Kubica: Augen, Gehirn und Einsamkeit
Renault-Speerspitze Robert Kubica gibt im Faninterview Einblicke in Privates und er berichtet über das Zusammenspiel von Pilot und Techniker
(Motorsport-Total.com) - Robert Kubica hat bei Renault vor dem Start ins neue Jahr nicht nur einen Vertrag als klare Nummer eins unterschrieben, sondern er hat diesen Anspruch auch durch gute Ergebnisse auf der Strecke untermauert. Der Pole fuhr den mäßigen R30 mehrfach auf starke Platzierungen, distanzierte seinen Rookie-Teamkollegen Vitaly Petrov mehr als deutlich. Im Renault-Faninterview gibt Kubica Einblicke in die Teamarbeit und Ausblicke auf 2011.
Frage: "Robert, erinnerst du dich noch an dein allererstes Rennen?"
Robert Kubica: "Ja, ich erinnere mich gut an mein erstes Rennen. Das war ein Lauf zu polnischen Kartmeisterschaft 1995, ich war damals zehn Jahre alt. Das war im April und es gab leichten Schneefall. Die Bedingungen waren also sehr schwierig. Trotzdem habe ich beste Erinnerungen daran, denn ich konnte sofort das erste Rennen gewinnen."
"Im Grunde hat meine Karriere aber schon viel früher begonnen, denn ich saß schon mit fünf Jahren im Kart. Ich habe also sehr lange geübt, bevor ich mich ans erste echte Rennen gewagt habe."
Frage: "Wie hast du dich als Formel-1-Fahrer entwickelt?"
Kubica: "Die Formel 1 hat es mir ermöglicht, sehr viele Dinge zu lernen, die mich als Fahrer viel besser gemacht haben. Erst einmal durfte ich viele Erfahrungen sammeln, was sehr wichtig ist. Allerdings kannst du in der Formel 1 auch als Rookie schnell sein, das haben wir in den vergangenen Jahren bei einigen Piloten gesehen."
"Von außen sieht alles immer gleich aus, eine Runde gleicht der anderen, man ist immer wieder mit den gleichen Autos auf den gleichen Strecken unterwegs. Allerdings haben absolute Kleinigkeiten oft großen Einfluss auf das Fahrzeugverhalten und die Balance, man muss sich also stets wieder neu anpassen. So etwas ist von außen kaum zu erkennen, aber für mich im Auto spielen solche Kleinigkeiten oft eine wichtige und große Rolle."
Frage: "Sieht deine Familie bei allen Rennen zu?"
Kubica: "In letzter Zeit nicht mehr so. Als ich mit dem Rennsport anfing, haben sie zugeschaut. Ich musste leider im Alter von 13 oder 14 Jahren nach Italien gehen, damit meine Karriere weitergehen konnte. Seither kamen meine Eltern nur noch eher selten zu den Rennen. Das ist bis heute so geblieben."
Frage: "Du wirkst immer ruhig und cool, aber wirst du beim Rennstart auch mal nervös?"
Kubica: "Beim Start nicht wirklich. Als ich neu in die Formel 1 kam, war es zu Beginn schon ein bisschen so. Vielleicht war ich nicht wirklich nervös, aber zumindest gab es eine gewisse Anspannung, die eigentlich gar nicht nötig ist."
Frage: "Wie wichtig ist das Verhältnis zu deinem Renningenieur Simon Rennie?"
Kubica: "Für mich ist der Renningenieur so etwas wie die Augen und das Gehirn außerhalb des Autos. Für alles, was sich in der Garage abspielt oder mit dem Auto - all das, was also wichtig ist zum Betrieb und zur Verbesserung des Autos - dafür ist der Renningenieur enorm wichtig. Wenn ich fahre, dann sind meine Augen und mein Gehirn komplett mit dem Fahrgefühl beschäftigt, Simon betrachtet die Szenerie gleichzeitig von außen. Wie ein zweites Gehirn und ein zweites Paar Augen."
Frage: "Fährst du gerne mit vollem Tank, oder vermisst du die Strategiespielchen mit Nachtanken?"
Kubica: "Ich habe mich daran gewöhnt. Wenn wir allerdings die Zeit zurückdrehen könnten, dann würden wir gern beim Nachtanken bleiben. Es gab damals mehr Chancen für Improvisation für die Ingenieure, es gab Rennen, wo man über einen gewissen Zeitraum absolut am Limit fahren musste."
"Heutzutage ist es oft so, dass man im Rennen viel zu viele Dinge bedenken und auf viele Dinge Rücksicht nehmen muss. Der erste Teil eines Rennens wird mit den vollen Tanks zur Fahrt in Zeitlupe, es ist alles ziemlich langsam. Ich hätte es gern wie früher, aber es haben sich mittlerweile alle daran gewöhnt. Die Rennen haben jetzt auch ihre guten Seiten, aber wenn es um wirklich kämpferische Fahrweise geht, da fand ich es vorher besser."
Frage: "Du fährst oft Rallye. Wie schwierig ist die Umstellung bezüglich des Fahrstils?"
Kubica: "Das ist ganz einfach, weil Rallye eine komplett andere Welt ist. Das hat kaum etwas miteinander zu tun. Ich glaube, dass mich die Fahrten im Rallyesport als Pilot noch besser machen. Ich kann dort einige Dinge lernen, die sich durchaus auf die Rennstrecke übertragen lassen. Umgekehrt ist es genauso. Ich muss offen zugeben, dass der Rallyesport verdammt schwierig ist."
