• 07. April 2011 · 15:30 Uhr

Vettel im Gespräch: "Australien ist Geschichte"

Sebastian Vettel wirkt vor Sepang locker und zuversichtlich, weiß aber, dass alles anders sein kann als beim erfolgreichen Saisonauftakt in Melbourne

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Sebastian, du hast das Selbstvertrauen des Weltmeisters und des Auftaktsiegers, hast gerade Urlaub gemacht. Wie geht es dir?"

Sebastian Vettel: "Gut. Hoffentlich ähnlich gut wie beim letzten Mal! Urlaub ist relativ - am liebsten wäre ich zu Hause gewesen, aber am besten war es natürlich, in dieser Zeitzone zu bleiben und sich auch schon mal an die Hitze und an das Schwitzen zu gewöhnen."

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Weltmeister, Auftaktsieger: Sebastian Vettel strotzt derzeit vor Zuversicht Zoom Download

Frage: "Schwitzen ist ein gutes Stichwort. Erzähl mal, wie das für euch Fahrer ist bei dieser Hitze!"

Vettel: "Zunächst mal sollte man uns abkaufen, dass wir nicht irgendwelche Geschichten erzählen, sondern dass das wirklich auch Arbeit ist. Es ist sehr heiß hier, die Luft ist sehr feucht. Wenn man sich dann auch noch körperlich betätigt, schwitzt man eben sehr schnell. Das tun wir, obwohl wir nur sitzen."

70 Grad unter dem Rennoverall

"Es ist ziemlich anstrengend. Beim Fahren kriegt man ein bisschen Fahrtwind ab, aber es ist natürlich warm. Mit der ganzen Kleidung, Unterwäsche, der Sturmhaube unterm Helm hat es ungefähr 60 bis 70 Grad. Das führt auf die Zeit gerechnet dazu, dass es sehr anstrengend ist. Da das nicht unsere gewohnte Umgebung ist, weil wir nicht hier aufgewachsen sind, ist es noch einmal anstrengender. Je länger man hier sein kann, um sich daran zu gewöhnen, desto besser ist es."

Frage: "Bist du einer, der viel schwitzt, oder eher ein Trockenporen-Typ?"

Vettel: "Wenn ich mich körperlich betätige, dann schwitze ich schon sehr viel. Das dauert dann nicht lange. Vor allem hier geht das sehr schnell. Dann läuft es!"

Frage: "Der Abstand zwischen dir und deinem Teamkollegen war in Australien sehr groß. Glaubst du, dass du in Zukunft wieder härter kämpfen musst?"

Vettel: "Es war noch nie leicht. Der Erste, den du schlagen willst, ist dein Teamkollege. Mark würde sicher das Gleiche sagen. Der Abstand war in Australien groß, aber das heißt nicht, dass er auch hier groß sein muss. Australien ist Geschichte. Den Sieg haben wir in der Tasche, viele Punkte - schadet nicht! Aber wir müssen das hinter uns lassen und uns auf dieses Rennwochenende konzentrieren. Morgen geht es los. Dann müssen wir neue Probleme lösen."

Frage: "Warum seid ihr in Australien ohne KERS gefahren und werdet ihr es hier verwenden oder nicht?"

Vettel: "Der Grund, warum wir es nicht gefahren sind, ist ganz einfach: weil es nicht so funktioniert hat, wie wir uns das vorgestellt hatten. Hier haben wir KERS an Bord. Hundertprozentig bestätigen, dass es auch am Sonntag im Auto sein wird, kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich bin kein Hellseher, aber ich bin sehr zuversichtlich und gehe eigentlich zu 99 Prozent davon aus, dass das klappen wird. Wir sollten es von morgen bis Sonntag drin haben."

Frage: "Glaubst du, dass ihr auch ohne KERS auf lange Sicht Teams wie McLaren und Ferrari schlagen könnt?"

Vettel: "Ich hoffe, dass Australien eine einmalige Sache war. Wir hatten trotzdem ein sehr starkes Paket dort und konnten das Rennen auch ohne KERS gewinnen. Das ist für den Rest der Saison aber nicht geplant, weil es keinen Vorteil gibt. Wir haben KERS hier und wollen es verwenden. Es ist ein Vorteil."

Frage: "Es beginnt gerade zu regnen. Wäre heute Sonntag, hätten wir acht Minuten nach Rennstart..."

Vettel: "Perfektes Timing! Es regnet hier jeden Tag, die Frage ist nur wann - meistens nachmittags, weil es immer feuchter wird. Irgendwann sind die Wolken dann so voll mit Wasser, dass sie es nicht mehr halten können. Das passiert meistens so um 16:00, 17:00 oder 18:00 Uhr - genau dann, wenn wir unterwegs sind."

"Das Schlimme ist: Ein bisschen Regen kann für die Zuschauer und auch für uns ganz unterhaltsam sein, aber wenn es hier regnet, ist es wirklich so, als würde man die Dusche aufdrehen. Da hat es gleich zu viel Wasser, sodass es unfahrbar wird. Unsere Autos liegen extrem tief. Man kann damit schon im Regen fahren, aber wenn so viel Wasser steht, dann haben wir nur noch Aquaplaning und keine Kontrolle mehr. So viel Regen wie jetzt wäre ein Problem."

