• 19. Juli 2010 · 16:13 Uhr

Chandhok über HRT-Cockpit und Indien-Chancen

Exklusivinterview mit HRT-Pilot Karun Chandhok: Der Inder über die Fahrerwechsel in seinem Team, die Chancen für 2011 und die Aussichten in Indien

(Motorsport-Total.com) - Die Fahrersituation bei HRT ist erinnert derzeit ein wenig an das bekannte Spiel "Reise nach Jerusalem". In Silverstone war Bruno Senna ohne Cockpit, in Hockenheim wird es Karun Chandhok sein, derweil darf Sakon Yamamoto munter fahren, Christian Klien hofft auf ähnliche Chancen. Der Inder war zumindest von seiner Absage für den Großen Preis von Deutschland nicht sonderlich überrascht, wie er im Exklusivinterview mit 'Motorsport-Total.com' verriet."

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Karun Chandhok hat seine ersten zehn Rennen in der Formel 1 hinter sich Zoom Download

Frage: "Karun, du darfst am Hockenheimring nicht im HRT-Auto sitzen. Bist du überrascht?"

Karun Chandhok: "Nein, im Team haben wir seit Wochen darüber gesprochen, dass es eventuell Wechsel im Cockpit geben könnte. In Silverstone hatte ich das Glück, dass ich neben Sakon im Auto sitzen durfte, nun ist also Bruno wieder dran. In den verbleibenden Rennen der Saison wird es von Rennen zu Rennen entschieden, wer im Auto sitzen wird."

"Natürlich ist das nicht ideal, weil man als Fahrer selbstverständlich an jedem Rennwochenende im Auto sitzen möchte. Aber für mich ist das nicht das Ende der Welt. Wir kämpfen weder um die Weltmeisterschaft, noch um Punkte. Ich werde in Hockenheim sein, mit dem Team zusammenarbeiten und mal schauen, was ich beitragen kann."

"Diese Diskussionen haben erst vor einigen Wochen begonnen."Karun Chandhok
Frage: "War es von Beginn der Saison an der Plan, dass man möglicherweise die Fahrer auch mal auswechselt?"
Chandhok: "Nein. Diese Diskussionen haben erst vor einigen Wochen begonnen. Es ging da um interne Absprachen zwischen dem Teammanagement und mir. Das gilt wohl für all unsere Fahrer."

Frage: "Also kamen die Diskussionen erst in dem Moment auf, als Sakon Yamamoto und Christian Klien zum Team kamen?"

Chandhok: "Das kann ich nicht sagen. Es spielt aber letztlich auch keine Rolle."

Frage: "Wie sind denn die weiteren Planungen? Bist du schon sicher, bei welchen Rennen du zum Einsatz kommen wirst?"

Chandhok: "Nein. Wir werden in Hockenheim über die Cockpitbesetzung für Ungarn sprechen. Danach kommt die Sommerpause, die uns dann auch etwas mehr Zeit lässt, über die verbleibenden Rennen der Saison zu sprechen. Allzu große Sorgen mache ich mir nicht. Es war doch klar, dass wir weder um Siege noch um Podestplätze kämpfen würden. Mein Ziel war es also, mich in der Formel 1 als respektierter Fahrer zu etablieren. So weit, so gut."

"Ich bin bezüglich 2011 ganz guter Dinge."Karun Chandhok
"Es gibt viele Leute, die der Ansicht sind, dass ich in einem schwierigen Umfeld bisher einen recht guten Job gemacht habe. Ich bin bezüglich 2011 ganz guter Dinge. Ich kann in diesem Jahr ohnehin nicht viel mehr machen, als mich in eine positive Ausgangslage für das kommende Jahr zu bringen."

Frage: "Gerüchte besagen, dass die Fahrerwechsel mit Sponsorengeldern zu tun haben könnten..."

Chandhok: "Ja, aber das war doch schon seit Barcelona so. Ich kommentiere solche Gerüchte nicht. Es interessiert mich herzlich wenig, was die Leute sich dort zusammendichten."

