MP4-26: Die Techniker im Interview
Chefingenieur Tim Goss und der Technische Direktor Paddy Lowe erklären die technische Logik hinter dem neuen McLaren MP4-26
(Motorsport-Total.com) - Einige Überraschungen hat sich McLaren für den neuen MP4-26 einfallen lassen, der heute in Berlin präsentiert wurde. Vor allem die Form der Seitenkästen ist ungewöhnlich, aber auch der eine oder andere Lufteinlass dürfte bei der Konkurrenz für hochgezogene Augenbrauchen sorgen. Tim Goss (Chefingenieur) und Paddy Lowe (Technischer Direktor) erklären im Interview, was sie sich dabei gedacht haben.
Frage: "Was sind die signifikanten Veränderungen am MP4-26?"
Tim Goss: "Ich finde, es gibt einige originelle Features am Auto - der lange Radstand und die U-förmigen Seitenkästen sind wahrscheinlich die offensichtlichsten Beispiele dafür. Die Logik dahinter liegt darin, so viel 'Qualitätsluft' wie möglich zur unteren Heckplatte und zum Unterboden des Autos zu strömen. Wir wollen nach dem Verlust von Anpressdruck durch das Verbot des Doppeldiffusors, dass das Heck so gut wie möglich funktioniert."
KERS nicht mehr in den Seitenkästen
"Für 2011 ist KERS nun eine einzelne integrierte Einheit, die bei der Überlebenszelle, neben dem Benzintank, sitzt. 2009 saß KERS in den Seitenkästen. Der Lufteinlass für die Hybridkühlung befindet sich direkt unter dem Haupt-Lufteinlass der Airbox. Und wir sind bei der Kühlungskonfiguration wieder ans Limit gegangen, denn für die Getriebe- und Hydraulik-Kühlung haben wir einen zweiten Lufteinlass auf der Motorabdeckung."
Frage: "Was waren vor der Saison 2011 die größten Herausforderungen?"
Goss: "Für mich hat es zwei gegeben: den Heck-Anpressdruck infolge des Verbots des Doppeldiffusors wiederzufinden und die Pirelli-Reifen voll auszuschöpfen. Die Reifen halten nur für ungefähr zehn Runden. Sie länger haltbar zu machen, ist eine ziemlich große Herausforderung. Daher müssen wir uns genau überlegen, wie wir Setup und Radaufhängungen einstellen, um die Reifen haltbarer zu machen."
Paddy Lowe: "KERS wieder ins Auto zu bekommen, war eine große Aufgabe. Die Zusammenarbeit mit dem Mercedes-Team, um die Spezifikation für Mercedes-Benz HighPerformanceEngines zu definieren, war sehr zufriedenstellend - es gab eine großartige Kollaboration und Kooperation zwischen uns. Es kann sehr schwierig sein, Übereinstimmungen zwischen zwei Teams zu finden, aber ich bin zufrieden damit, wie wir das hinbekommen haben, und freue mich sehr über das Endergebnis."
Goss: "Das System war auch schwieriger zu integrieren, weil wir ja jetzt mehr Benzin mitschleppen müssen als 2009. Das war die erste Herausforderung, aber da sind wir durch. Hinsichtlich der Architektur um verschiedene aerodynamische Konzepte herum waren einige schwierige Entscheidungen zu treffen, aber ich meine, dass wir ein Design entwickelt haben, mit dem wir glücklich sein können."
Goss mit mehr Einfluss ausgestattet
Frage: "Ihr beide betont, dass Teamwork den Charakter dieses Autos prägt. Schlägt sich diesbezüglich auch die Umstrukturierung im technischen Management nieder?"
Lowe: "Die Umstrukturierung spiegelt Tims erweiterte Rolle innerhalb der Ingenieursabteilung wider, aber es war auch gut, die Arbeit zur nächsten Generation hochrangiger Ingenieure zu delegieren, die ins Unternehmen stoßen. Für den MP4-26 haben wir die Arbeitslast auf fünf oder sechs hochrangige Ingenieure in unterschiedlichen Spezialbereichen verteilt - und das ist eine Struktur, die unter Tim fortgeführt wird. Ich bin wirklich stolz auf die Tiefe an Talent, auf die wir uns bei McLaren Racing verlassen können, und einige neue Player haben die großartige Chance erhalten, auf hohem Niveau zum Auto beizutragen."
Goss: "Und das ist nicht nur gut für sie, sondern das ist auch gut für das Unternehmen und gut für das Endprodukt. Ich glaube, dass wir bessere Autos bauen werden, weil wir nun breiteren Zugriff auf die Pferdestärken innerhalb des Designsystems haben. Das sind alles gute Jungs mit guten Ideen. Es klingt wie ein Klischee, aber das Fahrzeugdesign ist heutzutage wirklich Teamwork."
Frage: "Was sind eure unmittelbaren Ziele für das Rollout des MP4-26?"
Goss: "Wir haben uns für 2011 ein sehr ehrgeiziges Aerodynamik-Ziel gesetzt. Wir wollen immer mehr und wir betrachten unsere Performance immer kritisch, aber wir glauben, gute Arbeit geleistet zu haben. Wir haben einige Bereiche identifiziert, wo wir Performance gewinnen können. In den nächsten Wochen wird es unsere Aufgabe sein, diese ans Auto zu bekommen und beim ersten Rennen zuverlässig zu sein. Das ist die große Herausforderung."