Frage: "Würde euch Regen ein bisschen was von eurem Vorteil wegnehmen?"

Vettel: "Nein. Was heißt Vorteil? Wir müssen erstmal schauen, wie gut es hier läuft oder nicht. Australien ist etwas Besonderes, keine permanente Rennstrecke. Hier herrschen ganz andere Temperaturen. Wir müssen erstmal schauen, ob das alles so passt, ob das Auto damit einverstanden ist. Ich bin zuversichtlich, aber Hellseher bin ich auch keiner. Das bleibt abzuwarten."

Gute Erinnerungen an das Vorjahr

Frage: "Du hast als Vorjahressieger gute Erinnerungen an diese Strecke und deinem Auto müsste sie auch entgegenkommen."

Vettel: "Das hoffen wir. Im Vorjahr war das Auto hier sehr konkurrenzfähig und wir hatten keine Zuverlässigkeitsprobleme. Die Strecke ist nett und es ist die erste permanente Rennstrecke. Der Albert-Park ist ja zur Hälfte Stadtkurs und zur Hälfte Rennstrecke. Hier werden wir sehen, wer wirklich vorne liegt. Ich hoffe, wir können genauso stark sein wie in Australien. Die Strecke sollte unserem Auto liegen. Bestätigen kann ich das erst morgen oder am Sonntag, aber ich bin zuversichtlich und freue mich auf das Rennen. Das sollte gut funktionieren."

Frage: "Wie ist das Gefühl, als Weltmeister und Sieger des Saisonauftakts hierherzukommen?"

Vettel: "Nicht anders als letztes Jahr. Nach einem Sieg fühlt man sich immer gut und freut sich auf das nächste Rennen. Man hofft, dass man den Rennplatz mit einem genauso guten Ergebnis wieder verlassen kann. Das Ergebnis war viel besser als erhofft, denn als wir ankamen, wussten wir nach den Tests nicht genau, wie stark wir sein würden. Es war ein perfektes Wochenende mit einem perfekten Ergebnis. Wir sind sehr zuversichtlich und hoffen, dass es auch hier so weitergeht."

Frage: "Du wehrst dich gegen das Wort dominant, aber es ist überlegen, wenn man in Australien ohne KERS gewinnt. Wie gut ist dein Auto?"

Vettel: "Unser Auto ist gut. Australien ist eine besondere Strecke mit vielen Bodenwellen, auch keine permanente Rennstrecke. Hier ist das Ganze nochmal eine andere Hausnummer, wo man mehr herauslesen kann, wie gut das Auto ist."

"Ich bin zuversichtlich, dass wir auch hier wieder konkurrenzfähig sein werden - und dann lassen wir uns überraschen. Aber das Jahr ist sehr lang, es hat 19 Rennen. Eines ist gerade mal absolviert. Jetzt von Dominanz zu sprechen, wäre völlig fehl am Platz, denn dazu wissen wir zu gut, dass innerhalb eines Jahres zu viel in alle möglichen Richtungen passieren kann. Da ist die Dominanz ganz schnell wieder passe."

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Sebastian Vettel war beim Saisonauftakt in Melbourne eine Klasse für sich Zoom Download

Frage: "Du hast schon 25 Punkte in der Tasche. Das ist der tolle Saisonbeginn, den du vergangenes Jahr nicht hattest."

Vettel: "Ich hoffe, dass ich eine große Tasche bei mir habe, damit alle Punkte reinpassen! Aber noch einmal: Die Weltmeisterschaft besteht aus 19 Rennen. Es ist kein Geheimnis, dass jedes einzelne davon zählt und dass jeder einzelne Punkt wertvoll sein kann. Das haben wir in den letzten paar Jahren gesehen, als die WM-Entscheidungen immer sehr knapp waren."

"Jedes Rennen zählt - ganz besonders jene, von denen man glaubt, dass sie nicht so wichtig sind. Meistens sind das am Jahresende die, die besonders wichtig sind. Wenn du nicht gewinnen, sondern nur Fünfter werden kannst und dann auch Fünfter wirst und nicht Siebter, dann kann das ganz wertvoll sein."

Frage: "Michael Schumacher ist nicht so bescheiden. Der sagt, du hast eine Bombe."

Vettel: "Eine Bombe geht irgendwann hoch, also hoffe ich nicht, dass ich eine Bombe habe! Eher eine Rakete, die hält meistens ein bisschen länger."

Frage: "Stichwort Adrian Newey: Ist das der Mann, den man braucht, um Weltmeister zu werden?"

Vettel: "In unserem Team ist er mit Sicherheit sehr wichtig und er hatte sicherlich großen Anteil am bisherigen Erfolg. Ohne Zweifel muss man das so sagen, aber es gehören auch andere Leute dazu. Unser Team ist groß genug und besteht nicht aus zwei oder drei Männern, sondern es gibt sehr viele Leute. Natürlich sind manche wichtiger und andere weniger wichtig, aber unterm Strich respektieren sich alle gegenseitig und wissen, dass der Erfolg auch von ihnen abhängt. Jeder hat seine Aufgabe zu tun, damit es dann auch unterm Strich stimmt."

