Vettel: "Das Podest ist hier sehr schön..."
Sebastian Vettel über seine Siegcancen beim kommenden Monza-Grand-Prix und die wichtigen Fortschritte im Vergleich zum vergangenen Jahr
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Sebastian, erwartest du hier einen Rückschlag auf dem Weg zur Titelverteidigung?"
Sebastian Vettel: "Nein. Natürlich steht uns ein hartes Wochenende bevor, denn wir haben in den vergangenen beiden Jahren gesehen, dass wir in Monza nicht richtig konkurrenzfähig waren. Mal sehen, was wir diesmal herausholen können. Der Freitag wird sehr wichtig. Dann werden wir erkennen können, wie groß unsere Chancen in diesem Jahr hier sind. Mal sehen, ob ich hier endlich wieder auf das Podium kommen kann."
"Das Podest ist hier sehr schön. Vor drei Jahren war ich in einem italienischen Team, hatte einen Ferrari-Motor im Heck. Das ist zwar nun nicht mehr der Fall, aber dennoch wäre es für mich persönlich sehr schön, wenn ich hier noch einmal auf das Podest fahren könnte. Wenn wir auf dem Niveau von Ferrari fahren können, dann sind wir vorne dabei. Ich bin optimistisch, aber wir müssen es mal abwarten."
Frage: "Red Bull hat im Kampf um Pole-Positions einen guten Lauf. Wird der Kampf um die besten Startplätze in Monza am härtesten?"
Vettel: "Wir hatten in diesem Jahr auch anderorts schon hart umkämpfte Pole-Positions. Zu Beginn in Melbourne war es vielleicht noch recht einfach, aber schon in Malaysia wurde es richtig eng. Wir müssen den Samstag abwarten. Natürlich wollen wir die Pole, denn das ist immer das Ziel. Die Punkte werden allerdings im Rennen verteilt und nicht im Qualifying."
Frage: "Hast du mit deinen 259 Punkten die WM schon gewonnen, oder widersprichst du mir da?"
Vettel: "Wir haben zwar in diesem Jahr schon viele Punkte gesammelt, aber es sind immer noch einige Rennen zu Fahren. Natürlich sind wir in einer guten Position. Wenn man andere fragt, würden wahrscheinlich alle gern mit mir tauschen. Wir haben hart dafür gearbeitet. Wie gesagt: Es sind noch einige Rennen und noch viele Punkte zu vergeben."
"Es ist noch nicht vorbei. Wir müssen die Rennen nach und nach fokussiert angehen. An diesem Wochenende wissen wir nicht so recht, was wir zu erwarten haben. Es ist hier kein Selbstläufer. Wir machen genauso weiter wie bisher. Wir wollen hier maximal viele Punkte einfahren. Natürlich würde ich gern gewinnen, so wie es in Spa der Fall war. Das hängt aber immer von unseren Möglichkeiten ab."
"Es wäre dumm, jetzt von einem Sieg zu sprechen, wenn der womöglich außer Reichweite ist. Wie schnell sich alles ändern kann, hat man im vergangenen Jahr gesehen. Fernando hat hier gewonnen und auch anschließend in Singapur. Damals hatten ihn viele schon abgeschrieben, aber ein paar Rennen später war er plötzlich in der Fahrerwertung vorne."
"Es mag in diesem Jahr etwas anders aussehen, aber wir dürfen nie vergessen, wie schnell sich die Dinge ändern können. Als Gejagter ist es angenehmer. Wenn du der Jäger bist, dann hast du den Druck, unbedingt Ergebnisse holen zu müssen, weil die vor dir sonst wegziehen. Wichtig ist ohnehin einzig, dass man die WM nach dem letzten Saisonrennen anführt."
Frage: "Im vergangenen Jahr hattest du ein ähnlich dominantes Auto, aber es gab mehr Fehler. In diesem Jahr bist du nahezu fehlerfrei. Woran liegt das? Bist du einfach lockerer?"
Vettel: "Im vergangenen Jahr war das Auto etwas anders. Das Team und ich haben viel gelernt im vergangenen Jahr. Unsere Boxenstopps sind jetzt sehr gut. Viele Dinge kann man im TV gar nicht so erkennen. Wir haben uns in vielen Details einfach weiter verbessert. Es gibt mehr Konstanz, die Ergebnisse kommen einfach, es gibt weniger Fehler."
"Es gibt bestimmt immer noch Bereiche, in denen wir uns weiter verbessern können. In der gesamten Herangehensweise ist das Team aber ruhiger, entspannter. Wir wissen, was wir leisten können. Wir geraten nicht leicht in Panik. Wir sind stärker. Und das lässt sich an den Ergebnissen ablesen. Selbst in Rennen, in denen nicht alles optimal läuft, schaffen wir es auf das Podest oder werden - wie in Deutschland - dann eben Vierter. Wir haben insgesamt gute Fortschritte gemacht."
Frage: "Auf welchen Strecken werdet ihr generell mehr Gegenwind haben?"
Vettel: "Schwierig zu sagen. Generell haben wir uns verbessert. Vor allem auf Strecken, auf denen wir in der Vergangenheit nicht so gut waren. Auf Strecken wie Silverstone oder Suzuka, wo wir immer sehr stark waren, sind wir auch jetzt noch gut - sehr gut sogar. Auf den Strecken, wo wir in der Vergangenheit deutliche Schwächen hatten, haben wir uns sehr verbessert."
