Horner: "Sebastian ist in phänomenaler Form"
Red-Bull-Teamchef Christian Horner zieht nach dem Doppelsieg von Istanbul ein positives Fazit und lobt seine beiden Fahrer für ihre Rennleistung
(Motorsport-Total.com) - Von der ersten Startreihe aus zum Doppelsieg in der Türkei: Für Red Bull lief im vierten Rennen des Jahres vieles nach Plan, denn Sebastian Vettel und Mark Webber setzten die Geschwindigkeit ihres RB7-Fahrzeugs hervorragend um und holten sich die beiden Spitzenplätze im Rennen. KERS machte dem britischen Rennstall zudem weniger Probleme als bisher, was Teamchef Christian Horner ebenfalls sehr zuversichtlich stimmt. Im Interview zeigt sich der Brite ohnehin sehr zufrieden.
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Red-Bull-Teamchef Christian Horner ist hochzufrieden mit der Situation des Teams Zoom Download
Frage: "Christian, Red Bull feierte in der Türkei den ersten Doppelsieg des Jahres. Wie beurteilst du den vierten Saisonlauf?"
Christian Horner: "Es war ein interessantes Rennen. Im Hinblick auf die Strategie gingen wir sehr offen in diesen Grand Prix. Während des Rennens dachten wir darüber nach, von drei Stopps auf vier Stopps zu wechseln. In einer Phase überlegten wir sogar, Mark fünf Mal hereinzuholen. Bei Sebastian entschieden wir uns dazu, uns gegen die Autos hinter ihm zur Wehr zu setzen."
"Er meisterte das Rennen auf reife und souveräne Art. Mark nahm seine Reifen etwas härter ran, weil er mit Rosberg kämpfte. All dies hatte eine Auswirkung auf seine Strategie. Er leistete gute Arbeit darin, Nico zu überholen. Gegen Rennende hatten wir den Vorteil, noch über einen frischen harten Reifensatz zu verfügen."
"Eben diese Pneus hatten wir in der Qualifikation nicht eingesetzt. Alonso war hingegen auf den weichen Reifen sehr schnell unterwegs und konnte damit auch an Mark vorbeifahren. Das Team und Mark bewahrten aber die Ruhe und wagten mit diesem letzten Reifensatz noch einmal einen Angriff auf Alonso. Das war erfolgreich und sehr beeindruckend."
Red Bull siegt scheinbar mit Leichtigkeit
Frage: "War dieses Rennen zu einfach für Sebastian und das Team?"
Horner: "Man könnte natürlich behaupten, dass es ein bisschen so war. Es ist toll, dass unsere Autos eine gute Leistung ermöglichen. Unsere Fahrer müssen das erst einmal umsetzen und eben diese Leistung auch nutzen."
Frage: "Kam es Red Bull zugute, dass die beiden McLaren-Fahrer sich gegenseitig unter Druck setzten und dabei ihre Reifen zerstörten?"
Horner: "Das war recht seltsam, denn wir waren überrascht davon, dass sie sich im Falle von Jenson zu einer Dreistopp-Strategie entschieden. Für uns funktionierte es sehr gut."
Horner: "An diesem Wochenende gelang uns ein guter Fortschritt in diesem Bereich."
"Deine Zusammenfassung stimmt haargenau. Bei Seb gab es keinerlei Probleme. Mark hatte ein paar kleine Schwierigkeiten, doch wir forderten das System auch maximal, als er gegen Fernando fuhr. Meiner Meinung nach fruchten unsere Modifizierungen. Wir lernten mehr über die Technologie als solche. Das machte sich an diesem Wochenende bezahlt."
KERS funktioniert besser und besser
Frage: "Ist KERS die einzige Baustelle von Red Bull?"
Horner: "Nicht in der Türkei. Nur Mark hatte ein geringes Problem damit, als er das System ans Limit brachte, um im Duell mit Fernando zu bestehen. Uns gelang da sicherlich ein guter Fortschritt."
