Hamilton: "Will nicht immer Zweiter werden"
Lewis Hamilton ist mit der aktuellen Form von McLaren zufrieden, will in Zukunft aber mehr - Vom angeblichen Flirt mit Red Bull will der Brite nichts wissen
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Lewis, dein Saisonstart verlief gemessen an den vorherigen Testergebnissen hervorragend. Wäre nach Betrachtung der gesamten Daten vielleicht sogar noch mehr möglich gewesen?"
Lewis Hamilton: "Das ist schwierig zu sagen. Tatsache ist, dass Sebastian schon beim ersten Boxenstopp einen zu großen Vorsprung hatte. Früher war es so, dass du als Gewinner hervorgingst, wenn du lange fahren konntest. Heutzutage ist es aber so, dass du eher früher zum Stopp kommen solltest. Im Nachhinein wäre ich vielleicht lieber etwas eher zum Reifenwechsel hereingekommen."
"Aber so etwas lässt sich nachher immer leicht sagen.Vielleicht hätte ich auch hinter jemandem landen und festhängen können, so wie es Jenson passiert ist. Das ist alles müßig. Mein Auto war später zwar beschädigt, aber ich konnte das Tempo dennoch hochhalten. Schneller als Sebastian hätte ich aber ohnehin wohl kaum fahren können."
Frage: "Wie überrascht warst du, als du erfahren hast, dass Red Bull in Melbourne sogar noch ohne KERS unterwegs war?"
Hamilton: "Nicht so richtig überrascht. Die waren auch so unglaublich schnell. Die haben dermaßen viel Abtrieb, sodass sie KERS bisher einfach nicht brauchen. Irgendwann werden sie es aber einbauen und benutzen müssen. Der Abstand lag in Melbourne bei etwa einer Sekunde. Ich hoffe, dass wir hier schon näher dran sein können."
Frage: "Wie sind die Aussichten im Titelkampf?"
Hamilton: "Solange ich mich für die erste Startreihe qualifizieren und im Rennen Zweiter werden kann, ist alles in Ordnung. Wenn man sich die Champions der Formel 1 anschaut, dann haben die auch oft wichtige Punkte mit zweiten und dritten Plätzen geholt. Aber natürlich ist es nicht mein ultimatives Ziel, immer nur Zweiter zu werden. Ich will gewinnen. Jetzt müssen wir aber das Beste herausholen, und mit der Zeit arbeiten wir uns nach vorne. In den ersten drei Rennen müssen konstant Punkte her, danach haben wir hoffentlich bald ein Auto, mit dem wir um Siege kämpfen können."
Abstand zu Red Bull bei einer Sekunde
Frage: "Was darf man in Malaysia von McLaren erwarten?"
Hamilton: "Hoffentlich eine ähnliche Leistung wie in Meblourne. Niemand weiß aber bisher, wie sich die Situation mit den Reifen unter veränderten Bedingungen darstellen wird. Hier fängt es offenbar immer genau um 16 Uhr an zu regnen, also genau zur Qualifyingzeit. Es könnten schwierige Bedingungen werden. Interessant wird es allemal."
Frage: "In Melbourne war Vettel vor allem in den schnellen Kurven deutlich schneller. Wird dieser Faktor hier in Sepang im Falle von Regen minimiert werden?"
Hamilton: "Ja, der Abstand war in solchen Passagen wirklich riesig. Wir haben unser Auto aber seit Melbourne noch einmal weiter verbessert. Ich hoffe, dass wir die Lücke weiter verkleinern konnten. Mal sehen, wie es hier sein wird. Ich hoffe, dass es keinen Regen gibt. Wenn es hier mal regnet, dann schüttet es gleich wie aus Kübeln. Das wäre nicht gut."