Frage: "Wenn du irgendwann mal aufhörst, wirst du dann Teamchef oder Teambesitzer?"
Kubica: "Kann ich mir nicht vorstellen, auch wenn ich es nicht komplett ausschließen will. Man weiß nie, was in Zukunft kommt. Es hängt natürlich viel davon ab, in welchem Alter ich aufhöre und ob ich dann überhaupt noch Spaß am Rennsport habe. Ich hoffe natürlich, dass es der Fall sein wird. Ein großes Team zu leiten ist eine schwierige Aufgabe, dafür habe ich vielleicht nicht den passenden Charakter. Ich wäre sehr überrascht, wenn es mich in diese Richtung verschlagen würde."
Frage: "Wer war in der gesamten Karriere dein härtester Widersacher?"
Kubica: "Das ist schwierig zu sagen, weil immer viele Faktoren für eine Leistung von Piloten verantwortlich sind. Lewis Hamilton kenne ich schon lange. Ich bin in vielen Kategorien gegen ihn gefahren und er war immer und überall stark."
"Wir hatten zum Beispiel mal ein tolles Duell in Macau. Wenn ich also jemanden auswählen müsste, dann würde ich Lewis nennen. Aber das sage ich nicht, weil ich ihn für den härtesten Gegner aller Zeiten halte, sondern nur deshalb, weil er oft in den gleichen Serien unterwegs war, ich mich also an ihm messen konnte."
Frage: "Was war dein schönster Moment der Karriere?"
Kubica: "Der Gewinn der italienischen Meisterschaft 1998. Es gibt aus jedem Jahr tolle Erinnerungen, aber wenn ich mir einen einzigen Moment aussuchen müsste, dann wäre es dieser."
Frage: "Aus welchen drei einzelnen Sektoren würdest du deine Traumstrecke kombinieren?"
Kubica: "Der erste Sektor von Suzuka, den letzten Abschnitt von Monaco würde ich nehmen und ein Stückchen von Monza. Das könnte Spaß machen und schwierig sein."
Frage: "Welche Erwartungen hast du für 2011?"
Kubica: "Schwierig zu sagen, weil die Formel 1 kaum vorhersagbar ist. Man weiß ja oft nicht einmal, was in zwei Wochen passieren wird. Ich hoffe, dass wir uns weiter verbessern können. Ich hoffe auf bessere Ergebnisse. Dabei darf man niemals vergessen, dass grundsätzlich alle Teams eine Verbesserung für das kommende Jahr wollen. Man weiß also überhaupt nicht, wie sich die Gegner entwickeln werden."
"Ich will realistisch bleiben. Ich habe in den vergangenen beiden Jahren die Erfahrung gemacht, dass man ganz schnell abfallen kann. In der Formel 1 verändert sich alles dermaßen schnell. Ich kann für 2011 daher keine wirklich konkreten Ziele nennen. Ich hoffe, dass ich fahrerisch weiterhin gut dabei sein werde - so wie in diesem Jahr. Ich will weiter lernen und mich weiter verbessern."
Frage: "Was machst du in deiner Freizeit?"
Kubica: "Ich schaue gerne Filme, höre ganz gern Musik, aber ich habe da keine ganz spezielle Richtung. Ich mag Bowling, ich spiele auch gern andere Spiele und ich fahre gern Rallye. Ich mache ein Jahr lang dies, dann drei Monate lang etwas anderes - das ändert sich ständig. In letzter Zeit habe ich einen Großteil meiner Freizeit allerdings dem Rallyesport geopfert."
Kubica: "Ich habe so etwas eine Weile ganz gern gemacht, bin oft Rallye gefahren - Richard Burns Rallye. Ich war bei Formel-1-Spielen nie wirklich sonderlich gut, aber bei Rallye schon. Das habe ich teilweise nächtelang gezockt."
"Ich habe sogar an Meisterschaften teilgenommen, denn wir haben nette Onlineevents in Polen mit Richard Burns Rallye. Ich war da sogar manchmal auf internationalem Niveau unterwegs. Wie ich eben schon sagte: so etwas kommt und geht. Ich habe das lange Zeit gespielt, hatte dann keine Lust mehr und habe dann nochmal damit angefangen. Jetzt gerade spiele ich eigentlich gar nicht."
Frage: "Was isst du gern?"
Kubica: "Ich mag es gern einfach und weiß gerne ganz genau, was ich da zu mir nehme."
Frage: "Dein Lieblingsurlaubsziel?"
Kubica: "Finnland."
Kubica: "Ja. Aber ich nehme ein Rallyeauto mit und treffe mich dann mit Leuten irgendwo im Nirgendwo, an Seen und in Wäldern. Ich würde ein wenig Rallye fahren, ein bisschen Urlaub machen und etwas entspannen."
Frage: "Hattest du als Kind einen Helden?"
Kubica: "Nein, gab es nicht wirklich."
Frage: "Beschreib dich selbst in drei Worten..."
Kubica: "Das ist schwierig, aber ich würde sagen: Als Fahrer konstant, als Mensch sehr fordernd - auch mir selbst gegenüber. Ich habe immer alles gern perfekt und auf maximalem Level."
Frage: "Welche drei Dinge nimmst du auf eine einsame Insel mit?"
Kubica: "Vor einem Jahr habe ich auf die Frage so geantwortet: Rennwagen, Reifen und Benzin (lacht). Dabei bleibe ich!"