Frage: "Es geht also nicht um Geld, sondern um die Entwicklung des Teams?"

Chandhok: "Das Team hat sich entschieden, die zweite Saisonhälfte so zu strukturieren. Ich finde, um Gerüchte sollte man sich keine Gedanken machen. Es ist doch eine verrückte Welt. Wir haben gesehen, wie viele Geschichten über Bruno kursierten, weil er in Silverstone nicht gefahren ist. Die meisten dieser Geschichten glaube ich jedenfalls nicht."

Frage: "Vor Saisonbeginn hatten viele Fachleute erwartet, dass du gegen Bruno einen schweren Stand haben könntest. Nun ist es eher umgekehrt. Wie empfindest du das?"

Chandhok: "Darüber bin ich natürlich glücklich. Bruno ist ein toller Fahrer, der fast 2009 bei Brawn untergekommen wäre. Dass ich wirklich gut mithalten kann, spielt mir natürlich in die Karten. Viele hatten das wirklich andersherum erwartet. Mich macht das natürlich sehr froh. Ich bin mit geringen Erwartungen in die Formel 1 gekommen. Nun bin ich insgesamt in einer besseren Position. Ich werde als vollwertiger Formel-1-Pilot respektiert."

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Frage: "Wie hast du den Schritt von der GP2 in die Formel 1 empfunden?"

Chandhok: "Das ist natürlich gewaltig. Immerhin ist die Formel 1 wirklich die absolute Spitze des Motorsports. Es ist ein interessanter Schritt, vor allem in unserer Situation. Ich habe viel gelernt, es bisher sehr genossen. In unserem Team arbeiten erstklassige Ingenieure. Ich habe von denen viel lernen können. Und genau darum geht es in diesem Jahr: lernen und Erfahrungen sammeln. Ich wollte einfach auch zeigen, dass ich keine Lusche bin."

Frage: "Ist es ein Vorteil, dass du sogar mit einem ganz neuen Team deine ersten Formel-1-Schritte gehen musstest?"

Chandhok: "Es ist weder ein Vor- noch ein Nachteil. Es ist einfach wie es ist. Es gibt überall zwei Seiten einer Medaille. Wenn man wie Vitaly Petrov oder Nico Hülkenberg in ein etabliertes Team kommt, steht man sofort unter dem Druck, Punkte holen zu müssen. Man muss sofort konkurrenzfähig sein, eventuell im entscheidenden Moment sogar auf das Podium fahren können. Die Chancen sind besser, aber andererseits ist der Druck natürlich auch viel höher."

"Bei uns ist es genau umgekehrt. Der Druck ist deutlich geringer, aber wir haben eben keine Chance auf Punkte. Wenn man in einer Situation ist wie damals Lewis Hamilton, der sofort um den Titel kämpfen konnte, dann ist das natürlich toll gleich in der allerersten Saison. Aber dennoch ist solch ein Einstieg wie meiner unter dem Strich weder gut noch schlecht. Das bleibt sich gleich."

Frage: "Also waren deine Erwartungen von vornherein passend gering angesiedelt?"

Chandhok: "Es war doch klar, dass wir ganz hinten starten werden. Wenn man in einer solchen Situation in die Formel 1 kommt, dann kann man nur versuchen, sich als vernünftiger Formel-1-Fahrer darzustellen. Das hat Mark Webber so gemacht, als er mit Minardi einstieg. Das hat Fernando Alosno ebenso gemacht. So muss man es machen. Als Jarno Trulli zu Prost ging, hatte er auch nur diese Chance. So ist es bei mir nun einmal auch."

Frage: "Fühlst du dich nun schon als Formel-1-Pilot entsprechend anerkannt und etabliert?"

Chandhok: "Ich denke, dass viele Leute das so sehen, auch die Medien. Im Fahrerlager laufen sehr viele erfahrene Leute herum, die meine Entwicklung auch positiv sehen. So etwas nehme ich natürlich sehr gern zur Kenntnis."