"Im vergangenen Jahr war es im Qualifying nass und im Rennen trocken. Das Problem ist wirklich, dass es hier gleich immer solche Wolkenbrüche gibt. Da hilft dir dann auch kein Abtrieb mehr. 2009 war es hier dermaßen heftig, da sind wir wie verrückt herumgerutscht. Grundsätzlich bin ich im Regen oft schnell. Ich würde aber ein Rennen im Trockenen bevorzugen."
Frage: "Wird sich die Hackordnung der Topteams hier etwas verschieben?"
Hamilton: "Es läuft bei allen Teams gleich. Alle verbessern sich immer weiter. Die bringen kleine Updates und wir ebenso. Natürlich hoffe ich, dass uns der größere Schritt gelingt. Aber ob der Abstand nun gleich bleibt, oder ob er wirklich vielleicht kleiner wird, das müssen wir mal abwarten. Wir wollen auf jeden Fall näher herankommen."
Frage: "Im vergangenen Jahr hattest du im Qualifying in Malaysia Pech. Damals habt ihr zu lange in der Box abgewartet. Habt ihr daraus gelernt?"
Hamilton: "Ja, unser Team hat ganz sicher daraus gelernt. Wir waren damals in den Trainings richtig schnell und haben es dann im Qualifying hergeschenkt. Sollte die Situation nun ähnlich sein wie im Vorjahr, dann werde ich ganz schnell herausfahren und eine Rundenzeit markieren. Den Fehler machen wir nicht noch einmal."
Frage: "Wird es vielleicht zur großen Lotterie? Wenn zum Regen auch noch die Ungewissheit mit Reifen, verstellbarem Heckfkügel und KERS hinzukommt..."
Hamilton: "Nein. Wenn es konstant nass ist, dann müssen wir eben konstant gut im Regen fahren. Was mir etwas Sorgen bereiten könnte, ist die Situation mit den Reifen. Wir haben die richtigen Regenreifen und die Intermediates, die aber nicht lange halten."
"Sollten wir uns auf diesen Reifen qualifizieren müssen, dann bleiben uns nur wenige Sätze von den recht schnell abbauenden Pneus für das Rennen. Ob das reicht? Es wird interessant."
Ferrari und Mercedes auch mit Chancen?
Frage: "Erwartest du Ferrari wieder in der Form wie in Melbourne?"
Hamilton: "Nein. Sie hatten in Australien leichte Probleme, aber die gehen aus solchen Situation oft gestärkt hervor. Dort hatten sie Probleme, weil die Reifentemperaturen nicht stimmten. Aber hier werden die Pneus wohl kaum zu kühl sein. Ich rechne mit ihnen, auch mit Mercedes."
Frage: "Hast du hier ein Auto, das dir möglicherweise sogar einen Sieg ermöglicht?"
Hamilton: "Ich glaube nicht. Unser Rückstand im vergangenen Rennen lag bei einer Sekunde. Ich schätze nicht, dass wir so viel haben gutmachen können in den paar Tagen. Ich hoffe aber, dass wir etwas näher dran sein können."
Frage: "Wie wichtig wird die Strategie?"
Hamilton: "Man kann es bisher kaum einschätzen. Im vergangenen Rennen waren wir alle von der Haltbarkeit der Reifen im Rennen erstaunt. Das hatte in dieser Form niemand erwartet. Alle waren davon ausgegangen, dass man drei oder vier Stopps machen müsste, aber es waren letztlich zwei ausreichend."
"Hier ist die Strecke anders, die Temperaturen viel höher. Keine Ahnung, wie sich die Reifen hier verhalten werden. Es kann trocken sein oder nass. Mit den Regenreifen wissen wir ohnehin nicht, wie es wird. Grundsätzlich wird in einer solchen Situation die Wahl der richtigen Strategie natürlich ungemein wichtig."
Frage: "Es gab zuletzt einige Gerüchte um einen angeblichen Flirt zwischen dir und Red Bull..."
