Schumacher: "Nach jedem Sturm kommt die Sonne"
Michael Schumacher im Interview: Wie er auf die heftige mediale Kritik reagiert und wieso er sich "mehr als sicher" ist, diese Saison noch auf dem Podest zu stehen
(Motorsport-Total.com) - Nach seinem enttäuschenden zwölften Platz in der Türkei und der Aussage, er habe "keine große Freude" gehabt, wurde Michael Schumacher in den Medien scharf kritisiert. Aber auch Formel-1-Experten wie Johnny Herbert, Eddie Jordan oder David Coulthard legten dem einstigen Ausnahmefahrer den Rücktritt nahe. Im Interview reagiert der 42-jährige Mercedes-Star auf die Kritik und spricht über Medien, seine weiteren Ziele und das neue Reglement.
Frage: "Michael, was hast du gemeint, als du gesagt hattest, dass du keine große Freude hast?"
Michael Schumacher: "Wenn du das gesamte Interview gesehen hättest, dann hätte es sehr klar sein müssen, dass ich damit das Rennen gemeint habe. Ein Auto zu haben, das zu Platz fünf oder sechs fähig war, und dann all die unnötigen Teile in den ersten zwei Runden abzulegen - ich wäre höchstwahrscheinlich Sechster geworden, das ist offensichtlich nicht der größte Spaß."
Frage: "Wie ist die Stimmung vor diesem Wochenende?"
Schumacher: "Nicht anders als bei einem anderen Rennen. Wenn du glaubst, dass sich bei mir irgendetwas geändert hat? Nein. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Sogar bei diesem Rennen habe ich einen Teil genossen - mit all den Überholmanövern und der Action, die ich hatte - aber das Resultat habe ich sicher nicht genossen. Ich hatte keine Probleme mit irgendetwas, das jetzt auf mich zukommt."
Frage: "Fällt es dir jetzt schwerer, mit den Tiefs klarzukommen?"
Schumacher: "Auf eine gewisse Weise sollte ich es als Kompliment sehen, dass ihr so reagiert - obwohl ich nicht gelesen habe, was geschrieben wurde. In diesem Momenten tauche ich einfach ab und bleibe ruhig und verfolge meine eigene Strategie. Aber soweit mich die Leute, die mich beraten, informieren, sollte ich mich geehrt fühlen, dass ihr euch so sehr für mich interessiert."
"Auf gewisse Art und Weise leben doch beide Seiten davon. Der Sport und die Emotionen gehen doch in gewissen Situationen auf und ab. Ich bin mir mehr als sicher, dass ich am Ende oben sein werde. Darüber mache ich mir keine Sorgen."
Schumacher hat den Glauben nicht verloren
Schumacher: "Absolut. Das ist der einzige Grund, warum ich zurückkomme. Natürlich wollen wir lieber heute als morgen gewinnen, das ist sicher. Damals habe ich die Situation aber nicht so gut verstanden, wie ich es jetzt tue. Als ich unterschrieben hatte, waren unsere Ziele auf jeden Fall andere als jetzt. Jetzt würde ich es eine normale Aufbau-Phase nennen, die jedes normale Team, das einmal erfolgreich wurde, durchmachen musste, um Erfolg zu haben. Wir können auch nicht zaubern."
Frage: "Jackie Stewart hat gemeint, dass er überrascht wäre, wenn du nicht bald auf dem Podest stehen würdest."
Schumacher: "Oh ja. Ich bin mehr als sicher, dass ich es dieses Jahr auf das Podest schaffe."
Schumacher: "Wenn ich das Beste aus dem Potenzial mache. Ich kann aber erst nachher analysieren, ob mir das gelungen ist oder nicht."
Frage: "Ist es schlechter, wenn die Leute nicht über dich sprechen?"