Horner: "Das ist richtig. Die Rennen sind sehr stressig. Es geht sehr vieles vor sich. Einerseits hast du den Fahrer am Funk."
"Das Feedback über das Verhalten des Autos ist natürlich von großer Wichtigkeit. Die Stints in der Türkei waren elf Runden lang. Das bedeutet: Alle elf Umläufe wurde eines unserer Autos in der Boxengasse vorstellig. Für die Jungs der Boxencrew ist das sehr anstrengend."
"Unsere Mannschaft leistete dabei aber fantastische Arbeit. Sie machten nicht einen Fehler. Das war tolles Teamwork. Die Rennen haben nun eine weitere Dimension erhalten. Es ist wie bei einem Schachspiel: Schon der erste Zug kann vorgeben, was später passiert."
Frage: "Einige der Boxenstopps gingen in unter drei Sekunden vor sich..."
Horner: "Allerdings. Wenn ich mich nicht irre, blieben unsere Mechaniker bei zwei Stopps unter drei Sekunden."
Horner schreibt die Konkurrenz nicht vorzeitig ab
Frage: "Würdest du sagen, ihr macht einen Fehler, wenn das Team ein Rennen nicht gewinnt? Die Leistung des Autos scheint allen anderen schließlich überlegen zu sein..."
Horner: "Unterm Strich können sich die Dinge sehr rasch verändern. Fernando setzte uns am Sonntag ziemlich unter Druck."
"Niemand sonst schien in dieser Region mitspielen zu können. Vor zwei, drei Wochen war noch McLaren unser schärfster Verfolger. Hier in der Türkei sah es zudem so aus, dass Mercedes einen Schritt nach vorne machen konnte. Sobald man erst einmal alles in den Griff bekommt, stellt sich automatisch ein recht großer Leistungsgewinn ein."
Frage: "Denkst du, ihr setzt die anderen Teams zusätzlich unter Druck, wirklich alles richtig zu machen?"
Horner: "Das ist meiner Meinung nach ein Teil des Sports. Du setzt dich ja nicht nur selbst unter Druck, sondern auch deine Gegner. Das gehört dazu. Faszinierend an diesem Rennen war doch das Folgende: Noch vor zwölf Monaten wäre der Platzverlust von Mark gegen Fernando das Ende für Mark gewesen."
"Er hätte sich vermutlich auf den dritten Rang beschränken und diesen absichern müssen. Mit der Strategie und den Hilfsmitteln, die den Fahrern nun zur Verfügung stehen - der verstellbare Heckflügel, KERS und dergleichen -, hatte er die Möglichkeit, sich diesen Platz zurückzuholen."
Der Vorsprung ist beruhigend, mehr nicht...
Frage: "Hilft es euch, dass es nicht einen klaren Verfolger gibt, sondern dass sich gleich mehrere Teams um die Position hinter euch streiten?"
Horner: "Dabei handelt es sich um großartige Teams und wir wären dumm, würden wir Rennställe wie Ferrari - und speziell Fernando - vorzeitig abschreiben. McLaren gelang unmittelbar vor dem Saisonstart ein großer Fortschritt."
Frage: "Red Bull führt in beiden WM-Gesamtwertungen. Das muss euch eine Menge Zuversicht bescheren..."
Horner: "Es ist natürlich fantastisch, mit einem Vorsprung von 43 Punkten nach Barcelona zu fahren."
"Sebastian liegt mit einem Vorsprung von 34 Zählern an der Spitze der Fahrerwertung. Das ist großartig. Wir alle wissen aber, dass ein solcher Abstand ziemlich schnell reduziert sein kann. Im vergangenen Jahr verschenkten wir in der Türkei ziemlich einfach 43 Punkte. Zwölf Monate danach einen Doppelsieg zu erzielen, war da natürlich sehr befriedigend."
Frage: "Sebastian nahm Mark in der Türkei einige Zehntel ab, holte sich die Pole-Position und auch den Rennsieg. Wie viel besser ist er in diesem Jahr im Vergleich zu 2010?"
Horner: "Ich denke, Sebastian profitiert nun einfach von seiner Erfahrung."
