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Herbert: "Mark Webber schafft es"
Exklusivinterview mit Ex-Schumacher-Teamkollege Johnny Herbert: Mark Webber als großer Favorit, die Nerven als entscheidender Faktor
(Motorsport-Total.com) - Mit großer Spannung verfolgt Johnny Herbert die aktuellen Geschehnisse in der Formel 1. Der ehemalige Benetton-Teamkollege von Michael Schumacher sieht allerdings nur noch drei Piloten mit realistischen Titelchancen. Für den Ex-Grand-Prix-Sieger ist Mark Webber der klare Favorit. 'Motorsport-Total.com' sprach am Wochenende in Hockenheim mit Herbert, der sich dort als Zweiter im VW Scirocco R-Cup stark präsentierte.
Frage: "Johnny, in der Formel 1 kämpfen nach wie vor fünf Fahrer um die Krone. Hast du eine Vorstellung, wer es am Ende packen wird?"
Herbert: "Ja, klar - gar kein Problem: Es wird einer der Red-Bull-Jungs. McLaren ist aus meiner Sicht raus, die sind zu weit zurück. Ferrari ist zu inkonstant. Die hatten zwei Rennsiege, dann kamen sie nach Suzuka und fielen wieder ganz schön weit zurück. Mark Webber ist beeindruckend konstant, er fährt fast immer auf das Podest. Jetzt kommt aber auch Sebastian noch einmal nach vorne."
"Für Südkorea kann man sich nicht viel ausmalen, weil die Strecke neu ist. Aber man darf schon davon ausgehen, dass der Red Bull dort funktionieren wird. In Brasilien kann es jederzeit Wetterkapriolen geben, außerdem ist Ferrari dort meist schnell. Also: Es kann zwar noch viel passieren, aber aus meiner Sicht wird es Mark Webber. Er hat einfach den Vorteil."
Frage: "Ist es richtig, dass man Sebastian und Mark im Titelkampf so frei fahren lässt?"
Herbert: "Wenn sie die WM an Ferrari verlieren sollten, dann wird es natürlich Vorwürfe geben. Dann wird man sagen, dass sie Mark schon viel früher hätten unterstützen sollen. Wenn sie aber gewinnen, dann ist es natürlich so am besten für den Sport - es ist fair."
"Vor einigen Wochen hatte man Sebastian schon abgeschrieben, aber er ist jetzt wieder voll dabei. Das konnte nur gelingen, weil man es ihm erlaubte. Wenn man Ferrari sieht, dann bekommt dort Felipe niemals die Chance, sich zurückzukämpfen. Bei McLaren läuft es doch, Lewis und Jenson haben freie Fahrt. Das ist immer gut. Red Bull wird sowieso gewinnen, ob sie nun jemanden bevorteilen oder nicht."
Frage: "Ist die ganze Szenerie unter dem neuen Punktesystem nicht etwas verwirrend?"
Herbert: "Die Leute mögen das doch. Aus meiner Sicht gibt es kaum einen Unterschied zwischen dem neuen und dem alten Punktesystem. Allerdings fällt es nun leichter, einen Rückstand aufzuholen. Weil mehr Punkte verteilt werden, kann man auch mehr aufholen."
"Man sieht es in diesem Jahr ganz deutlich. Sebastian und Fernando waren schon weit abgeschlagen, aber beide sind wieder zurück. Die gesamte Saison ist klasse. Man hat viele Leute, die ein Rennen gewinnen können. Früher waren es oft nur zwei Teams mit je einem Fahrer. Aber jetzt haben vier oder fünf Fahrer aus drei Teams die Chance."
Frage: "Aber bewerten die Zuschauer die Abstände passend? Ist nicht bei vielen noch der Wert von zehn Punkten für einen Sieg im Kopf?"
Herbert: "Vielleicht ja. Aber das ist doch immer das gleiche Phänomen, wenn ein System verändert wird. Es braucht eben seine Zeit, bis man sich daran gewöhnt hat. Für die Motorsportverrückten ist es kein Problem, die haben das sofort drauf. Die Positionen sind wichtiger als die Zahl von Punkten. Der Sieger ist der Sieger - das ist nicht schwer zu verstehen."
Frage: "Was wird nun der Schlüssel auf dem Weg zum Titel sein: Speed oder Konstanz?"
Herbert: "Beides. Du musst schnell und konstant unterwegs sein. Mark hat das in diesem Jahr toll gezeigt. Er war konstant und immer stark. Im Qualifying war er immer schon gut, aber manchmal waren seine Rennen nicht ganz so gut. In diesem Jahr ist er in beiden Bereichen stark. Er ist mit Abstand derjenige, der sich am meisten verbessert hat."
"Ich finde auch, dass er es genau richtig angeht. Wenn er sagt, er muss weitere Rennsiege einfahren, dann stimmt das. Er kann dann entspannter an den Job gehen. Wenn man cooler ist, dann macht man einen besseren Job und hat keine Probleme. Er spürt den Druck. Vor allem, weil sein Teamkollege Sebastian wieder dran ist. Der hat ihn in den vergangenen Rennen geschlagen. Mentale Stärke wird jetzt zum wichtigen Faktor."
