenn das Auto zulässt, dass du schneller fährst, musst du es immer noch selbst umsetzen. Es wäre falsch, alles auf das Auto zu schieben. Ich bin mir sicher, dass McLaren hart pusht und sie verdienen die Pole-Position heute, aber es braucht die richtigen Fahrer, denn unterm Strich kommt es immer auf das Paket an. Wir werden sehen. Wir hoffen, dass wir ihnen morgen einen heißen Kampf liefern können. Wir sollten gut in Form sein - vielleicht ein bisschen besser als vergangene Woche."
Frage: "Es gibt eine Mentaltrainerin, die meint, sie hätte Anteil an deinem Erfolg. Was ist das für eine absurde Geschichte?"
Vettel: "Ich weiß auch nicht. Woher das kommt? Keine Ahnung. Vielleicht macht jemand einen schlechten Scherz mit ihr. Ich kenne die Frau nicht, habe sie noch nie gesehen und den Namen noch nie gehört. Keine Ahnung."
Frage: "Eine letzte Frage noch: Du hast auf deiner In-Lap einmal die Strecke abgekürzt, bei Kurve vier. Ist das erlaubt?"
Vettel: "Ich habe versucht, niemandem im Weg rumzustehen. Beim zweiten Mal war ich vielleicht auch ein bisschen faul, aber ich glaube nicht, dass es dafür eine Strafe gibt, sonst hätte ich es nicht gemacht. Wenn doch, dann hoffe ich, dass man mir das sagt. Es war jedenfalls nicht so geplant, denn das ist kein Teil der Rennstrecke."