"Er ist der amtierende Weltmeister, sieht das aber nicht als Druck. Er genießt es sogar. Sebastian ist in phänomenaler Form und er versteht die Reifen sehr gut. Er weiß, wie er die Pneus behandeln muss und was er aus ihnen herausholen kann. Im Großen Preis der Türkei war er wirklich beeindruckend unterwegs."
Vettel fährt in der Form seines Lebens
Frage: "Sebastian scheint im Augenblick unschlagbar zu sein. Wie lautet dein Kommentar dazu?"
Horner: "An diesem Wochenende hatte es den Anschein, ja. Sein Selbstvertrauen ist groß und es ist ihm offensichtlich sehr gut gelungen, seine Form aus dem vergangenen Jahr in diese Saison mit hinüberzunehmen. Er fährt fantastisch."
Frage: "Ist es nun einfacher für das Team, wo zwischen Sebastian und Mark in diesem Jahr bisher ein recht großer Unterschied zu bestehen scheint?"
Horner: "Noch ist die Saison recht jung. In den bisherigen Rennen lagen sie nahe beisammen. Zumindest anfangs war das nicht der Fall, zuletzt schon eher. Ich denke, wir dürfen uns glücklich schätzen, zwei derart starke Fahrer in unseren Reihen und eine derart hohe Qualität im Team zu haben."
Horner: "Die Charakteristik der Reifen ist recht unterschiedlich. Seb konnte seinen Fahrstil sehr gut an die neuen Pneus anpassen. Mark wird immer besser, je mehr Kilometer er damit unter die Räder nimmt. Sie kommen sich da näher und näher. Ich denke, dieser Trend wird sich noch verstärken, wenn wir an Strecken kommen, auf denen Mark schon immer schnell war."
Frage: "Wie wichtig war es in diesem Zusammenhang, dass Sebastian nach seinem Unfall einige Daten von Mark übernehmen konnte? Auch im Hinblick darauf, dass es eine Sperrstunde gibt?"
Horner: "So eine Situation ist nicht einfach, denn gerade die Sperrstunde setzt die Teams am Wochenende noch einmal zusätzlich unter Druck."
"Vor ein paar Wochen war es aber genau andersherum. In China arbeiteten die Jungs von Sebastian auch am Auto von Mark mit. Das ist eine der grundlegenden Stärken dieses Teams. Jeder hilft dem anderen. Wir sind ein Team und der Teamgeist ist sehr stark."
Weitere Testfahrten sind nicht nötig
Frage: "Du meintest eben, Sebastian profitiere nun von seiner Erfahrung. Inwiefern trifft das auch auf dich selbst zu?"
Horner: "Seb ist noch so jung. Er darf ja gerade einmal den Champagner trinken, den er auf dem Treppchen bekommt (lacht; Anm. d. Red.). Er ist wirklich unheimlich jung und er hat gerade einmal 60 Rennen oder dergleichen auf dem Buckel."
Frage: "Würdest du es begrüßen, während der Saison etwas mehr Gelegenheiten zu haben, um Testfahrten durchzuführen?"
Horner: "Ich halte die Balance, die wir im Augenblick haben, für richtig. Vielleicht könnte man darüber nachdenken, an den Renn-Freitagen noch etwas mehr Streckenzeit und mehr Reifen zur Verfügung zu stellen."
"Das würde die Teams dazu ermutigen, mehr junge Fahrer an den Start zu bringen. Das Problem mit Testfahrten ist allerdings, dass, sobald diese wieder eingeführt sind, auch die Testteams wieder da sein werden. Die Kosten würden in die Höhe schnellen."
"Eine der besten Kostenreduzierungen war nun einmal die Einschränkung der Testfahrten. Ich halte den Kompromiss, den wir haben, für genau richtig. Es gibt Tests vor dem Saisonstart und zum Ende des Jahres einige Young-Driver-Days. Das bringt viele Vorteile mit sich - nicht nur für die kleinen Teams, sondern auch für die kleineren Rennställe."