Kräfteverhältnis: Noch viele Fragen offen

Frage: "Glaubst du, dass sich das Kräfteverhältnis im Verfolgerfeld verschieben könnte?"

Vettel: "Ich glaube, das Kräfteverhältnis an sich hat sich noch nicht wirklich gezeigt - beziehungsweise ist noch nicht ganz festgelegt. Dazu kommt, dass jetzt ein Wochenende Pause war. Da hatte man Zeit, noch einmal zu reagieren, neue Teile zu bringen - anders als zwischen hier und China. Australien ist wie gesagt eine besondere Rennstrecke. Kann sein, dass ein Auto hier von Haus aus besser funktioniert als dort. Ich glaube, es sind noch viele Fragen offen. Wirklich beantworten kann man das erst nach zwei, drei Rennen auf zwei, drei Strecken mit unterschiedlicher Charakteristik."

Frage: "Ferrari hatte in Australien Probleme damit, die Reifen auf Temperatur zu bekommen. Hier werden die Temperaturen höher sein und die Strecke ist auch anspruchsvoller. Glaubst du, dass die einen Sprung nach vorne machen können?"

Vettel: "Die Strecke hier ist ganz anders, fordert die Reifen der Autos anders. In Australien gab es kein Problem damit, die Reifen ins richtige Fenster zu bekommen. Wir sind nicht besorgt, dass wir aus diesem Fenster rausfliegen könnten, aber falls doch, dann werden wir es morgen herausfinden. Dann müssten wir halt versuchen, das zu korrigieren. Wir sind aber nicht besorgt, was das angeht. Es wäre eher eine Überraschung."

Frage: "Über den verstellbaren Heckflügel, auch DRS genannt, wird viel diskutiert. Wie fandest du das System am ersten Rennwochenende?"

Vettel: "Von dem, was ich nach dem Rennen gehört und gesehen habe - an der Spitze hatte ich ja nie Gelegenheit, es einzusetzen -, hat es die Show ein bisschen verbessert und manchmal ein wenig geholfen. Vielleicht nicht einmal unbedingt zum Überholen, aber um näher heranzukommen und dann in der nächsten Kurve oder der nächsten Runde zu attackieren."

"Ich war einmal in der Situation mit Jenson, als ich ihn nicht überholen konnte, aber ich kam näher ran, sodass ich in der nächsten Kurve auch näher dran war und so doch noch vorbeikam. Bisher war es positiv - im Rennen. Im Training und Qualifying ist die Bedienung sehr hektisch, weil man natürlich so viel wie möglich damit fahren will."


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Malaysia


Frage: "Hier ist die DRS-Zone erheblich länger als in Australien. Wird das Überholen dadurch zu einfach?"

Vettel: "Schwer zu sagen. Wir werden es herausfinden. Sicher kann man simulieren und berechnen. Es ist nicht gesagt, dass man den Vordermann leicht überholen kann, obwohl er eine Sekunde vorne liegt. Ich glaube, die Leute haben schon darüber nachgedacht, wie man das DRS anwenden darf. Wir werden sehen, aber klar ist: Je länger die Distanz, desto größer der Vorteil und desto leichter wird das Überholen."

Frage: "Australien war eine Ausnahme, was die Haltbarkeit der Pirelli-Reifen anging, oder?"

Vettel: "Das war für alle eine positive Überraschung. Ob es hier auch so sein wird, ist die Frage, aber ich glaube, es wird daran gezweifelt. Die Temperaturen sind deutlich höher und die Belastung auch. Es hat andere Kurven, es ist ein anderes Naturell der Strecke - es gibt viel mehr Kurven, wo man für eine deutlich längere Zeit Belastung auf den Reifen hat. Das wirkt sich dann natürlich auch auf die Haltbarkeit aus. Ich gehe davon aus, dass die Reifen hier nicht so lange halten werden wie in Australien."

Frage: "Es heißt, ihr verwendet flexible Flügel..."

Vettel: "Ich habe seit Melbourne nicht viel gelesen, aber als ich darüber stolperte, schaute ich erstmal in den Kalender, denn ich dachte, wir hätten wieder 2010! Ich dachte, das hätten wir hinter uns. Jetzt stelle ich mich geistig schon auf die Bodenwellen-Diskussion im Qualifying ein. Aber: Wir fahren unser Auto so, wie wir es eben fahren."

Frage: "In Melbourne wolltest du unbedingt den Pokal mit dem Känguru gewinnen. Was motiviert dich hier?"

Vettel: "Stimmt, die Känguru-Trophäe von Australien hatte ich davor noch nicht, wollte ich aber unbedingt haben. Ich weiß aus dem Vorjahr, wie die Trophäe hier aussieht, also möchte ich noch eine gewinnen. Dann hätte ich eine für das Wohnzimmer und eine für die Küche!"

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