"Mark hat wahrscheinlich den größten Druck, weil er vorne liegt. Sebastian und Alonso sind gerade auf dem Vormarsch. McLaren ist noch nicht ganz raus aus der Entscheidung, aber die müssten jetzt alle drei Rennen ganz stark abschließen. Die dürfen sich nicht den geringsten Ausrutscher erlauben. Speed und Konstanz sind wichtig, aber die mentale Verfassung mindestens ebenso."
Frage: "Wird Südkorea jetzt zu einem großen Abenteuer?"
Herbert: "Oh ja. Das wird für die gesamte Formel 1 zum großen Abenteuer. Es wird vielleicht noch nicht alles komplett fertig sein, aber auch beim ersten Rennen in Abu Dhabi war nicht alles wirklich fertig. Dort waren es vielleicht 90 Prozent. Die Tribünen und die Strecke sollten okay sein. Aber da ist ja noch die Infrastruktur. Ich schätze, dass keine Hotels an der Strecke geöffnet sein werden."
Frage: "Und man ist fast 400 Kilometer von Seoul entfernt..."
Herbert: "Also 400 Kilometer entfernt vom Leben (lacht)! Aber wir hatten so etwas schon. In Japan waren wir auch im Niemandsland."
Herbert: "Könnte ich mir vorstellen, ja. Die richtigen Experten aus Deutschland, Italien und Großbritannien kommen ohnehin. Ich glaube aber auch, dass auch die lokale Bevölkerung kommen wird. Ist Südkorea eigentlich kommunistisch?"
Frage: "Nein..."
Herbert: "Okay, denn als kommunistisches Land hätten sie die Leute einfach dorthin gekarrt. Aber es werden trotzdem Fans kommen, denn es ist das Debüt. Die Asiaten mögen Motorsport. Ich kann mir daher vorstellen, dass einiges los sein wird."
Frage: "Und 2014 kommt dann Sotschi in Russland hinzu. Was meinst du dazu?"
Herbert: "Die Klassiker bleiben uns ja. Wir fahren immer noch in Monaco, am Nürburgring, in Hockenheim und Silverstone. Aber es ist wie in jedem Sport: es gibt Entwicklungen. Das Problem, das wir in Europa haben, sind die Finanzen. Es gibt keine Unterstützung vom Staat, keine Reserven wie Russland sie mit Gas und anderen Bodenschätzen hat. Abu Dhabi ist toll, aber dort sind wir, weil die dort das Öl haben."
"Viele Leute sagen, dass es nicht richtig ist, dass wir Europa mehr und mehr den Rücken kehren und dorthin gehen. Aber diese Nationen wollen die Formel 1 und sie zahlen dafür. Warum auch nicht? Für Bernie Ecclestone und viele beteiligte Firmen ist das interessant. Außerdem sprechen wir gleichzeitig auch über Rom. Das liegt in Europa..."
Herbert: "Für die Fans sowieso, denn die schauen sich alles an. Aber auch für Teams und Fahrer ist es kein wirkliches Problem. Das ist deren große Leidenschaft. Ich sehe daher keinen Grund, warum es ein Problem sein sollte. Die Piloten wollen möglichst viel fahren. Je mehr Rennen, desto mehr Spaß haben sie. Auch für die Teams geht das. Je mehr Rennen, desto mehr Geld gibt es auch aus dem Vermarktungstopf."
"Bernie Ecclestone sagt selbst, dass 20 Rennen pro Jahr das Maximum sind. Wenn wir uns im Vergleich mal die NASCAR anschauen, dann haben die dort 40 Rennen und mehr. 20 sollten dann wirklich kein großes Problem darstellen. Klar, es ist viel Arbeit und viel Reiserei. Aber noch vor zehn Jahren gab es bei uns unendlich viele Tests, heute nicht mehr. Damals sind wir zum Testen nach Spanien oder Italien geflogen, waren elf Monate pro Jahr auf Achse. Heutzutage ist es einfacher, alles ist kompakter."
Frage: "Du bist im Scirocco R-Cup am Samstag auf Platz zwei gefahren. Hattest du Spaß?"
Herbert: "Und wie! Ich hätte fast gewonnen. Ich hatte schon bei meinem ersten Auftritt in Brands Hatch viel Spaß und wollte unbedingt in Hockenheim gut auftrumpfen. Die Pole-Position war nett. Zuerst hatten wir im Rennen einen Dreikampf, aber dann konnten sich Daniel la Rosa und ich etwas absetzen. Wir haben unseren Boostknopf fast immer gleichzeitig gedrückt, daher war nicht viel zu machen."
"Wir hatten unheimlich viel Spaß. Außerdem war es toll, mit den anderen Legenden wie Juha Kankkunen und Giniel de Villiers zu fahren. Oder auch mit Willi Bergmeister, der damals den ersten Scirocco-Cup gewinnen konnte. Das Konzept ist klasse und das Auto macht viel Freude. Ich weiß noch nicht genau, was im kommenden Jahr ansteht, aber für ein paar Rennen hätte ich sicherlich Zeit. Es wäre nett, wenn sie mich noch einmal einladen würden."