Schumacher: "Es tut nicht weh. Auf eine gewisse Art und Weise, ist es - wenn man positiv denkt und das tue ich, denn ich habe meine Ziele und meine Art, wie ich an sie herangehe - Teil des Lebens. Ich habe das schon so oft durchgemacht und nach jedem Sturm kommt wieder die Sonne heraus."
Verständnis für Alonsos Vertragsverlängerung
Frage: "Was hältst du von Fernando Alonsos neuem Ferrari-Vertrag?"
Schumacher: "Ich habe es erst jetzt gehört und ich habe nicht davon gewusst. Ich glaube an Beständigkeit, ich glaube daran, dass sie Teil des Erfolgs ist, daher bin ich nicht überrascht. Ich bin ziemlich sicher, dass er sich dort wo er ist sehr wohl fühlt und dass sie diesen Weg gehen werden, denn andernfalls hätten sie es nicht getan."
Frage: "Würdest du deinen Vertrag bis 2016 verlängern?"
Schumacher: "Bis 2016? Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, darüber jetzt nachzudenken. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das tun wollen würde oder nicht. Machen wir es doch für Schritt für Schritt."
Frage: "Musst du etwas ändern, um die kleinen Ausrutscher zu verhindern, die dir teuer zu stehen kommen?"
Schumacher: "Sicher muss ich etwas ändern, damit ich Fehler wie in Kurve 1 in der Türkei vermeide, die dich dann dazu führen, dass man bei anderen Dingen über das Limit geht. Wenn man im Fluss ist und alles passt, dann spürst du es. Ich bin mir dessen bewusst und ich weiß, dass ich dazu fähig bin, aber ich weiß, dass alles zum richtigen Zeitpunkt passieren muss und dass die Erfolgsrate nicht 100 Prozent beträgt."
Schumacher: "Nein, ich hatte einen... und habe mich sehr wohl gefühlt. Ich hatte in der Türkei eine guten Samstagmorgen, hatte einen guten Start ins Qualifying, der Aufbau passte und ich hatte Reserven, besonders in der ersten Kurve. Ich glaube nicht, dass es etwas mit Druck zu tun hat. Ich glaube, dass man es auf den Punkt bringen muss - und ich vergesse nicht, dass mein Teamkollege darin ziemlich gut ist."
"Es ist für das Team und für mich gut, ihn in gewissen Situationen als Referenz zu haben. Es hilft aber auch ihm, dass wir einander als Referenz haben, damit wir uns dorthin pushen können, wo wir jetzt sind."
Positives Zeugnis für neues Reglement
Frage: "Fühlt sich der Aufbau dieses Teams wie der Beginn einer Karriere an?"
Schumacher: "Letzten Endes ist es das gleiche Prinzip, ja. Es geht um so viele kleine Details, die am Ende für den Erfolg verantwortlich sind. Wir sind gerade dabei, diese Details in Sachen Teamstruktur und Organisation aufzubauen. Wir haben viel Potenzial, Motivation und alles, was es braucht - aber es braucht Zeit. Das ist einfach so."
Schumacher: "Es ist ziemlich interessant, wie sich die Herangehensweise an das Qualifying im Vergleich zum Vorjahr, als es eine viel größere Bedeutung hatte, verändert hat. Der Abbau der Reifen ist dieses Jahr um so viel höher, dass es sich im Rennen extrem auszahlt, wenn man die Reifen im Qualifying schont."
"Die gesamte Herangehensweise ist ganz anders, weshalb wir in Q3 keinen zweiten Versuch gemacht haben. Wir beließen es bei einem Versuch und wenn man bei diesem Versuch einen Fehler macht, dann ist das doppelt so schlimm, aber die Strategie ist viel wichtiger und macht viel mehr Spaß. Wenn man das Qualifying dieser Tage nicht perfekt hinkriegt, dann kann man immer noch angreifen, überholen und ein Rennen fahren. Wäre ich letztes Jahr Letzter gewesen, dann bin ich sicher, dass ich nicht einmal Zwölfter geworden wäre. Es ist also viel aufregender."