"Jedes Jahr ist immer wieder anders. Es ist schwierig zu vergleichen. Es gibt neue Reifen, die Autos sind bezüglich der Konzepte anders. Dabei geht es nicht nur um Doppeldiffusor, sondern auch um Auspuff. In den Regionen, wo wir früher viel Zeit verloren haben, konnten wir jetzt aufholen. Wir mussten auf dem Weg dorthin vielleicht ein bisschen etwas in schnellen Kurven abgeben, aber es geht darum, die goldene Mitte zu treffen."
Frage: "Monza ist eine besondere Strecke. Ist eine Fahrt bei 340 km/h auch für euch Fahrer mit besonderen Gefühlen verbunden?"
Vettel: "Ja, man merkt das schon. Wir haben deutlich weniger Flügel am Auto. Man fühlt dann schon, dass bei 300 km/h nicht das Ende erreicht ist, sondern dass es noch weitergeht. Das macht Spaß. Man sieht auch, dass man dementsprechend schnell unterwegs ist. Die Schwierigkeit ist, den Bremspunkt immer optimal zu treffen und das Auto durch die Schikanen zu fädeln."
Frage: "Monza verbindest du sicherlich mit deinem ersten Sieg 2008, aber Monza steht auch für die Dramen um Jochen Rindt und Graf Berghe von Trips. Ist es das geliebte 'Monza-Monster'? Hat man als Fahrer ein ambivalentes Verhältnis zu dieser Strecke?"
Vettel: "Man muss wissen, was auf der jeweiligen Strecke schon alles passiert ist. Diese zwei Namen sind aus deutschsprachiger Sicht jedem ein Begriff. Man hat die Strecke deutlich verbessern können. Der eine Unfall war auf der ganz alten Strecke. Auch die Autos haben sich seit Jochens Tod deutlich verbessert. Man hat an Strecke und Autos viel gemacht. Das Risiko fährt bei solchen hohem Speed immer mit, aber man hat alles getan, um größtmögliche Sicherheit bieten zu können."
Frage: "In Spa-Francorchamps gab es einige Probleme mit den Reifen. Was habt ihr daraus gelernt?"
Vettel: "Rückblickend haben wir dort einen Doppelsieg errungen und - ganz wichtig - es ist nichts passiert. Es war vor dem Rennen nicht klar, ob es funktionieren wird. Letztlich hat aber alles gut geklappt. Wir sind ohne Schaden bis zum ersten Stopp gekommen. Es war ein ernstes Problem."
"Vor dem Rennen hatten wir intensive Diskussionen darüber, wie wir damit umgehen. Wir waren nahe dran zu sagen, dass wir etwas verändern und dann aus der Boxengasse starten. Wir haben das als ernsthafte Sorge empfunden. Im Nachhinein sieht man es etwas anders. Zum Glück ist alles gut gegangen. Wir waren nicht die einzigen mit solchen Blasen auf den Vorderreifen. An den Autos in Rot, Silber oder anderen Farben konnte man ähnliche Probleme erkennen."
Frage: "War es letztlich deine Entscheidung, keine Veränderungen vorzunehmen und somit nicht aus der Boxengasse zu starten?"
Vettel: "Veränderungen am Auto sind nun einmal nicht erlaubt, das ist eindeutig. Wir haben uns dagegen entschieden und unsere normalen Startplätze eingenommen. Wir wollten den Vorteil der Pole-Position nutzen. Es gab Gründe zur Annahme, dass es im Rennen funktionieren könnte - ein paar Blasen, aber okay. Ein Garantie gab es nicht, aber wir haben das Risiko auf uns genommen."
"Im Rennen ist das Tempo nicht so hoch, die Benzinlast ist größer. Diese Faktoren flossen in unsere Kalkulation mit ein. Letztlich haben wir gesagt, dass wir das Risiko eingehen und dann relativ früh zum ersten Stopp hereinkommen. Das war wichtig, damit die Reifen gecheckt werden konnten. Man sieht zwar den Zustand aus dem Cockpit heraus, aber dennoch ist es wichtig, dass der Status der Pneus an der Box überprüft wird."
Frage: "Wie siehst du die DRS-Situation hier. Könnten die zwei DRS-Zonen Gefahren heraufbeschwören?"
Vettel: "Auch in Montreal und Valencia hatten wir jeweils zwei DRS-Zonen. Hier in Monza ist es aber anders. Die Geschwindigkeiten sind ohnehin immer sehr hoch. Wir Fahrer haben gegenseitigen Respekt. Wir wissen, was wir tun. Wir Piloten wissen auch ganz genau, was gewisse Geschwindigkeitsunterschiede ausmachen. Die DRS-Zonen gehen hier schon in Ordnung."
"Hinunter zur Ascari-Schikane ist es etwas schwierig, weil es dort recht eng ist. Mal sehen, wie es in den ersten Runden wird, wenn viele noch eng beisammen liegen. Mal abwarten, wie sich DRS überhaupt hier auswirkt. Da gibt es enorme Unterschiede. Auf manchen Strecken machst du den Heckflügel auf und fährst problemlos an einem Konkurrenten vorbei, an anderer Stelle hilft dir das System hingegen kaum beim Überholen. Mal sehen, wie es hier wird."
"Bezüglich DRS müssen wir dieses Jahr als Lehrjahr betrachten. Es läuft schon jetzt deutlich besser als zu Beginn der Saison. Hier werden wir wohl auch erst am Sonntag wissen, ob man die richtigen Zonen und Messpunkte gewählt hat."