• 07. Oktober 2010 · 10:08 Uhr

Barrichello: Über Stolz und Sicherheitssorgen

Rubens Barrichello lobt die schnelle Entwicklung bei Williams und sieht der Entscheidung über das Südkorea-Rennen gelassen entgegen: Vertrauen in die FIA

(Motorsport-Total.com) - Rubens Barrichello und sein Williams-Team bringen auch in Suzuka noch einmal neue Teile an den FW32. Die britische Traditionsmannschaft will Force India noch von Platz sechs in der Konstrukteurswertung verdrängen. Der erfahrene brasilianische Pilot geht mit großer Zuversicht an diese Aufgabe. Vor dem Start ins Suzuka-Wochenende spricht Barrichello über Erfolgschancen und Sicherheitsbedenken in Südkorea.

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Rubens Barrichello sieht gute Williams-Chancen in Japan Zoom Download

Frage: "Rubens, was braucht man, um in Suzuka schnell zu sein?"

Barrichello: "Eine gute Balance. Mit einer guten Balance erreichst du hier mehr als mit möglichst viel Grip, du bist damit schneller. Es ist wie ein Tanz. Wenn du einen Schritt ausgelassen hast, musst du ganz von vorne anfangen. In den Esses ist das so, dort brauchst du einen perfekten Rhythmus. Wenn du das gut hinbekommst, gibt dir das ein herrliches Gefühl."

Frage: "Suzuka gehört noch zu den Strecken, die nicht überall Kunstrasen oder Asphalt im Auslauf haben. Wie gefällt dir das?"

Barrichello: "Ich finde das gut. Man hat schon viel getan. Aber zum Beispiel in den Esses ist es wirklich noch eine Strecke der alten Sorte. Dort würde ich mir noch etwas mehr Auslaufzonen wünschen."

Frage: "Was magst du lieber: Die alten Strecken, wo man auch mal tief im Kiesbett landen kann, oder die neuen befestigten Auslaufzonen, wo man bei einem Ausritt mal gerade zwei oder drei Sekunden an Zeit verliert?"

Barrichello: "Das hat zwei Seiten. Als Fahrer der alten Garde magst du den Adrenalinkick, wenn beispielsweise die Mauern ganze nahe stehen. Aber der Vernunftsmensch in mir sagt, dass asphaltierte Auslaufzonen besser sind, weil Abflüge bei hohem Tempo wirklich nicht gerade leicht zu verschmerzen sind. Normalerweise reißt es dir zumindest die Hände vom Lenkrad. Das ist heftig."

Frage: "Aber zählt denn nicht auf solch traditionellen Strecken wie Suzuka, die eben keine zweite Chance beim Ausritt bieten, die Erfahrung und die Leistung als Fahrer mehr?"

Barrichello: "Ja und nein. Das hängt immer von vielen Faktoren ab, auch davon, wie es gerade insgesamt läuft und wie dein Setup passt. Jeder Fahrer kann mit einem guten Auto schnell durch die Esses fahren."

"In Monaco ist es genauso. Auch dort kann jeder nur so viel zeigen, wie es das Auto gerade zulässt. Der große Unterschied ist aber, dass man vor allem hier keine Zeit zum Atmen hat. Erst nach der Spoon-Kurve kannst du dich etwas entspannen, weil die spätere 130R heutzutage eigentlich keine echte Kurve mehr ist. Früher musstest du dich dort wirklich zusammenreißen, wenn du dort Vollgas fahren wolltest, aber jetzt geht das locker - außer im Regen."

Williams-Entwicklung auf Ferrari-Niveau

Frage: "Gehst du aufgrund der aktuellen Williams-Forschritte zuversichtlich an dieses Wochenende?"

Barrichello: "Ja, ich bin begeistert. Als wir uns vor dem Jahr zusammengesetzt haben, planten wir eigentlich für Singapur unser letztes Update. Die Entwicklung für 2011 geht gut voran und dennoch können wir auch hier wieder neue Aerodynamikteile anbauen. Das macht mich stolz."

Frage: "Wenn du schon seit Saisonbeginn ein Auto nach heutigem Stand gehabt hättest, könntet ihr dann im Kampf um Platz fünf bei den Konstrukteuren angreifen?"