Hamilton: ""Ich schere mich nicht darum. Ich bin ganz auf meinen Job fokussiert, bin glücklich im Team. Wir machen zusammen einen tollen Job. Ich bin oft und gern in Woking in der Firma. Wir sind bester Dinge, dass wir weiter an Performance zulegen können. Ich habe am vergangenen Rennwochenende zu Martin Whitmarsh gesagt: 'Ich gehöre zu euch. Ich bin für euch hier, um alles zu geben'. Ich will mehr Rennen gewinnen als die anderen. Das ist mein Ziel."
Frage: "Hast du im Moment das komplizierteste Lenkrad aller Zeiten im Auto?"
Hamilton: "Nein, es war früher schon ähnlich. Das ist alles kein Problem. Ich habe schon in den vergangenen zwei Jahren sehr intensiv an Anpassungen des Lenkrads gearbeitet, es gab viele Veränderungen. Ich bin stolz darauf. An keinem anderen Teil habe ich dermaßen viel mitgewirkt."
"Wir haben viel Arbeit dort hineingesteckt. Hauptsächlich habe ich wert darauf gelegt, dass alles möglichst einfach geht. Es ist wirklich leicht zu handhaben, nicht so überladen. Man merkt im Grunde gar nicht, dass wir nun KERS und den verstellbaren Flügel hinzubekommen haben."
Wenn Brunderherz Gas gibt...
Frage: "Noch eine Frage zu den Reifen: Gibt es nicht mehr - wie in den zurückliegenden Jahren - eine Art natürliches Boxenstoppfenster, das sich zwangläufig ergibt?"
Hamilton: "Nein. Früher gab es bei den Pneus ab einem gewissen Punkt immer Graining. Das gibt es bei unseren jetzigen Reifen nicht mehr. Wenn die Pirellis abbauen, dann rubbelt eben viel Gummi ab, aber ohne den Graining-Effekt. Das bringt dann beispielsweise die Frage auf, wie weit man heutzutage mit dem Sturz gehen kann."
"Wir hatten das Gefühl, dass wir in Melbourne schon den optimalen Weg dafür gefunden hatten. Es war im ersten Stint gut und im zweiten auch. Aber dann haben wir Sauber gesehen."
Hamilton: "Ja, die Regenreifen bin ich gefahren und auch die Intermediates. Und genau die sind meine größte Sorge. Aber wir haben gesehen, dass sich die Reifen in Melbourne plötzlich ganz anders verhalten haben. Vielleicht lag es nur an den Temperaturen, vielleicht auch an anderen Faktoren."
Frage: "Du bist in der vergangenen Woche nach Großbritannien geflogen, um beim Renndebüt deines Bruders Nicolas dabei zu sein. Wie war es?"
Hamilton: "Das war komisch. Er war immer der Kleine. Jetzt ist er fast 20 Jahre alt und ein großer Typ. Dort fuhr er dann plötzlich selbst Rennen, gab Interviews. Ein seltsames Gefühl. Ich habe schon oft Menschen bei Rennen zugeschaut, aber das war eben mein Bruder - sehr cool. Ich habe es genossen."
Frage: "Du hast ihn immer als eine Inspiration gesehen..."
Hamilton: "Ja, aber ich will das auch nicht überbewertet wissen. In anderen Familien ist es aber nun einmal so, dass zwei Jungs viel herumtoben und spielen. Bei ihm gab es leider immer die körperlichen Hürden. Trotzdem hat er immer gelächelt, war immer fröhlich. Und das begeisterte mich. Wenn ich mal einen schlechten Tag hatte und irgendetwas nicht gut lief, dann erinnerte ich mich wegen ihm immer daran, dass meine Probleme vergleichsweise minimal klein sind."
"Es gibt dermaßen viele Menschen, denen es so viel schlechter geht, die viel größere Probleme haben und trotzdem lächeln. Das hat mir immer gezeigt, dass ich ganz bestimmt keinen Grund habe, über irgendetwas zu klagen. So etwas verinnerlicht man mit der Zeit. Dadurch fällt es einem leichter, immer den Kopf hoch zu halten und immer weiter zu arbeiten."