Frage: "Wo siehst du dich am Ende dieser Saison, oder zu Beginn der kommenden Saison?"

Chandhok: "Kann man jetzt noch nicht sagen. Natürllich ist HRT meine erste Adresse für Gespräche. Die haben für die Zukunft einige interessante Pläne. Wenn sie das umsetzen können, dann ist HRT ein gutes Team für mich. Mal sehen, denn es gibt einige andere Optionen. Es ist aber erst Mitte Juli. Die Silly Season geht doch erst im September so richtig los."

Frage: "Im kommenden Jahr gibt es erstmals einen Grand Prix in Indien. Es gibt ein indisches Formel-1-Team. Wäre es ein Traum für dich, den Grand Prix in Indien mit einem indischen Team zu bestreiten?"

Chandhok: "Erst einmal ist es ein Traum für mich, das Rennen in Indien überhaupt zu fahren. Am liebsten natürlich in einer aussichtsreichen Position. Vielleicht nicht im kommenden Jahr, aber in Zukunft. Ich bin sehr optimistisch, dass ich 2011 am Start stehen werde. Aber sicher ist es noch nicht. Mein Vertrag mit HRT läuft nur über ein Jahr. Die Gespräche mit denen müssen wir erst einmal abwarten."

"Wenn ich ein schlechtes Rennen habe, dann mache ich mir selbst Dampf."Karun Chandhok
Frage: "Glaubst du, dass die Formel 1 in Indien ausreichend Interesse wecken und später auch Nachwuchs begeistern kann?"
Chandhok: "Ja, absolut. Sieh mal mich an. Ich bin Formel-1-Pilot, aber in allererster Linie bin ich ein Fan. Ich besuche die WTCC Brands Hatch, danach fahre ich zur Formel 3 nach Rockingham. Ich besuche sogar die Formel-3-Testfahrten wenn es schneit. Ich liebe den Sport ganz einfach. Die Leute machen an freien Wochenenden immer das, was ihnen am meisten Spaß bereitet. Bei mir ist es eben der Motorsport."

"So geht es bestimmt auch vielen anderen Leuten in Indien. In diesem Jahr haben wir schon regelmäßig 27 Millionen TV-Zuschauer dort. Das sind mehr als in Großbritannien, Italien, Frankreich und Deutschland zusammen - aber natürlich haben wir auch eine ganz andere Basis. Es wächst in Indien immer weiter. Einen Grand Prix zu haben, einen Fahrer und ein Team aus Indien hilft natürlich."

Frage: "Spürst als einziger indischer Formel-1-Pilot auch Druck?"

Chandhok: "Nein, das bringt keinen Druck. Ich setze mich eher selbst unter Druck, weil ich viel von mir erwarte. Wenn ich ein schlechtes Rennen habe, dann mache ich mir selbst Dampf. Ich muss dann immer ergünden, was falsch lief und wie ich es besser machen kann. Jeden Mittwoch oder Donnerstag nach einem Rennen setze ich mich mit meinem Ingenieur zusammen. Egal, ob ich meinen Teamkollegen oder Virgin geschlagen habe: Ich sage ihm dann immer, dass er mir sagen soll, was ich besser machen kann."

"Ich will nicht wissen, was ich gut gemacht habe, sondern ich muss erfahren, was ich falsch gemacht habe. Nur dann kann ich mich verbessern. Ich mache mir selbst also viel mehr Druck, als andere Leute das jemals machen könnten."

Frage: "Auch wenn du noch nicht genau weißt, wie oft du noch im Cockpit sitzen wirst: Was hast du als Ziel für die restliche Saison? Mal einen zehnten Platz ergattern?"

Chandhok: "Ein Punkt käme einem Wunder gleich. Man muss erst einmal schauen, wo wir in der zweiten Saisonhälfte überhaupt stehen. Ich denke darüber aber auch gar nicht nach. Ich will einfach an jedem einzelnen Rennwochenende den bestmöglichen Job abliefern. Was dann dabei herauskommt, das muss man abwarten."

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