Barrichello: "So etwas kann man schlecht beantworten. Man weiß gar nicht, wann Mercedes wirklich mit der Entwicklung am aktuellen Auto aufgehört hätte. Es lohnt sich nicht, darüber zu spekulieren. Wir haben ein Auto, das vielleicht immer noch etwas zurückliegt, aber wir sind ihnen jetzt sehr nahe."

"Renault hat ein extrem konkurrenzfähiges Auto. Aber die haben das Problem, dass deren Wagen auf manchen Strecken besser, auf anderen schlechter ist. Wir sind eigentlich gut dabei."

Frage: "In Singapur konntet ihr sogar mit Red Bull halbwegs mithalten. Wie sieht das hier aus?"

Barrichello: "Natürlich war das schön zu sehen. Aber auf dieser Strecke sehe ich Red Bull eine gute halbe Sekunde vor dem Rest der Welt. Das ist meine Meinung. Ich weiß nicht einmal, ob die nochmal neue Teile dabei haben. Aber wir haben hier eine Situation wie in Silverstone. Diese Strecke ist nur eine Nummer größer."


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Frage: "Auch in Singapur war Red Bull favorisiert, wurde aber von Ferrari geschlagen..."

Barrichello: "Ja. Die haben wirklich enorm aufgeholt. Sie waren eigentlich schon fast weg, aber haben sich stark herangearbeitet. Deren Sieg in Monza war okay, aber der in Singapur war großartig, denn Sebastian war eigentlich schneller. Aber Singapur ist die härteste Strecke für Bremsen, daher musste er sie teilweise schonen. Das Safety-Car hat so manchem geholfen, überhaupt bis zum Ende zu kommen."

Frage: "Hast du in deiner langen Formel-1-Karriere jemals erlebt, dass sich ein Auto so deutlich entwickelt wie der Williams in diesem Jahr?"

Barrichello: "Naja, Ferrrari war auch ziemlich gut, wenn es um die Verbesserung der Autos ging. Aber Williams ist da wirklich auf einem ähnlichen Level."

Frage: "Aber Williams hat nicht das gleiche Geld und das gleiche Personal wie Ferrari..."

Barrichello: "Ja, wie ich schon sagte: Ich bin sehr stolz auf das, was wir in diesem Jahr erreicht haben. Wenn man nur einmal ein paar Monate zurückdenkt. Nehmen wir mal Istanbul - dort war das Auto furchtbar, wir waren im Nirgendwo. Aber wichtig war, dass es in dieser Phase keinerlei Schuldzuweisungen gab. Man begann sogar noch mehr auf mich zu hören. Wir haben dann in den Bereichen Aerodynamik und Mechanik gut zugelegt und das Auto wurde eben viel besser."

Der Titelkampf bleibt spannend

Frage: "Wie empfindest du den aktuellen Titelkampf?"

Barrichello: "Es ist sehr interessant. Ich kann nur allen in Brasilien raten, früh wach zu sein und sich dieses Rennen anzuschauen. Es ist toll zu beobachten, vor allem, weil jetzt so viele Punkte verteilt werden. Vor einigen Rennen hatte man Alonso und Button schon komplett abgeschrieben. Aber es ändert sich ständig."

"Das wird bis Brasilien so bleiben. Erst dann werden wir vielleicht eine klarere Vorstellung davon haben können, wer es schaffen kann. Ich glaube allerdings nicht, dass sich schon in Brasilien jemand vorzeitig den Titel holen kann. Ich schätze aber, dass sich der Kreis dann auf zwei oder drei Piloten reduziert haben wird."

"Wenn man Lewis sagen würde, er solle sich zurückhalten, dann wüsste er gar nicht, was er machen soll."Rubens Barrichello
Frage: "Also hast du Spaß an dieser Saison?"
Barrichello: "Ja. Es gab viele verschiedene Sieger in den Rennen. Es gab auch nette Überraschungen. Zum Beispiel den Sieg von Jenson im nassen China. Das Rennen wäre unter trockenen Bedingungen wohl anders ausgegangen. Diese Meisterschaft war bisher wirklich spektakulär."

Frage: "Lewis Hamilton ist von außen für zwei angebliche Fehler zuletzt hart kritisiert worden. Wie seht ihr Fahrer das? Waren es wirklich seine Fehler, oder passieren solche Dinge einfach, wenn zwei Piloten aggressiv sein müssen?"

Barrichello: "Ich finde immer, dass man etwas nie als komplett falsch oder richtig ansehen sollte. Man muss solche Dinge hinnehmen und daraus lernen. Lewis ist von Natur aus ein aggressiver Pilot. Wenn man dem sagen würde, er solle sich zurückhalten, dann wüsste er gar nicht, was er machen soll. Man muss es ihn auf seine Art machen lassen. Bei seinen letzten Aktionen war auch Pech dabei."

Frage: "Du bist auch in der Fahrergewerkschaft GPDA aktiv. Wie ist dort die Meinung bezüglich des anstehenden Grand Prix in Südkorea?"

Barrichello: "Wir machen uns keine großen Sorgen, weil wir wissen, dass die FIA diese Strecke nur dann abnimmt, wenn wirklich alle Sicherheitsanforderungen erfüllt werden. Mag sein, dass die Infrakstruktur, die Hotels oder die Zufahrtsstraßen schlecht sind, aber die FIA wird das Rennen stattfinden lassen, wenn die Sicherheit gewährleistet ist."

"Als Vorsitzender der GPDA hätte ich da keine Probleme. Ich bin gespannt auf die Abnahme am Montag und darauf, ob man grünes oder rotes Licht signalisiert. Die Prüfung soll zwei Tage lange dauern, aber ich bin sicher, dass wir schon am Montag etwas hören werden. Vielleicht kann es auch später sein. Wir Fahrer sind jedenfalls sicher, dass wenn die FIA grünes Licht gibt, es dann auch okay sein wird."

Südkorea: Sicherheit steht an erster Stelle

Frage: "Aber falls sich die kommerziellen Interessen dort als wichtiger darstellen sollten als die Sicherheit?"

Barrichello: "Dann ist ein passender Moment gekommen, wo wir Fahrer ganz nahe zusammenstehen werden. Wenn wir jemals an einen Ort kommen, wo man sichtbare Mängel an der Sicherheit erkennt, dann kann alles passieren. Ich sage nicht, dass wir dorthin fahren und dann streiken - das ist nicht die favorisierte Lösung. Aber wir vertrauen auf die Einschätzung der FIA. Ich glaube kaum, dass jemand sagen wird, dass wir aus kommerziellen Gründen dort fahren müssen, obwohl die Strecke nicht sicher ist. Das wird niemals passieren."

Frage: "Vor zwei Jahren brach in Montréal der Asphalt auf. War es damals sicher?"

Barrichello: "Wenn man sieht, dass jemand etwas an der Situation ändern will, ist das etwas anderes, als wenn jemand einfach nichts tut. Sie haben damals wirklich alles versucht, um die Sache zu entschärfen. Es war sicherlich am Limit, aber sie haben etwas unternommen. Außerdem war es damals nur in einer langsamen Kurve."

"Was dort in dieser langsamen Kurve in Montréal damals los war, war vielleicht nicht ganz sicher, aber mehr als ein Dreher wäre damals wohl nicht passiert. Wenn an irgendeiner Stelle der Asphalt aufbricht, wo wir mit 180 Sachen unterwegs sind, dann ist das eine ganz andere Geschichte. Dann kannst du nicht fahren, es ist dann wie Aquaplaning. Wenn die FIA jetzt sagt, die Südkorea-Strecke ist sicher, dann gehen wir dorthin."

Frage: "Felipe Massa hat gesagt, dass er sich nicht zu einem zweiten Rubens Barrichello bei Ferrari machen lassen will. Was sagst du dazu?"

Barrichello: "Ich will das nicht weiter kommentieren. Ich habe mit Felipe gesprochen und er ist sicher, dass er nichts Negatives über mich gesagt hat. Wir bleiben Freunde. Ich will mich da auch nicht hineinhängen. Meine Ferrari-Zeiten liegen lange zurück, ich kenne nur das Team von damals. Ich weiß nicht, wie es jetzt dort aussieht, kann also nichts darüber sagen."

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